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LEBENSLÄNGLICH WIEN

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Eigentlich war Beethoven nur zu einem Studienaufenthalt nach Wien gekommen – einer kurzen Bildungsetappe, die letztlich jedoch mehr als 34 Jahre andauern sollte. Als er im November 1792 in Wien ankam, betrat Beethoven keinen fremden Boden – das heißt, ihm war der Boden trotz seines 1787er-Mozart-Trips noch großteils fremd, aber er nicht dem Boden, denn dank verschiedener aristokratischer Netzwerke war die musikbegeisterte Kaiserstadt wohlinformiert, welch vitales Künstlerblut ihr zuströmte – und Wien war diesbezüglich ein Vampir, ganz besonders die Aristokratie liebte eine kräftigende Auffrischung.

Zum einen waren es diese offenen Arme, die Beethoven auf Jahrzehnte umschlossen, zum anderen mag die Nachricht vom Tode seines Vaters am 18. Dezember 1792 dazu beigetragen haben, Rückkehrgedanken zu verringern – erst recht, da seine Brüder Kaspar Anton Karl 1794 und Nikolaus Johann 1795 nach Wien folgten. Aber auch andere Vertraute aus Bonner Zeiten fand Beethoven in Wien wieder – so musste sein Jugendfreund Franz Gerhard Wegeler 1794 als Rektor der Universität Bonn vor den französischen Truppen fliehen … und kam auf zwei Jahre nach Wien. 1801 zog Stephan von Breuning nach Wien, und im selben Jahr sandte Beethovens ehemaliger Geigenlehrer Franz Anton Ries seinen Sohn Ferdinand zu ihm in den Klavierunterricht.

Und dann gab es da noch den einen, einstweilen überlebenswichtigen Bezug zu Bonn, der sich allerdings gleich zu Beginn des Jahres 1793 in Luft aufzulösen drohte … das liebe Geld. Drei Jahre und zwei Monate zuvor, am 20. November 1789, hatte Fürsterzbischof Maximilian Franz dem Ansuchen Ludwig van Beethovens um finanzielle Unterstützung stattgegeben und entschieden, ihm zusätzlich zu seinem eigenen Gehalt in der Höhe von 100 Talern die Hälfte der verbliebenen Zuwendung an den Vater – zufällig ebenfalls 100 Taler – auszuzahlen, damit er sich um „die Erziehung seiner Geschwistrigen“ kümmern könne. Damals wollte Ludwig die kurfürstliche Zusage sofort der zuständigen Behörde vorlegen, unterließ aber dann – auf flehendes Bitten seines Vaters, ihn nicht in der Öffentlichkeit zu blamieren – diesen Schritt. Sein Vater schlug ihm folgenden Deal vor: Er, Johann van Beethoven, würde weiterhin 200 Taler im Jahr bekommen, davon aber seinem Sohn, der kurfürstlichen Zusage folgend, vierteljährlich jeweils 25 Taler überlassen. Der Fürsterzbischof würde schon nichts von ihrem Gentlemen’s Agreement erfahren, und unterm Strich geschähe doch ohnehin alles ganz in dessen und Ludwigs Sinn – das müsse man doch nicht an die große Glocke hängen und ihn damit dem Bonner Spott preisgeben. Und tatsächlich hielt Johann van Beethoven Wort und ließ seinem ältesten Sohn alle drei Monate den versprochenen Betrag zukommen.


Maximilian Franz von Österreich (1756–1801), Kurfürst und Erzbischof von Köln

Aber nun, nach dem Tod des Vaters, war diese Quelle zur Gänze versiegt, obwohl Ludwig das Geld – durchaus auch für seine jüngeren Brüder – dringend benötigte. Was also tun? Das Naheliegendste, wenn auch in der Bonner Ferne: Ludwig van Beethoven dürfte seinen Freund Ferdinand Ries gebeten haben, das einstige Dekret im väterlichen Nachlass zu finden und damit den durchlauchtigsten Kurfürsten beziehungsweise dessen zuständige Behörde untertänigst daran zu erinnern, diese 100 Taler ab nun direkt an ihn zu senden.

Aber dieses verfluchte Originaldokument war nicht aufzufinden, es schien, als ob Ludwig von nun an nur mehr sein eigenes Gehalt, seine eigenen 100 Reichstaler, aber nicht mehr die zusätzliche – einstweilen noch überlebensnotwendige – kurfürstliche Zuwendung beziehen könnte. Nun war guter Rat teuer, wenngleich kaum mehr zu bezahlen.

Was also tun? Mit offenen Karten spielen, dachte sich Beethoven und sandte Maximilian Franz eine Bittschrift, die nicht ohne Wirkung blieb:

„Hochwürdigst-Durchlauchtigster Kurfürst! Gnädigster Herr!

Vor einigen Jahren geruhten Ew. Kurfürstliche Durchlaucht, meinen Vater den Hoftenoristen van Beethoven in Ruhe zu setzen, und mir von seinem Gehalte 100 Rtlr. durch ein ggstes Dekret in der Absicht zuzulegen, daß ich dafür meine beide jüngere Brüder kleiden, nähren und unterrichten laßen, auch unsere vom Vater rührende Schulden tilgen sollte. Ich wollte dieses Dekret eben bei Höchstdero Landrhentmeisterei präsentiren als mich mein Vater innigst bathe, es doch zu unterlaßen, um nicht öffentlich dafür angesehen zu werden, als seye er unfähig seiner Familie selbst vorzustehen, er wollte mir, fügte er hinzu, quartaliter die 25 Rtlr. selbst zustellen, welches auch bisher immer richtig erfolgte.

Da ich aber nach seinem Ableben […] Gebrauch von Höchstdero Gnade, durch präsentirung obbenannten ggsstn Dekrets machen wollte, wurde ich mit Schröcken gewahr, daß mein Vater selbes unterschlagen habe.

In schuldigster Ehrfurcht bitte ich deshalb Eure Kfftle Dchlcht um gnädigste Erneuerung dieses Dekrets, und Höchstdero Landrhentmeisterei anzuzeigen, mir letzhin verflossenes Quartal von dieser ggn Zulage, so Anfangs Februar fällig waren, zukommen zu lassen.

Euer Kurfürstlichen Durchlaucht

Unterthänigster Treugehorsamster

Lud: v: Beethowen; Hoforganist.“

Das Schreiben hatte Erfolg, Beethoven bekam wieder seine vierteljährlichen 50 Taler – wenn auch nur für 15 Monate, denn im März 1794 besetzten französische Revolutionstruppen Bonn. Maximilian Franz floh nach Wien, damit endeten alle Verpflichtungen, die er als Erzbischof und Kurfürst übernommen hatte.

Beethoven

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