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VERSAGER UND OPFER
ОглавлениеDas berühmte Bonmot „Früher war ich der Sohn meines Vaters, jetzt bin ich der Vater meines Sohnes“ von Abraham Mendelssohn Bartholdy hätte auch von Johann van Beethoven – des alten Ludwig Sohn, des jungen Ludwig Vater – stammen können. Vielleicht wäre es ihm ja tatsächlich eingefallen, wenn nicht der in Bonn allseits geschätzte Vater auch privat so tonangebend gewesen wäre.
Oder sein Ältester nicht so elendiglich begabt gewesen wäre?
Oder der Alkohol nicht so widerwärtig allgegenwärtig gewesen wäre?
Sohn, Vater, Ehemann … und Versager.
Oder doch nur Opfer widriger Umstände?
Johann van Beethoven war vieles, ein wie auch immer erfolgreicher Zeitgenosse war er nicht.
Als er 1740 auf die Welt kam, hatten seine Eltern bereits zwei Kinder begraben, ihre Hoffnungen ruhten nun auf seinen – schmalen – Schultern. Johanns wohlklingende Stimme und seine Musikalität entsprachen den elterlichen Erwartungen, der Vater unterrichtete ihn in Gesang und Klavier. Nach kurzer Zeit in einem Gymnasium bestimmte ihn sein Vater zum Dienst in der Hofmusik. Ab zwölf sang er im kurfürstlichen Chor, mit 16 Jahren erhielt Johann van Beethoven aufgrund „zu der Singkunst habenden Geschicklichkeit, auch darin bereits erworbenen Erfahrung“ sein Dekret als Hofmusikus – eine Position, die ihm ein Zusatzeinkommen als Musiklehrer ermöglichte.
Die finanzielle Situation erlaubte ihm nun, den nächsten Schritt in ein selbstständiges Erwachsenenleben zu tun. 1767 heiratete Johann van Beethoven Maria Magdalena Leym, die trotz ihrer 20 Jahre bereits ein, wenn auch ebenso tragisches wie ehrenhaftes, Vorleben gehabt hatte. Die Tochter des acht Jahre davor verstorbenen Oberhofkochs der Kurfürsten zu Trier hatte 1763 einen kurfürstlichen Kammerherrn (eine Mischung aus Chefbutler und Head of Backoffice) geehelicht, war aber bereits knapp zwei Jahre später Witwe geworden.
Ludwig van Beethoven senior war über die Wahl seines Sohnes gar nicht erfreut – die Leymische sei doch wirklich keine standesgemäße Ehefrau. Wie konnte Johann nur die Tochter eines Oberhofkochs … also nein, wirklich nicht!
Dass in der damaligen Zeit die Position eines – noch dazu kurfürstlichen – Chef de Cuisine der eines Hofkapellmeisters durchaus gleichgestellt war, schien Ludwig van Beethoven senior in diesem Moment heftiger Ablehnung vergessen zu haben.
Eine mögliche Erklärung dieser unberechtigten Mischung aus gesellschaftlichem Dünkel und hofkapellmeisterlichem Poltern könnte jedoch in seiner Angst um den eigenen Familienstatus gelegen sein. Zwar war und blieb er der Vorgesetzte seines Sohnes, aber er mochte wohl gewusst haben, dass er bei wesentlichen Entscheidungen gegen den Einfluss einer bereits eheerprobten Schwiegertochter keine Chance haben würde.
Da sein Sohn aber auf seiner Wahl beharrte, war Ludwig van Beethoven senior klug genug, nachzugeben. Erst recht, da seine zukünftige Schwiegertochter „eine schöne schlanke Person“ von ziemlicher Größe mit einem länglichen Gesicht, einer etwas gebogenen Nase und ernsthaften Augen gewesen sein soll. Zumindest, wenn man den Schilderungen von Gottfried Fischer, dessen Eltern die Vermieter der Familie Beethoven waren, Glauben schenken darf.
Und sehr ernst sei sie gewesen. Cäcilia, Gottfrieds um 18 Jahre ältere Schwester, „wußte sich nie zu erinnern, daß sie Madam van Beethoven hätte lachen sehen, immer war sie ernsthaft“. Abgesehen davon gab es über ihren Charakter nur zarte Andeutungen: Fromm, sanft und gutmütig, aber auch aufbrausend sei sie gewesen. Und trotzdem habe sie sich im sozialen Umgang sehr geschickt gezeigt und den Haushalt sparsam geführt.
Es blieb ihr, angesichts von sieben Geburten und eines Immer-mehr-Alkoholikers, wohl nichts anderes übrig.
Sieben Geburten zwischen April 1769 und Mai 1786, zwischen ihrem 23. und 39. Lebensjahr – dass Maria Magdalena van Beethoven am 17. Juli 1787 in ihrem 41. Lebensjahr „an der Schwindsucht“ starb, war nicht unerwartet, geschweige denn eine ungewöhnliche Tragödie. Und doch traf ihr Tod den damals 16-jährigen Ludwig unvermittelt und heftig, wohl auch, weil er mit ihr seine wichtigste Verbündete gegen den Vater verloren hatte. Kein Wunder, dass er nach seiner ersten Wien-Reise am 15. September 1787 an Joseph Wilhelm von Schaden, einen Augsburger Vertrauten, schrieb:
„Hochedelgeborner, insonders werter Freund!
[…] Ich muß Ihnen bekennen: daß, seitdem ich von Augsburg hinweg bin, meine Freude und mit ihr meine Gesundheit begann aufzuhören; je näher ich meiner Vaterstadt kam, je mehr Briefe erhielt ich von meinem Vater, geschwinder zu reisen als gewöhnlich, da meine Mutter nicht in günstigen Gesundheitsumständen wäre; ich eilte also so sehr ich vermochte, da ich doch selbst unpäßlich wurde; das Verlangen, meine kranke Mutter noch einmal sehen zu können, setzte alle Hindernisse bei mir hinweg und half mir die größten Beschwernisse überwinden. Ich traf meine Mutter noch an, aber in den elendesten Gesundheitsumständen; sie hatte die Schwindsucht und starb endlich ungefähr vor sieben Wochen, nach vielen überstandenen Schmerzen und Leiden. Sie war mir eine so gute liebenswürdige Mutter, meine beste Freundin; o! wer war glücklicher als ich, da ich noch den süßen Namen Mutter aussprechen konnte, und er wurde gehört, und wem kann ich ihn jetzt sagen? Den stummen ihr ähnlichen Bildern, die mir meine Einbildungskraft zusammensetzt? So lange ich hier bin, habe ich noch wenige vergnügte Stunden genossen; die ganze Zeit hindurch bin ich mit der Engbrüstigkeit behaftet gewesen, und ich muß fürchten, daß gar eine Schwindsucht daraus entsteht; dazu kommt noch Melancholie, welche für mich ein fast ebenso großes Übel als meine Krankheit selbst ist.“
Spätestens mit dem Tod der Mutter endete der letzte Rest der Kindheit, die Beethoven ohnehin kaum je kennengelernt hatte.
Zu Beginn der Ehe von Johann und Maria Magdalena van Beethoven schien noch alles einen normalen, kleinbürgerlichen Weg zu gehen. Nach Geburt und Tod des ersten kleinen Ludwig im April 1769 bot sich den Eltern die Freude, drei Söhne überleben und aufwachsen zu sehen. Am 17. Dezember 1770 wurde der zweite kleine Ludwig – „unser“ Beethoven – getauft, sein Bruder Kaspar Anton Karl folgte am 8. April 1774. Ziemlich genau zweieinhalb Jahre später erblickte Nikolaus Johann van Beethoven das Licht der Welt – zu beiden Brüdern sollte Beethoven zeitlebens eine enge, wenn auch problematische Beziehung haben.
Ebenfalls 1770 ergab sich für Johann van Beethoven die Möglichkeit eines Wechsels weg von Bonn an die Lütticher Lambertuskathedrale, wo schon sein Vater eine der ersten Stufen seiner Karriereleiter erklommen hatte. Doch aufgrund des kurfürstlichen Widerstands blieb es bei dem Wunsch. Johann, seine Familie und damit auch sein Sohn Ludwig blieben in Bonn.
Nur kurz … ein Gedankenspiel. Wäre Ludwig van Beethoven in Lüttich geboren, erzogen, musikalisch sozialisiert worden und hätte von dort aus seine Karriere gestartet – wäre er „unser“ Ludwig van Beethoven geworden? Oder doch ein ganz anderer? Ein anderer … ja. Aber kein ganz anderer. Denn um ein Genie zu werden, bedarf es zweierlei: der genetischen Ausstattung und der umgebenden Bedingungen. In erstere Kategorie fällt neben der alles überstrahlenden Genialität vor allem eine Eigenschaft, die die Ortsunabhängigkeit eines Genies garantiert: sein Fleiß. Und letztere Kategorie hing bei Beethoven nicht mit geografischen Koordinaten zusammen, denn die für ihn entscheidende Umgebung war … sein Vater, und der hätte sich wohl in Lüttich ähnlich verhalten.
Denn Johann van Beethoven wusste, dass er vieles nur dank seines Vaters erreicht hatte. Schlimmer noch: dass er vieles davon durch seinen weindurchtränkten Lebenswandel zunichte zu machen drohte. Aber jetzt hatte sich ihm eine zweite Chance eröffnet, es besser zu machen, denn es war sein Sohn, der extrem musikalisch war, sein Sohn, mit dem er der Welt zeigen konnte, wozu er selbst nicht imstande gewesen war: aus diesem Kind einen berühmten Musiker, vielleicht sogar ein Wunderkind zu formen. Was dieser Leopold Mozart mit seinem Wolfgang geschafft hatte, würde ihm doch ebenso gelingen.
Schule? Wozu?
Wie Lutwig v: Beethoven was angewacksen war, ging er in die Neüstraß […] bey Herr Lehrer Huppert in die Elimentar Schule, auch nachher in die Münster Schul gegannge, er hat nach seinem Vater aussage nicht viel in der Schule erlärrent, deßwegen hat ihn sein Vater so frühe an das Klavier gesetzt und ihn stränng angehalten. Cicilia Fischer bezeüge, wie sein Vater ihn am Klavier anführte, muß er auf einem kleine Bännkgen stehe und spiele.“
Es sind wieder Gottfried Fischers ungelenke Zeilen, die uns Johann van Beethovens Bildungsbewusstsein näherbringen. Wissen ist was für Loser, Wunderkinder sind Winner.
Und was ein Wunderkind war, schien Johann van Beethoven genau zu wissen. Eine Reproduktionsmaschine – je jünger die Hände waren, die flink über die richtigen Tasten sausten, um bekannte Werke dem erstaunten Publikum darzubringen, desto schneller würden sich seine – seines Sohnes sowie seine – Ehre und Karriere vermehren.
Kleine Hände, großer Ruhm! Aber das bezog sich eben nur auf das Spielen beliebter Werke, nicht auf die – zugegebenermaßen musikalisch nicht allzu raffinierten – Tonschöpfungen eines Volksschulkindes. Ludwig sollte üben, aber nicht seinen schöpferischen Neigungen nachgehen.
„Lutwig v: Beethoven erhielt weider auch Täglich Lehrstunde auf der Fiolin. Lutwig spielte mal ohn Nohten, zufällig kam sein Vater herrein, sagt, was kratz du da nun wider Dummes Zeüg durcheinander, du weis das ich das gar nicht leiden kann, kratz nach den Nohten, sonst wird dein kratzen wenig nutzen. […] er spielte wider nach seinem Sinn ohn Nohten, da kam sein Vater herrein, höhrs du dann gar nicht auf nach alle meine Sagen, er spielte wider, sagt zu seinem Vater, ist denn das nicht schön, sagt sein Vater, das ist nur was anders, allein aus deinem Kopf, dafür bist du noch nicht da, befleißige dich auf dem Clavir und Fiolin, mach schwinnt richtige angriff auf die Nohten, da ist mehr an gelegen. Wenn du es mal so weit gebracht hast, dann kanz du und muß du mit Kopf noch gnug arbeiten, aber dafür geb dich getz nicht damit ab, du bist noch nicht dafür da.“
Manche meinten, diese – nicht nur freiwillige – ausschließliche Beschäftigung mit Musik habe wesentlich zu Beethovens misanthropischem Wesen beigetragen, da er „außer Musik nichts verstehe, was zum geselligen Leben gehöre“. Und diese Einschränkung habe sich auch in der Schule gezeigt, wenn man einem ehemaligen Mitschüler Glauben schenkt: „Luis van Beehoven, dessen Vater beim Kurfürsten als Hofsänger angestellt war. […] Luis v. B. zeichnete sich ganz besonders durch Unsauberkeit, Vernachlässigung u.s.w. aus. Von den genialen Funken, die er später so reichlich sprühete, entdekte damals niemand eine Spur.“
Bei genauerer Betrachtung erweisen sich zwar manche dieser Quellen als etwas wackelig, trotzdem runden sie das Bild eines Knaben ab, der aufgrund der familiären Umstände nicht wie andere – geliebte, gut gepflegte – Kinder aufwachsen konnte, durfte. Wie stark Beethovens spätere innere Zurückgezogenheit und Lebensbrüche abseits der Taubheit bereits in seiner Kindheit angelegt wurden, kann nur schwer beantwortet werden. Dass ihn aber seine Bildungsdefizite – allen voran sein Unvermögen im Umgang mit Zahlen – bis zum Tod behindert und verstört haben, zeigen nicht nur skurril-tragische Passagen in seinen Briefen und „Konversationsheften“. Andererseits ermöglichte die Strenge des Vaters dem kleinen Ludwig sowohl einen Berufseinstieg als auch einen sozialen Um- und Aufstieg, der ohne diesen Drill nicht möglich gewesen wäre.
Am 26. März 1778 veranstaltete „der Churköllnische Hoftenorist“ Johann van Beethoven ein Konzert von „zwey seiner Scholaren“, als einer davon trat „sein Söhngen von 6 Jahren […] mit verschiedenen Clavier-Concerten und Trios“ auf. Die falsche Altersangabe – zu diesem Zeitpunkt war Ludwig sieben Jahre und dreieinhalb Monate alt – dürfte wohl kaum ein Irrtum gewesen sein, doch übt sich früh im Verjüngen, wer ein Wunderkind haben will.
Vier Jahre später, mit „echten“ elf Jahren, begann Ludwig seinen Lehrer Christian Gottlob Neefe an der Orgel zu vertreten. Zuerst zur Ehre Gottes, also ohne Bezahlung, rückte Ludwig Jahre später auf die Stelle des regulären zweiten Hoforganisten nach. Mit 13 Jahren sein zweiter Posten, nachdem er bereits ein Jahr vorher Mitglied der Bonner Hofkapelle geworden war, weshalb er nicht nur als Organist, sondern auch als Cembalist und Bratschist am professionellen Musikleben Bonns teilnahm.
Diese mannigfachen Tätigkeiten ermöglichten es dem jungen Ludwig van Beethoven, Kontakte zu schließen, die sich ihm als bloßen Schulabgänger kaum eröffnet hätten. Dabei spielte sein Jugendfreund Franz Gerhard Wegeler eine wesentliche Rolle, quasi die erste Geige. Der um fünf Jahre ältere Absolvent des Bonner Jesuiten-Gymnasiums empfahl den nach außen hin früh erwachsenen Ludwig Helene von Breuning als Klavierlehrer ihrer Kinder Eleonore und Lorenz. Ein Glücksgriff – vor allem für Beethoven, denn die jung verwitwete Mutter von vier Kindern bot Ludwig dank ihrer Bildung, aber auch ihrer Großzügigkeit und Güte eine Mischung aus Ersatz-Elternhaus und Institut für Umgangsformen und literarische Erwachsenenbildung, in der Beethoven frei reifen und lernen durfte. Lernen und dabei die Schönheit des Lernens kennenlernen durfte – eine der Erfahrungen, die seine lebenslange Wissbegierde und Diskursfreude prägten.
Im Gegensatz dazu konnte er von seinem Vater Johann nichts mehr lernen, da sich dieser zusehends in der Kunst der alkoholdurchtränkten Selbstzerstörung übte. Als dann auch noch Beethovens Mutter Maria Magdalena am 17. Juli 1787 an der Schwindsucht, an der Lungentuberkulose, starb, gab es für Johann van Beethoven keinen Halt mehr außer … Johanns und Maria Magdalenas jüngste Tochter Maria Margareta Josepha, also „unseres“ Beethovens jüngste Schwester. Sie war erst Anfang Mai 1786 geboren worden. Aber die Frage, ob vielleicht dieses Kind Johann van Beethoven noch einmal aus seinem Elend hätte herausreißen können, beantwortete das Schicksal auf eine für die damalige Zeit realistische Art – die kleine Maria Margareta Josepha starb ihrer Mutter am 25. November 1787 nach. Aus einer ohnehin schon sehr schiefen Bahn wurde eine wirre Lebenslinie, der entlang Johann van Beethoven in den Abgrund torkelte. Um nicht mit seinen Brüdern mitgerissen zu werden, richtete Ludwig ein ungewöhnliches Bittgesuch an Kurfürst Maximilian Franz, dem am 20. November 1789 stattgegeben wurde.
„Ad Sup.
Des Organisten L. Van Beethoven.
Demnach Se Kurfürstl. Dchlt. dem Supplicant, in der einvermeldeten Bitt ggst willfahren, und desselben Vater, der sich in ein churcolnisches Landstädtchen zu begeben hat, von seinen weitern Diensten hiemit gänzlich dispensiren wollen; mithin. mildest verordnen, daß demselben begehrter maßen nur ein hundert Rthr. von seinem bisherigen jährlichen Gehalt künftig, und zwar im Anfang des eintretenden neuen Jahrs, ausgezahlt werden, das andere 100 Thlr. aber, seinem supplicirenden Sohn nebst dem bereits genießenden Gehalt von gedachter Zeit an zugelegt seyn, […] für die Erziehung seiner Geschwistrigen, abgereicht werden soll […]
Urkund. p.
Bonn den 20. November 1789.“
Nun, ab 1790, bekam Ludwig van Beethoven neben seinem eigenen Gehalt zusätzlich die Hälfte der 200 Reichstaler ausbezahlt, die sein schwer alkoholkranker Vater als soziale Zuwendung erhalten hatte. Wie weit die Androhung von dessen Verbannung „in ein churcolnisches Landstädtchen“ ernst gemeint war, lässt sich nur schwer erahnen – auf jeden Fall blieb Johann van Beethoven, auch dank der Fürsprache seines Sohnes Ludwig beim Kurfürsten, in Bonn.
Am 18. Dezember 1792 endete Johann van Beethovens Lebensweg, knapp nach seinem 52. Geburtstag. Ob ihm seine übermäßige Neigung zum Trinken durch den väterlichen Weinhandel in die Wiege gelegt worden war oder ob er sie von der Mutter ererbt hatte, war und ist aus der Sicht seiner Familie irrelevant.
Auch wenn sich Gottfried Fischer in seinen Aufzeichnungen über Beethovens Jugend zu erinnern glaubte, dass Johann van Beethoven lediglich „in Gesellschaft, da nicht oft geschah, ein wenig zu viel getrunken hat“, so berichtet er auch, dass „die drey Knaben […], nemmlich Lutwig, Kaspar, Nikola sehr auf die Ehr ihre Aelteren betacht waren“. Wenn sie von einer dieser „Trink-Gesellschaften“ erfahren hatten, „so waren sie alle drey gleich da besorg und suchten ihr Pappa auf die feinste art, um das es nur kein Aufwannt gab, im stille nach Hauß zu begleiten“.
Egal ob Johann van Beethoven ein Tyrann war, der im Rausch sein Kind misshandelte, ein Vater war, der nur das Beste für seinen Sohn wollte und deshalb über die erzieherischen Stränge – mit erzieherischer Strenge – schlug, oder ob er, nach heutiger Sicht, lediglich ein schwerer F10-Patient („Psychische und Verhaltensstörungen durch Alkohol“) war, egal, welchen Standpunkt man einnehmen mag – Johann van Beethoven hatte sein Ziel erreicht. Er starb nicht als Ludwig van Beethovens Sohn, sondern als dessen Schöpfer.