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VON VIRTUOSEN, LEHRERN UND STUDENTEN

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Einerseits war Beethoven damit endgültig zu einem Beute-Wiener geworden, andererseits … Nein, er verhungerte nicht. Trotz seines, um es vorsichtig zu formulieren, unglücklichen Umgangs mit Geld vermochte Beethoven schon nach eineinhalb Jahren ohne das kurfürstliche Gehalt in Wien zu leben. Die Kehrseite dieser neu gewonnenen Bonn-Unabhängigkeit war jedoch eine stärkere Abhängigkeit von seinen Wiener Förderern – und von seiner Tätigkeit als Lehrer.

Seine berühmtesten Schüler – Ferdinand Ries, Carl Czerny und Erzherzog Rudolph von Österreich – unterrichtete Beethoven zwar erst nach 1800, doch schon in den Jahren vor der Jahrhundertwende war er der Klavierlehrer mehrerer junger Aristokratinnen, eine Tätigkeit, die ihm ein zusätzliches Einkommen bescherte.

Der Lehrer Beethoven war:

„[…] ich möchte sagen, gegen seine Natur, auffallend geduldig. Ich wußte dieses, sowie sein nur selten unterbrochenes freundschaftliches Benehmen gegen mich größtentheils seiner Anhänglichkeit und Liebe für meinen Vater zuzuschreiben. So ließ er mich manchmal eine Sache zehnmal, ja noch öfter, wiederholen. In den Variationen in F-dur, der Fürstin Odescalchi gewidmet (Opus 34), habe ich die letzten Adagio-Variationen siebenzehnmal fast ganz wiederholen müssen; er war mit dem Ausdrucke in der kleinen Cadenze immer noch nicht zufrieden, obschon ich glaubte, sie eben so gut zu spielen, wie er. Ich erhielt an diesem Tage beinahe zwei volle Stunden Unterricht. Wenn ich in einer Passage etwas verfehlte, oder Noten und Sprünge, die er öfter recht herausgehoben haben wollte, falsch anschlug, sagte er selten etwas; allein, wenn ich am Ausdrucke, an Crescendo’s u.s.w. oder am Character des Stückes etwas mangeln ließ, wurde er aufgebracht, weil, wie er sagte, das Erstere Zufall, das Andere Mangel an Kenntnis, an Gefühl, oder an Achtsamkeit sei. Ersteres geschah auch ihm gar häufig, sogar wenn er öffentlich spielte.“

Ferdinand Ries, der Sohn seines ehemaligen Geigenlehrers aus Bonner Tagen, war aber nicht der Einzige, der Beethovens Unerbittlichkeit als Lehrer kennenlernte. Carl Czerny, Klavier-Wunderkind und schon als Zehnjähriger Beethoven-Schüler, beschrieb Jahrzehnte später in der Wiener Musikzeitung, wie unzufrieden Beethoven sein konnte, wenn er, Czerny, Beethovens Werke noch virtuoser gestalten wollte:

„Im Ganzen war er mit meinem Vortrage seiner Werke zufrieden … doch rügte er jedes Versehen mit all dem wohlthätigen Freimuth, der mir unvergeßlich bleiben wird. Als ich z. B. einst (im Jahre 1812) in Schuppanzigh’s Musik das Quintett mit Blasinstrumenten vortrug, erlaubte ich mir in jugendlichem Leichtsinn manche Aenderungen an Erschwerungen der Passagen, Benutzung der höheren Oktaven u. s. w. – Beethoven warf es mir mit Recht in Gegenwart des Schuppanzigh, Linke und anderer begleitenden mit Strenge vor. Den anderen Tag erhielt ich von ihm folgenden Brief, den ich hier genau nach dem vorliegenden Original abschreibe:

‚Lieber Czerny!

Heute kann ich Sie nicht sehen, morgen werde ich selbst zu Ihnen kommen um mit Ihnen zu sprechen. Ich platzte gestern so heraus, es war mir sehr leid, als es geschehen war, allein das müssen Sie einem Autor verzeihen, der sein Werk lieber gehört hätte, gerade, wie er es geschrieben, so schön Sie auch übrigens spielten. – Ich werde das schon bei der Violoncell-Sonate laut wieder gut machen. Seien Sie überzeugt, daß ich als Künstler das größte Wohlwollen für Sie hege, und mich bemühen werde immer zu bezeugen – Ihr

wahrer Freund

Beethoven.‘“

Unnötig zu erwähnen, dass Beethovens Kritik offenbar als vollkommen berechtigt empfunden wurde, denn Czerny zog daraus die Lehre: „Dieser Brief hat mich mehr als alles andere von der Sucht geheilt, beim Vortrag seiner Werke mir irgend eine Aenderung zu erlauben, und ich wünsche, daß er auf alle Pianisten von gleichem Einfluß wäre.“


Ferdinand Ries (1784–1838), Schüler und „guter Geist“

Und Beethoven selbst?

Als Virtuose doppelt gefragt, galten sowohl seine Interpretationen von Werken anderer Komponisten wie seine freien Fantasien als Sensationen, mit denen er sich rasch einen Namen machte – und etliche Feinde. Das Muster einer pianistischen Begegnung mit Beethoven war immer dasselbe: zuerst von oben herabsehen, dann von unten hinauffluchen. So etwa bei Abbé Gelinek, dem gefeierten Komponisten zahlreicher Variationswerke und berühmten Tastentiger der damaligen Wiener High Society. Carl Czernys Vater, selbst ein bekannter Virtuose, begegnete Gelinek eines Tages, als dieser herausgeputzt und selbstgefällig offensichtlich zu einem Bühnen-Event eilte. „Wohin?“, fragte er. „Ich soll“, antwortete Gelinek, „mit einem jungen Klavierspieler, der erst angekommen ist, mich messen; den will ich verarbeiten.“ Nach einigen Tagen sieht er ihn wieder. „Nun, wie war’s?“ „Ach, das ist kein Mensch, das ist ein Teufel; der spielt mich und uns alle todt. Und wie er phantasirt!“ Dieses „Tasten-Duell“ sollte aber nicht das einzige bleiben … und auch nicht das einzige, das dem gegnerischen Duellanten die Zornesröte ins Gesicht trieb.

Auch Daniel Steibelt, ein zu seiner Zeit ähnlich berühmter und gefeierter Pianist und Komponist wie Abbé Gelinek, dessen Attribut „unvergesslich“ schon kurz nach seinem Tod in Vergessenheit geraten sollte, machte auf einer groß geplanten Konzerttournee den Fehler, sich in Wien mit Beethoven zu messen. Wobei:

„Als Steibelt mit seinem großen Namen von Paris nach Wien kam, waren mehrere Freunde Beethoven’s bange, dieser möchte ihm an seinem Rufe schaden. Steibelt besuchte ihn nicht; sie fanden sich zuerst eines Abends beim Grafen Fries, wo Beethoven […] vortrug. […] Steibelt hört es mit einer Art Herablassung an, machte Beethoven einige Complimente und glaubte sich seines Sieges gewiß. – Er spielte ein Quintett von eig’ner Composition, phantasirte und machte mit seinen Tremulando’s, welches damals etwas ganz Neues war, sehr viel Effect. Beethoven war nicht mehr zum Spielen zu bringen. Acht Tage später war wieder Concert beim Grafen Fries. Steibelt spielte abermals ein Quintett mit vielem Erfolge, hatte überdies (was man fühlen konnte) sich eine brillante Phantasie einstudirt und sich das nämliche Thema gewählt, worüber die Variationen in Beethovens Trio geschrieben sind: dieses empörte die Verehrer Beethoven’s und ihn selbst; er mußte nun ans Clavier, um zu phantasiren; er ging auf seine gewöhnliche, ich möchte sagen, ungezogene, Art ans Instrument, wie halb hingestoßen, nahm im Vorbeigehen die Violoncellstimme von Steibelt’s Quintett mit, legte sie (absichtlich?) verkehrt auf’s Pult und trommelte sich mit einem Finger von den ersten Tacten ein Thema heraus. – Allein nun einmal beleidigt und gereizt, phantasirte er so, daß Steibelt den Saal verließ, ehe Beethoven aufgehört hatte, nie mehr mit ihm zusammenkommen wollte, ja es sogar zur Bedingung machte, daß Beethoven nicht eingeladen werde, wenn man ihn haben wolle.“


Franz Gerhard Wegeler (1765–1848), Jugendfreund und Wegbereiter

Der schon mehrfach erwähnte „Schüler und Freund“ – und zeitweise so eine Art Sekretär Beethovens – Ferdinand Ries hatte sich in seinen (mit Wegeler verfassten) Biographischen Notizen über Ludwig van Beethoven zwar in dem einen oder anderen historischen Detail geirrt, aber die heftigen Emotionen dieses Ereignisses des Jahres 1800 wird er sicher präzise beschrieben haben.

Wenn Beethoven musizierte, stoben nur so die Seelenfunken – bei den meisten entzündeten sie himmlische Feuer, in Konkurrenten eine Höllenglut. Aus dieser Fähigkeit ergab sich zu Beginn seiner Wiener Zeit die aus heutiger Sicht überraschende Situation, dass der Pianist den Komponisten überdeckte, ihm den Rang ablief, wenngleich die Grenzen – selbst für das damalige, gebildete, Publikum – verschwammen. Denn zuerst interpretierte der Pianist Beethoven ein fremdes Werk, dann begann er über ein (eigenes oder fremdes) Thema zu fantasieren, um mit einem eigenen Werk zu schließen … oder umgekehrt. Aber je mehr Beethoven an Ruhm und Selbstsicherheit gewann, umso mehr entmischten sich seine Auftritte in Richtung reiner Beethoven-Konzerte – der Pianist Beethoven spielte Werke des Komponisten Beethoven, der Komponist Beethoven wiederum schrieb immer öfter maßgeschneiderte Werke für den Pianisten Beethoven.

Im Frühling 1795 war es dann so weit: Beethoven spielte nur Beethoven. Laut aufliegendem Zettel „ein neues Konzert auf dem Pianoforte gespielt von dem Meister Herrn Ludwig van Beethoven, und von seiner Erfindung“. Mit diesem „neuen Konzert“, einer der früheren Fassungen seines 2. Klavierkonzertes, „hat […] der berühmte Herr Ludwig van Beethoven […] den ungetheilten Beifall des Publikums geärndtet“, wie in der Wiener Zeitung vom 1. April 1795 zu lesen war.

Einige Monate später ging er auf Konzert-Reise, von der er seinem Bruder schrieb:

An Johann van BeethovenPrag, 19. Febr. [1796]

Lieber Bruder! Um daß Du doch wenigstens nur weißt, wo ich bin und was ich mache, muß ich Dir doch schreiben. Fürs erste geht mir’s gut, recht gut. Meine Kunst erwirbt mir Freunde und Achtung, was will ich mehr. Auch Geld werde ich diesmal ziemlich bekommen. Ich werde noch einige Wochen verweilen hier, und dann nach Dresden, Leipzig und Berlin reisen. Da werden wohl wenigstens sechs Wochen dran gehen, bis ich zurückkomme. […]“

Beethoven

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