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Im ersten Jahrzehnt nach dem letzten Weltkrieg überwindet die Bundesrepublik rasch die anfänglich hohe Arbeitslosigkeit und erreicht Ende der 1950er Jahre bereits Vollbeschäftigung. Neben der rasant wachsenden Wirtschaft tragen der Eintritt geburtenschwacher Jahrgänge in den Arbeitsmarkt, die Verlängerung der Ausbildungszeiten, die Verkürzung der Wochenarbeitszeiten, der Anstieg des durchschnittlichen Renteneintrittsalters und der Aufbau der Bundeswehr zu den Engpässen am Arbeitsmarkt bei. Schließlich stoppt der Bau der Berliner Mauer im Jahre 1961 den Zustrom von Arbeitskräften.

Die Arbeitskräfteknappheit stellt angesichts weiter steigender Nachfrage das größte Hemmnis für eine Ausweitung der Produktion bei stabilen Preisen dar. Aus der Sicht der Arbeitgeber und der Bundesregierung liegt es daher nahe, diesen Bedarf durch ausländische Arbeitnehmer zu füllen, um die Unternehmensgewinne zu erhalten.

Ergo verfolgt die deutsche Bundesregierung Anfang der 60er Jahre die Politik, südeuropäische Arbeiter temporär in die Bundesrepublik zu holen, um die heiß laufende Arbeitsnachfrage in der Bundesrepublik zu kühlen.

Der Nachfrage aus der Bundesrepublik steht ein entsprechendes Angebot südeuropäischer Staaten gegenüber. So geht die Initiative für die Anwerbeabkommen stets von den Anwerbestaaten selbst aus, welche sich dadurch Vorteile versprechen.

Von der Arbeitnehmerentsendung erhofft man sich vielerorts eine Entlastung des eigenen Arbeitsmarktes, eine Kanalisation ohnehin vorhandener Arbeitsmigration, einen Import von Know-how und dringend benötigte Devisen.

Auf deutscher Seite wird die Gastarbeiterpolitik als eine Art Entwicklungshilfe und Beitrag zur europäischen Integration begriffen.

Ein erstes Anwerbeabkommen, welches den Arbeitskräftemangel in der Landwirtschaft lindern soll, wird am 22. Dezember 1955 mit Italien geschlossen. Anfang der 60er Jahre folgen schnell weitere Vereinbarungen mit Spanien und Griechenland (1960), der Türkei (1961), Marokko (1963), Portugal (1964), Tunesien (1965) und Jugoslawien (1968). Als Konsequenz dieser Abkommen kommt es zur ersten großen Einwanderungswelle in die noch junge Bundesrepublik.

Die Zuwanderung südeuropäischer Gastarbeiter kommt Anfang der 60er Jahre zunehmend ins Rollen.

Die Zahl der Ausländer in der Bundesrepublik erhöht sich zwischen 1961 und 1967 von 686.000 auf 1,8 Millionen.

Letztendlich stellen die Jugoslawen und schließlich die Türken die größten Kontingente.

Viele der Gastarbeiter, die in den 1960er Jahren in Deutschland kommen, stehen schon am nächsten Tag auf der Baustelle oder am Fließband (17).

Köln spielt bei der Anwerbung von "Gastarbeitern" eine entscheidende Rolle. Neben München ist die Stadt am Rhein der Ort, von wo aus die ankommenden ausländischen Arbeitskräfte mittels sogenannter Sammeltransporte in die ganze Bundesrepublik verteilt werden.

Während die italienischen, griechischen, türkischen und jugoslawischen Arbeiter am Münchener Hauptbahnhof ankommen und durch die dortige Weiterleitungsstelle betreut werden, nimmt man die spanischen und portugiesischen "Gastarbeiter" am Bahnhof Köln-Deutz in Empfang (18).

In der Domstadt selbst herrscht bedingt durch die hohen Verluste im zweiten Weltkrieg und durch die boomende Wirtschaft in den 50er und frühen 60er Jahren zu dieser Zeit ein großer Bedarf, gleichzeitig aber auch ein Mangel an Arbeitskräften. So rekrutiert man die dringend benötigten Mitarbeiter nicht nur aus der Umgebung Kölns, aus entlegenen Regionen wie der Eifel und dem hohen Westerwald, sondern auch aus dem vornehmlich südeuropäischen Ausland (19).

Hauptbahnhof Köln. Borna Krupcic ist nach der langen und anstrengenden Fahrt endlich in der Metropole am Rhein angekommen. Er steigt aus dem völlig überfüllten aus München kommenden Zug aus und schaut sich auf dem Bahnsteig um. Er hat den Freund des Vaters lange nicht gesehen, dieser erkennt ihn jedoch, der umher eilenden Menschenmenge zum Trotz, direkt.

„Borna!“

„Herr Krastic....erst einmal: Danke!“

„Ab heute Filip. Und danken brauchst Du mir nicht, es ist doch selbstverständlich, dass ich Dir helfe.“

„Sehr gern, Filip. Ich möchte Dir trotzdem danken.“

„Du wohnst erst einmal bei mir, bis ein Zimmer für Dich im Betriebswohnheim eingerichtet ist. Schon morgen kannst Du in der Firma anfangen.“

Filip Krastic hat seine Frau und seinen achtjährigen Sohn nachgeholt, die Familie bewohnt eine kleine Zweizimmerwohnung.

Auch wenn die beiden Männer am nächsten Morgen zeitig aufstehen müssen, wird es ein langer Abend in Köln-Merkenich. Schließlich gibt es einiges aus der Heimat zu erzählen, zudem will Borna vieles rund um seine neue Arbeit und das Leben in Deutschland erfahren.

Um 05:00 schellt unbarmherzig der Wecker. Ein kurzes Frühstück und die beiden Männer machen sich auf zur Arbeit.

Mit einem Kapital von nur 28.000 US-Dollar gründet Henry Ford am 16. Juni 1903 in Detroit die Ford Motor Company. Erster Unternehmenssitz in Deutschland ist Berlin. Am 28. Oktober 1929 unterzeichnet der Kölner Oberbürgermeister Konrad Adenauer den Vertrag über den Bau des Ford-Werkes auf einem 170.000 Quadratmeter großen Gelände in Köln-Niehl, das ursprünglich für eine Jahresproduktion von bis zu 250.000 Fahrzeugen ausgelegt sein soll und dessen Errichtung 12 Millionen Reichsmark kostet. Der Unternehmenssitz wird 1930 von Berlin nach Köln verlegt, wo Henry Ford am 2.Oktober 1930 eigens für die Grundsteinlegung anreist.

Im Jahre 1955 wird Ford eine Aktiengesellschaft.

Ein akuter Arbeitskräftemangel veranlasst die Firma zu Beginn der 1960er Jahre zur Anwerbung von Gastarbeitern.

So ist Köln die erste Stadt Deutschlands, in der ausländische Arbeiter den wirtschaftlichen Aufschwung unterstützen.

Denn als erstes Unternehmen in Deutschland stellt Ford im Rahmen von Anwerbeabkommen bereits im Herbst 1961 Gastarbeiter ein. Während die ersten türkischen Mitarbeiter noch in Übergangswohnheimen wohnten, stellen die Ford-Werke ab 1962 ihren ausländischen Arbeitern neu errichtete und gut eingerichtete Wohnheime zur Verfügung.

Ford beschäftigt in den 60er Jahren neben 14 000 deutschen Lohnempfängern 7000 Ausländer. Ein Bettplatz in den Wohnheimen kostet zehn Mark Wochenmiete, das Mittagessen in der Kantine 60 Pfennig (20).

Borna Krupcic bezieht bereits zehn Tage nach seiner Ankunft ein Zimmer im Ford-Wohnheim. Er lebt sich schnell in Köln ein, verbringt viel Zeit bei den Krastics und findet auch schnell Kontakt zu anderen Gastarbeitern.

Zweimal in der Woche telefoniert Borna mit seiner Familie, was in den 60er Jahren bisweilen noch ein schwieriges Unterfangen ist.

„Zdravo tata. Hallo Papa.“

„Borna, mein Junge! Wie geht es Dir?“

„Ihr fehlt mir natürlich sehr, aber ansonsten geht es mir gut. Ich habe bereits ein eigenes Zimmer und die Arbeit klappt auch immer besser.“.

„Ich wusste, dass Du das schaffst, moj sin.“

„Wie steht es denn um Euch?“

„Die Kleinen vermissen Dich natürlich. Deine Frau auch. Sie bringt die beiden gerade ins Bett. Soll ich Ana an den Hörer holen?“

„Nein, lass' Sie sich in Ruhe um die Kinder kümmern.“

„Willst Du majka noch kurz sprechen.“

„Ja, gern.“

„Mein Sohn, wie schön, von Dir zu hören!“

„Mutter! Ich umarme Dich!“

„Wir sind unheimlich stolz auf Dich, dass Dir der Start so gut gelungen ist.“

„Es wurde mir hier auch sehr leicht gemacht. Hier arbeiten einige Landsleute, wir unterstützen uns alle gegenseitig.“

„So soll es sein, mein Junge. Lass' uns jetzt aufhören, das wird zu teuer für Dich.“

„Ich melde mich in zwei oder drei Tagen wieder bei Euch, Kuss für Ana und die Decki.“

Vendetta Colonia

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