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Die Durchsuchung von Professor Jackmans Haus fand am nächsten Tag dann doch nicht »gleich als erstes« statt. Das erste, zumindest an Peter Diamonds Tag, war um halb sieben das Klingeln des Telefons neben seinem Bett. Immerhin eine Nachricht vom Assistant Chief Constable, die ihm der diensthabende Inspector im Präsidium übermittelte. Diamond sollte um halb neun im Präsidium erscheinen. Er wäre jede Wette eingegangen, daß es nicht darum ging, sich eine Belobigung abzuholen. Ihm stand, das spürte er, Ärger bevor.

Er ließ sich aufs Kopfkissen zurückfallen und stöhnte. Was auch immer der Grund für diese überraschende Vorladung war, sie hätte an keinem ungünstigeren Morgen kommen können. Was für Komplikationen! Irgendwie mußte er alle Vorbereitungen vom Vorabend ummodeln. Um halb neun sollten ganze Wagenladungen von Detectives, Polizisten in Uniform und Beamten der Spurensicherung vor Jackmans Haus zusammenkommen – genau die Uhrzeit seines Termins in Bristol.

Er setzte sich wieder auf, nahm das Telefon vom Nachttisch und stellte es zwischen seinen Beinen auf das Federbett. Seine Frau Stephanie, die es gewohnt war, daß ihr Schlafzimmer gelegentlich zur Einsatzzentrale umfunktioniert wurde, zog sich wortlos einen Morgenmantel über und ging nach unten, um Wasser aufzusetzen. Diamond hob den Hörer ab und tätigte den ersten von etlichen Anrufen, um die Durchsuchung auf elf Uhr zu verlegen. Er wollte auf keinen Fall, daß irgend jemand ohne ihn ins Haus ging. Theoretisch hätte John Wigfull die Aufgabe übernehmen können, aber Diamond ließ diese Theorie lieber außer acht. Allerdings beauftragte er Wigfull, Professor Jackman im Hotel aufzusuchen, um ihn von der Verzögerung in Kenntnis zu setzen.

Während der Fahrt nach Bristol dachte er darüber nach, was ihn wohl im Präsidium erwartete. Verdrossen kam er zu dem Schluß, daß Jackman wohl am Vorabend von seinem Hotelzimmer aus herumtelefoniert haben mußte. Wenn Unheil drohte, gingen so vornehme Leute wie Jackman nicht auf Tauchstation wie irgendein hergelaufener Gauner. Sie wehrten sich, indem sie das gute alte Vitamin B einsetzten.

An diesem Morgen saß Mr. Tott, der Assistant Chief Constable, hinter seinem Schreibtisch und trug ein weißes Hemd und rosafarbene Hosenträger, was derart verblüffend aussah, daß jeder rangniedrigere Beamte auf der Türschwelle verharrte. Doch er begrüßte Diamond jovial, sprach ihn mit Vornamen an und bedeutete ihm, auf dem Ledersofa unter dem Fenster Platz zu nehmen. Dann, als wollte er jede Befürchtung zerstreuen, daß eine Rüge zu erwarten war, stand der Assistant Chief Constable auf, ging zur Tür und bat darum, ihnen Kaffee und Kekse hereinzubringen. Anschließend ließ er sich mit verschränkten Armen auf der Lehne am anderen Ende des Sofas nieder, wobei er mit seinem gescheitelten, platt am Kopf anliegenden Haar und dem Schnurrbart, der einem Gardeoffizier alle Ehre gemacht hätte, aussah, als posiere er für eine spätviktorianische Fotografie. All diese bemühte Zwanglosigkeit hatte eine entmutigende Wirkung auf Diamond. Als er das letze Mal mit soviel übertriebener Rücksicht behandelt worden war, hatte das einen traurigen Anlaß. Damals mußte ihm nämlich ein Arzt die Nachricht beibringen, daß seine Frau eine Fehlgeburt gehabt hatte.

»Tut mir leid, daß ich Ihre Planung durcheinandergebracht habe«, sagte Mr. Tott und schaffte es, dabei völlig aufrichtig zu klingen. »Übrigens, wie laufen denn die Ermittlungen?«

Das »übrigens« war ein weiterer Schock, besagte es doch, daß es hier gar nicht um den Jackman-Fall gehen würde. Diamond versuchte, sich innerlich darauf einzustellen, während er die nächsten Antworten gab. »Wir haben die Frau letzte Nacht identifiziert, Sir, wie Sie vielleicht schon wissen.«

»Eine Fernsehschauspielerin – richtig?«

»Ja, Sir. Sie war mit einem Englischprofessor an der Uni in Bath verheiratet.«

Mr. Tott grinste liebenswürdig. »Das hab ich gehört. Sie sollten Ihren Shakespeare mal wieder etwas auffrischen, Peter.« Er hielt inne, ließ die Arme sinken und sagte: »Und ich sollte zur Sache kommen. Da drüben auf dem Schreibtisch liegt ein Vorabexemplar des Prüfungsberichtes vom Missendale-Ausschuß.«

Diamond hatte die Zeichen richtig gedeutet. »Ich verstehe.« Mehr als diese nichtssagende Antwort brachte er nicht heraus, nachdem er seine Sorgen so lange hatte unterdrücken müssen. Über acht Monate waren vergangen, seit er vor dem Untersuchungsausschuß erschienen war – und über zwei Jahre, seit man Hedley Missendale aus dem Gefängnis entlassen und für eine Begnadigung vorgeschlagen hatte. Ein falsches Geständnis, eine ungerechtfertigte Gefängnisstrafe. Teile der Presse hatten die Sache zu einer Haßkampagne gegen »gesetzlose Polizisten« hochgepuscht und von Rassismus und Brutalität im Dienst gesprochen.

»Ich dachte, Sie sollten so rasch wie möglich einen Blick hineinwerfen«, sagte Tott. »Sie werden erleichtert sein, daß sich keine einzige von den wüsten Beschuldigungen als begründet erwiesen hat.«

Diamond sah zum Schreibtisch hinüber. »Darf ich ...?«

»Nur zu. Deshalb sind Sie ja hier.«

Benommen stand er auf, durchquerte den Raum und nahm den Bericht in die Hand.

»Die wichtigsten Feststellungen finden Sie natürlich ziemlich am Ende«, sagte Mr. Tott. »Die Passagen, die für Sie von persönlichem Interesse sind, stehen auf Seite 87 folgende. Lassen Sie sich Zeit.«

Diamond blätterte und fand die Zusammenfassung. Sein Name sprang ihm förmlich entgegen. Er überflog die Seite hastig und las die wesentlichen Sätze. »Wir konnten bei Detective Chief Inspector Diamond keine rassistische Voreingenommenheit feststellen ... Der Beamte hat sich während der eingehenden Befragung auf beeindruckende Weise präsentiert ... Was Missendales Aussage betrifft, so widersprach sie in keinster Weise der sonstigen Beweislage ... Chief Inspector Diamond mußte daher, ebenso wie das Gericht, davon ausgehen, daß Missendales Aussage den Tatsachen entsprach.«

Er blätterte die Seite um, und statt nach der monatelangen Pressehatz gegen ihn ein Gefühl der Entlastung zu empfinden, fühlte er sich seltsam ungerührt. Dann blieben seine Augen an einem Satz hängen. »Um Himmels willen!«

Mr. Tott war zu seinem Schreibtischsessel zurückgekehrt. »Was ist?«

»›Wir können jedoch nicht umhin festzustellen, daß die körperliche Erscheinung und das energische Auftreten von Chief Inspector Diamond auf Missendale einschüchternd gewirkt haben müssen‹«, las Diamond laut vor. »Das ist unmöglich. So bin ich nun mal gebaut. Dafür kann ich nichts.«

»Ja, es ist nicht fair«, stimmte Mr. Tott ihm beiläufig zu.

Doch Diamond war nicht bereit, es dabei bewenden zu lassen. »Sir, wir haben dieses Geständnis ohne jede Einschüchterung erreicht. Im Prozeß hat der Richter bestätigt, daß der Angeklagte nicht unter Druck gesetzt worden ist.«

»Natürlich, aber der Ausschuß mußte ja alles noch mal überprüfen.«

Diamonds Augen wanderten bereits weiter. »Das darf nicht wahr sein! ›Zu kritisieren bleibt, daß man Haarproben von dem Wollhut, der dem Angreifer beim Kampf vom Kopf gerissen wurde, nicht mit Haarproben von Mr. Missendale verglichen hat.‹«

»Wo liegt das Problem?« fragte Mr. Tott.

»Wir haben den Hut ins Labor geschickt.«

»Aber dabei haben Sie’s bewenden lassen, wenn ich das richtig verstehe. Sie haben keine Haarproben von Missendale genommen.«

»Sir, der Mann hat gestanden.«

»Trotzdem wäre es vernünftig gewesen, das zu tun.«

Diamond starrte ihn verwundert an. »Zu welchem Zweck, bitte sehr?«

»Zum Vergleich.«

»Das war 1985, Sir. Da gab es noch keine genetischen Fingerabdrücke. Die vom Labor hätten uns nicht mal sagen können, ob die Haare aus dem Hut nun von Missendale oder von Sammy Davis jr. stammten. Dieser Bericht impliziert, daß Missendales Unschuld hätte bewiesen werden können, wenn man Haarproben verglichen hätte, und das stimmt einfach nicht.«

»So weit geht der Bericht nicht.«

»›Zu kritisieren bleibt ...‹? Das heißt doch wohl, daß jemand einen Fehler gemacht hat.«

Mr. Tott sagte mit Bestimmtheit: »Es geht darum, daß das routinemäßig hätte geschehen müssen. Niemand wirft Ihnen vor, Sie hätten Beweismittel unterschlagen.«

»Man beschuldigt Jacob Blaize und mich, ihn reingelegt zu haben.«

»Ach, jetzt seien Sie doch nicht so melodramatisch, Herrgott noch mal! Wenn dem so wäre, hätten Sie schon keine Arbeit mehr. Ihre Integrität steht außer Zweifel.«

Diamond wußte, daß er jetzt besser den Mund hielt. Aber er fühlte sich ungerecht behandelt. »Ich habe dem Untersuchungsausschuß erklärt, was vermutlich passiert ist, und die scheinen das völlig außer acht gelassen zu haben. Missendale ist tatsächlich reingelegt worden, aber nicht von mir. Er war ein kleiner, vorbestrafter Einbrecher, und noch nicht mal ein guter. Er hatte einen niedrigen Intelligenzquotienten. Es muß wichtigere Leute im Hintergrund gegeben haben, die zu schlau waren, sich schnappen zu lassen. Im nachhinein ist mir klar, daß Missendale ihr Sündenbock war. Die wollten, daß dieser andere Kerl, derjenige, der tatsächlich den Sergeant-Major erschossen hat, weiter für sie arbeiten konnte, und deshalb haben sie Missendale bedeutet, daß sie ihn umlegen würden, wenn er kein falsches Geständnis ablegt.«

Mr. Tott nickte. »So wird es wohl gewesen sein. Heutzutage steckt das organisierte Verbrechen ja hinter den meisten Fällen. Aber die Beschäftigung mit derlei Theorien war nicht Aufgabe des Ausschusses. Er hat lediglich die speziellen Umstände untersucht, unter denen es zu diesem Justizirrtum gekommen ist.«

Diamond hörte sich selbst sagen: »Ich bin alles andere als zufrieden.«

»Es wäre erstaunlich, wenn bei einem über hundert Seiten langen Bericht alle Beteiligten mit allem, was drin steht, zufrieden wären. Seien Sie froh, daß die vermaledeite Geschichte damit abgeschlossen ist. Die Medien werden sich nicht für die Punkte interessieren, über die Sie sich so aufregen.«

»Aber ich finde nicht, daß mein Ruf damit wiederhergestellt ist.«

»Ich glaube, ich höre Tassen klappern«, sagte Mr. Tott.

Diamond wartete, während der Kaffee höchst vornehm aus einer Chrom-Glas-Kanne eingeschenkt wurde. Als sie wieder allein waren, sagte er: »Darf ich fragen, welche Auswirkungen das auf meine Laufbahn haben wird, Sir?«

»Gar keine«, erwiderte Mr. Tott so entschieden, daß seine Stimme regelrecht metallisch klang. »Was vor vier Jahren in London passiert ist, gehört der Vergangenheit an.«

»Seitdem hat man mich mit ziemlich viel Dreck beworfen.«

»Ja, und nichts davon ist klebengeblieben.«

»Aber Sie werden doch nicht abstreiten, daß Sie mir die Flügel gestutzt haben?«

Mr. Tott rührte in seinem Kaffee und sagte nichts. Es lag glasklar auf der Hand, daß Diamond auf die Ablösung von Billy Murray durch John Wigfull anspielte, den Mann aus dem Präsidium.

»Ich beschwere mich ja nicht darüber. Aus Ihrer Sicht war es eine vernünftige Vorsichtsmaßnahme nach dieser Missendale-Geschichte«, räumte Diamond ein. »Aber ich hatte mit Recht darauf gehofft, daß der Bericht mich reinwaschen würde, und ich finde nicht, daß er das tut, jedenfalls nicht ganz.«

»Wenn er zur Folge hat, daß Sie nur ein kleines bißchen genauer auf die Einhaltung von Vorschriften achten, dann war er nicht ganz umsonst, Peter. Sie müssen zugeben, daß Sie manchmal etwas eigensinnig auf die neue Technologie reagieren. Die wissenschaftlichen Entwicklungen der letzten Jahre sind kaum zu begreifen, das will ich nicht leugnen, aber wir alle sollten uns Mühe geben, mit ihnen zu arbeiten.«

»Bis zu einem gewissen Punkt, Sir. Die angeborene Intelligenz kann noch immer eine Menge leisten. Es ist gefährlich, sich nur noch auf die moderne Technologie zu verlassen.«

»Nun hören Sie schon auf. So etwas würde ich nie befürworten. Ich spreche von Ausgewogenheit, Verhältnismäßigkeit.«

Diamond klappte den Bericht zu und legte ihn auf Mr. Totts Schreibtisch. »Also, was passiert, wenn sich das nächste Mal ein kleiner Gauner über meine Verhörmethoden beschwert?«

»Ich würde bei jeder Beschwerde den jeweiligen Sachverhalt prüfen«, erwiderte Mr. Tott, und sein Tonfall deutete an, daß Geduld ihre Grenzen hat. »Und ich würde mir jede Unterstellung von Voreingenommenheit meinerseits verbitten. Ich denke, daß Ihnen von dieser Affäre kein Makel zurückgeblieben ist, und ich hoffe, daß Sie keinen Verfolgungswahn zurückbehalten. Möchten Sie mir sonst noch etwas sagen?«

»Im Hinblick worauf, Sir?«

»Auf Ihre derzeitige Ermittlung.«

»Nein, Sir. Sonst nichts.« Vor lauter Anspannung hatte er ohnehin schon mehr gesagt, als klug war.

»Ich weiß das zu schätzen«, erwiderte Tott. »Wigfulls Versetzung in Ihre Einheit habe ich veranlaßt. Er ist kein – lassen Sie mich das betonen – er ist kein Spitzel. Ich halte mich über alle meine Beamten auf dem laufenden, und zwar ohne die Hilfe von Leuten wie John Wigfull. Ist das klar?«

»Klar, Sir.«

»Und akzeptiert?«

»Ja, Sir.«

»Dann werde ich Ihnen jetzt was über Wigfull erzählen.« Mr. Tott blickte auf seine Kaffeetasse und fuhr mit dem Finger langsam über den Rand. »Da ich wußte, daß der Bericht zu erwarten war, aber nicht wußte, wie er ausfallen würde, mußte ich die Möglichkeit in Betracht ziehen – das denkbar schlechteste Szenario –, daß Sie kurzfristig aus der Mordkommission ausscheiden müßten. Ich wollte einen fähigen Mann, der die Führung übernehmen könnte, und ohne jetzt lang und breit über Personalfragen diskutieren zu wollen, es gab niemanden in Ihrer Truppe, der dafür in Frage kam. Meine Wahl fiel auf Wigfull. Natürlich ist ihm der Grund nicht mitgeteilt worden, aber als guter Detective ist er vielleicht selbst schon darauf gekommen. Mir ist klar, daß seine Persönlichkeit und die Ihre nicht besonders harmonieren. Auch Sie sind ein guter Detective. Außerdem sind Sie ein Mann von beeindruckenden Dimensionen, wie der Bericht ungerechterweise überbetont. Seien Sie jetzt einmal im übertragenen Sinne des Wortes ein großer Mann, so groß, daß Sie das Beste aus Wigfull rausholen.«

Kurz nach elf Uhr morgens rollte der Konvoi von PKWs und Polizeifahrzeugen in die Einfahrt von Jackmans Haus, das ein gutes Stück nach hinten versetzt an einer der ruhigen Straßen am Bathwick Hill lag. An der Spitze fuhr Diamonds BMW. Neben ihm saß Jackman. Als nächstes kam John Wigfull in seinem Toyota mit zwei Detective Sergeants und einem Constable. In den anderen Autos saßen ein Beamter von der Spurensicherung, der vom Präsidium hergeschickt worden war, zwei Kriminaltechniker und ein Trupp uniformierter Beamter zur Unterstützung.

Jackmans blauer Volvo wurde zur gleichen Zeit in der Manvers Street untersucht. Diamond hatte zu den Technikern gesagt, als er ihnen die Wagenschlüssel übergab: »Enttäuscht mich bloß nicht. Die glauben immer, sie hätten alle Spuren beseitigt.«

John Brydon House wirkte wie die angemessene Wohnstatt für einen Professor. Die Universität war von dort zwar nicht unbedingt zu Fuß zu erreichen, aber noch immer recht nah, wie der Immobilienmakler bestimmt betont hatte, als Jackman sich den Besitz das erste Mal angeschaut hatte. Es war ein efeubewachsenes, quadratisches Gebäude mit einem von Pfeilern getragenen Portal und einem Balkon im ersten Stock, vermutlich kaum älter als hundert Jahre und stand, geschützt von einer unverputzten Steinmauer, auf einem weitläufigen Areal. Die meisten Grundstücke am Stadtrand von Bath waren groß, und die Häuser wiesen eine individuelle Architektur auf. Da sie zu weit vom Stadtzentrum entfernt lagen, hatten die Stadtplaner nicht auf Einheitlichkeit gedrungen, und so standen recht moderne Bauten aus geschmacklos zusammengefügtem Stein Seite an Seite mit dezenten georgianischen und viktorianischen Villen.

Diamond bat Jackman, die Tür aufzuschließen. Dann ergriff er den Arm des Professors und hinderte ihn daran, einzutreten. »Nein, Sir, Sie und ich gehen jetzt noch nicht rein.«

Ungläubigkeit und Verwirrung spiegelten sich in Jackmans Miene, als zwei Männer in weißen Overalls vortraten, sich vor der Tür hinsetzten, ihre Schuhe auszogen und sich statt dessen Polyäthylen-Socken überstreiften.

»Wenn es Ihnen nichts ausmacht«, flüsterte Diamond in Jackmans Ohr, »lassen wir die Außerirdischen ihre Arbeit tun. Wie wär’s, wenn Sie mir Ihren Garten zeigen würden.«

»Das hier ist für alle Beteiligten die reinste Zeitverschwendung«, murmelte der geplagte Professor.

»Ich habe einen Schwager in Doncaster«, plauderte Diamond los, um die gespannte Atmosphäre aufzulockern, »und jedes Mal, wenn wir ihn besuchen, kann ich kaum einen Fuß ins Haus setzen, da reißt er mich auch schon von den Damen weg und sagt: ›Komm, ich zeig dir den Garten.‹ Ich bin nun wirklich kein Gärtner. Ich habe keine Ahnung, wie man Rosen schneidet, aber ich weiß doch immerhin soviel, daß Reggies Garten eine primitive Wildnis ist. Teilweise reichen einem die Nesseln bis zur Brust. Wir stapfen dann so rum und suchen nach dem Weg, während Reggie mir jämmerliche Pflänzchen zeigt, die voller Blattläuse und Winden sind, und mir ihre Namen nennt. Wenn das so eine Stunde gedauert hat, ruft meine Schwester, daß der Tee fertig ist, und wir kämpfen uns zurück zum Haus, um ein wohltuendes Täßchen zu trinken. Aber kaum habe ich ein Stück Kuchen im Mund, dreht Reggie sich um und sagt: ›Du hast ja den Vorgarten noch gar nicht gesehen. Los, komm mal mit vors Haus.‹ Ich soll ein Detective sein, und ich weiß einfach nicht, warum er das tut. Hat er Angst, allein in diese Wildnis zu gehen? Oder ist sein Haus vollgestopft mit Diebesgut, und er will nicht, daß ich es merke? Ich grüble jetzt noch darüber nach.«

Jackman schien nicht bereit, eine mögliche Erklärung zu liefern, aber er hatte sich zumindest darauf eingelassen, neben dem Superintendent herzugehen. Sie gaben ein ungleiches Paar ab, der breitschultrige Akademiker, der sich mit kräftigen Schritten bewegte, neben dem dicken Polizisten, der aufgrund seiner Leibesfülle schwerfällig und breitbeinig daherstapfte. Den Hintergrund für diesen Anblick bildete eine Rasenfläche, die immer wieder durch Büsche und gut gewachsene Bäume unterbrochen wurde. Am hinteren Ende standen so viele Apfelbäume, daß man mit Fug und Recht von einem Obstgarten sprechen konnte.

Unvermittelt wechselte Diamond von häuslichen Anekdoten zum eigentlichen Grund, der sie hergeführt hatte. »Ihre Frau. Ich muß alles über sie erfahren. Hintergrund, Familie, ehemalige und derzeitige Freunde – und Feinde, falls solche vorhanden sind –, ihr normaler Tagesablauf, finanzielle Verhältnisse, Gesundheitszustand, Trinkgewohnheiten, Hobbies, Orte, die sie gern aufgesucht, die Geschäfte, in denen sie eingekauft hat.«

»Wie waren nur zwei Jahre verheiratet«, sagte Jackman, offenbar als Einwand gegen die Länge und Detailgenauigkeit der Liste.

»Lange genug, um all diese Dinge zu wissen, oder?« drängte Diamond. »Fangen wir ganz von vorn an. Wie haben Sie beide sich kennengelernt?«

Dieser Ansatz war erfolgreich. Jackman gab einen Laut von sich, der fast an ein Lachen erinnerte, schüttelte wehmütig den Kopf, als die Erinnerung kam, und sagte: »Eine Taube war schuld, wenigstens hat das Gerry immer behauptet. Die Taube war vielleicht da, vielleicht aber auch nicht, aber sie wurde zum Teil unseres persönlichen Mythos. Gerry fuhr in ihrem Renault 5 über die Great Russell Street...«

»Wann war das?« unterbrach ihn Diamond.

»Vor etwas mehr als zwei Jahren. Sie fuhr also da lang, als angeblich eine begriffsstutzige oder sture Londoner Taube über die Straße trippelte und nicht willens war davonzufliegen. Gerry konnte die Vorstellung nicht ertragen, ein lebendiges Wesen zu töten, riß das Steuer herum und erwischte mit dem Flügel – den Kotflügel meine ich, nicht den der Taube – einen Lieferwagen, der am Straßenrand parkte. Solche Geschichten müssen Sie doch dauernd zu hören bekommen.«

»Ich bin nicht bei der Verkehrspolizei.«

»Tja, das war im Mai, glaube ich, und ich lehrte gerade mein letztes Semester am Birkbeck College, bevor ich hier die Professur antrat. An diesem Morgen hatte ich in der British Library gearbeitet und wollte einen Mittagsspaziergang machen. Die Taube habe ich nicht gesehen, aber den Lärm gehört. Ich war als erster am Wagen, habe die Tür geöffnet und sie gefragt, ob sie verletzt sei. Ich sehe sie heute noch vor mir, wie sie mich anstarrte, ganz bleich vor Schreck, und schön, unglaublich schön. Es ging ihr gut, bis auf den Schock, also habe ich ihr geholfen, den Wagen in eine Parklücke zu setzen, dann habe ich sie ins nächste Café mitgenommen und starken Tee bestellt. Ich wollte mir die Gelegenheit, den edlen Ritter zu spielen, nicht entgehen lassen und bin los, um den Fahrer des Lieferwagens zu suchen. Wie sich herausstellte, handelte es sich dabei um einen buddhistischen Mönch.«

»Ein Mönch – in London?«

»Er hat in der Bibliothek geforscht, so wie ich. Ich hatte ihn ein paarmal im Lesesaal gesehen. Als ich ihm von dem Zusammenstoß erzählte, war ihm eine weitere Beule in seinem Wagen völlig egal. Ja, er lobte Gerrys Verhalten überschwenglich, daß sie die Taube gerettet hatte. Seiner Überzeugung nach war sie auf dem Weg zur Erleuchtung. Ich sauste also wieder zurück ins Café und konnte sie beruhigen.«

»Und bestimmt haben Sie ihr dringend geraten, zum nächsten Polizeirevier zu gehen, um den Unfall zu melden«, warf Diamond hämisch ein.

Jackman ließ sich nicht unterbrechen. »Als ich wiederkam, saß sie zusammengesunken auf einem Hocker und tupfte sich die Augen mit ihrem unglaublichen roten Haar. Der Unfall war ihr erster, erzählte sie mir, und sie kam sich töricht vor, weil sie einen Blechschaden verursacht hatte, um einer blöden Taube auszuweichen. Ich weiß noch, daß ich die Partei der Taube ergriffen und ihr Recht verteidigt habe, die Straße überqueren zu können, ohne plattgefahren zu werden. Ich brachte sie zum Lächeln. Sie hatte ein umwerfendes Lächeln. Dann eröffnete sie mir, daß sie in zwanzig Minuten im Fernsehzentrum sein müsse, und ich bot mich an, sie nach White City zu fahren. Peinlich. Es war offensichtlich, daß ich keine Ahnung hatte, einer Berühmtheit begegnet zu sein. Ich sehe so gut wie nie fern.«

Sie blieben am Rande des Obstgartens stehen, wo das Gras zu hoch gewachsen war, um hindurchzuschlendern. Diamond rupfte einen langen Halm aus und kaute darauf. Er war ganz zufrieden mit sich, daß er die Geduld aufgebracht hatte, dieser trivialen Geschichte zu lauschen. Er hatte noch Zeit genug, auf den häßlichen Teil zu sprechen zu kommen. »Sie haben ein Wiedersehen vereinbart, nehme ich an?«

»Natürlich. Wir haben uns gut verstanden. Die Anziehung beruhte auf Gegenseitigkeit – obgleich wir uns wohl gegenseitig idealisiert haben. Sie hatte nur Mittlere Reife gemacht und fühlte sich geschmeichelt, einen angehenden Professor vorzeigen zu können. Und abgesehen davon, daß ich sie ungeheuer attraktiv fand, wie wohl jeder Mann in diesem Lande, habe ich mich auch gern im Neid der Menschen gesonnt, die sich ›The Milners‹ anguckten und es nicht fassen konnten, wie ein zerstreuter Professor sich einen Fernsehstar angeln konnte.«

»Wie stand es mit Gesprächen?«

»Was meinen Sie damit?«

»War Sie auf derselben Wellenlänge wie Sie?«

»Oh, sie war ein heller Kopf. Wenn sie ihre Ausbildung nicht abgebrochen hätte, wäre sie sicher zur Uni gegangen.«

An der Art, wie Jackman das sagte, fiel Diamond auf, daß er mit einer gewissen Distanz sprach und nicht mit dem Stolz, den man von einem liebenden Gatten erwartet hätte. Dagegen hatte er alles andere – alle Erinnerungen an die Zeit vor zwei Jahren – sehr warmherzig geschildert. Die Geschichte von ihrer Begegnung hörte sich wahr an. Der Mann war unzweifelhaft von ihr bezaubert gewesen, und es war nicht schwer zu erraten, was sie zu ihm hingezogen hatte. Er sah gut aus. Er war nicht verknöchert. Er entsprach absolut nicht dem Klischee vom lebensfremden Intellektuellen.

Das bestätigte sich, als Jackman weiterredete. »Das erste Mal liebten wir uns unter dem Sternenhimmel im Richmond Park. Wir wußten nicht, daß die Tore bei Sonnenuntergang geschlossen werden; mußten über eine Mauer klettern, um rauszukommen, und zu dem Zeitpunkt war unsere Energie doch ziemlich erschöpft.« Er lächelte schwach. »Danach haben wir uns dann eine bequemere Lösung überlegt. Sie ist zu mir in meine Wohnung in Teddington gezogen. Im September haben wir standesamtlich geheiratet, und anschließend gab es eine Fahrt die Themse hinauf auf einem Vergnügungsdampfer mit zweihundertfünfzig Leuten.«

Diamond notierte sich im Geiste die Zahl, weil sie ihn beunruhigte. Um, falls nötig, die Freunde des Opfers zu befragen, würden sie eine große Sondereinheit einrichten müssen.«

»Eigentlich erstaunlich«, stellte Jackman fest. »Die akademische Welt und die des Showbiz verstanden sich prächtig. Sie haben sich bis in den frühen Morgen hinein zu den Klängen eines Jazzquartetts amüsiert.«

»Das war im September 1987, sagten Sie? Und wann sind Sie dann nach Bath gezogen?« fragte Diamond.

»Gleich danach. Mein Semester fing an. Gerry war noch bei der BBC. Wir hatten keine Ahnung, daß ihre Tage bei ›The Milners‹ gezählt waren. Sie hat sich eine Wohnung in Ealing gemietet für die Zeit der Dreharbeiten. Wie ich schon sagte, wir waren beide beruflich stark engagiert und haben deshalb unsere Leben weniger eng miteinander verzahnt als traditionell üblich. Wir hatten getrennte Bankkonten. Das Haus hier gehört mir; ich hatte es schon gefunden und den Vertrag unterschrieben, als ich Gerry kennenlernte.«

»War sie mit Ihrer Wahl einverstanden?«

Der Professor legte eine Hand vors Gesicht und strich sich über den Mund abwärts zur Kinnspitze, während er über die Frage nachdachte. »Ich denke, es hat ihr gefallen, ja. Es liegt ein wenig weit vom Zentrum, aber sie hatte den Wagen.«

»Den Renault?«

»Einen Metro. Sie hatte sich einen neuen gekauft. Er steht in der Garage. Möchten Sie ihn sehen?«

»Später.« Jetzt war es Diamond, der ins Grübeln kam. »Hat es Sie nicht beunruhigt, daß ihr Wagen noch in der Garage stand, nachdem sie verschwunden war?«

»Eigentlich nicht. Sie ist häufig Taxi gefahren, wenn sie irgendwohin mußte, besonders wenn sie etwas trinken wollte.«

»Hat sie viel getrunken?«

»Sie konnte einiges vertragen, aber ich würde nicht sagen, daß sie exzessiv getrunken hat.«

Im Innern des Hauses war John Wigfull, auf bewährten Polyäthylen-Socken, vom Beamten der Spurensicherung nach oben ins Schlafzimmer gerufen worden. Sie sahen einem der Kriminaltechniker zu, der auf Knien mit einem Streifen Klebeband Faserproben einsammelte.

Wigfull verschränkte die Arme und ließ den Blick durch den Raum wandern. »Zwei Einzelbetten.«

»Manche Leute schlafen lieber so.«

»Du auch – wenn du mit Gerry Snoo verheiratet wärst?«

Ein Lächeln von dem Spurensicherer. »Ich bin ein einfacher Wissenschaftler, John. Ohne jede Phantasie.«

Beide Betten waren zur forensischen Untersuchung bis auf die Matratzen abgezogen worden, was jedem Schlafzimmer die Atmosphäre genommen hätte. Es war ein großer, wohlproportionierter Raum, der in Creme und Blaßgrün gehalten war. Auf einem Ständer gegenüber dem Bett stand ein Fernseher mit Videorecorder. Zwei abstrakte Gemälde im Stil Mondrians belebten die Wände, verstärkten aber, wie Wigfull fand, nur das hotelartig Unpersönliche des Raumes.

Einen völlig anderen Eindruck gewann er, als er den Raum durchquerte und in eines der angrenzenden Ankleidezimmer blickte. Es war förmlich ein Schrein, voll mit Reliquien aus Gerry Snoos Fernsehkarriere. Die Wände waren von silbergerahmten Szenenfotos aus ›The Milners‹ bedeckt, dazwischen Pressefotos von ihr selbst mit irgendwelchen Berühmtheiten auf Parties. Über dem Frisiertisch befand sich der von Lämpchen umrandete Spiegel, wie er in jede Stargarderobe gehört, und die Wand dahinter war mit silbernen Hufeisen, Grußkarten, Faxen und Heidekrautsträußchen geschmückt. Ein eingebautes Regal zwischen Schrank und Fenster war vollgepackt mit Videokassetten und Taschenbüchern von ›The Milners‹.

»Sie hat ihre große Zeit vermißt, glaubst du nicht auch?« rief der Spurensicherer.

»Sieht ganz danach aus.« Wigfull ging zurück ins Schlafzimmer. »Viel gefunden?«

»Ein paar mikroskopisch kleine Flecken auf dem Federbett, möglicherweise Blut. Könnte was hergeben, vielleicht aber auch nicht. Mal sehen, was bei den Tests rauskommt. Viele Fingerabdrücke auf der Platte des Frisiertisches, wahrscheinlich ihre eigenen. Sonst kaum welche. Ich denke, die Kommode und der Kleiderschrank sind abgewischt worden. Ob er das war?«

»Meinst du den Ehemann?«

»Wen denn sonst? Mord liegt meist in der Familie, oder?«

Wigfull zuckte die Achseln. Der Beamte von der Spurensicherung ließ den Metallkoffer mit den Geräten zuschnappen. »Falls er schuldig ist, wette ich, daß dein Boß ihn kriegt. Ich habe gesehen, wie Diamond arbeitet. Zuerst ein bißchen Katz und Maus. Fast verspielt. Und dann schlägt er zu. Falls er ihnen nicht den Kopf abreißt, bricht er ihnen das Rückgrat.«

Wigfull sagte: »Bevor es soweit kommt, würde ich gerne das Motiv erfahren.«

»Liegt doch auf der Hand. Sie haben nicht in einem Bett geschlafen. Sie muß es sich irgendwo anders geholt haben. Ehemann kommt dahinter. Cut für Candice.«

Im Garten war Diamond geduldig dabei, die Geschichte dieser Ehe zu entwirren. »Im Auto haben Sie erzählt, was für ein schwerer Schlag es für Ihre Frau war, als man sie aus der Serie rausgeschrieben hat. Aber Sie haben auch angedeutet, daß sie nach dem ersten Schock doch sehr positiv damit umgegangen ist.«

»Das stimmt völlig«, entgegnete Jackman. Er war jetzt ruhiger, weil die Fragen strukturierter, berechenbarer geworden waren. »Natürlich hat sie dem Regisseur deutlich zu verstehen gegeben, was sie davon hielt, aber nachdem sie einmal eingesehen hatte, daß nichts zu machen war, hat sie recht vernünftig reagiert, dachte ich. Zu mir hat sie gesagt, daß sie jetzt all die Jahre nachholen wollte, die sie verpaßt hatte.«

»Was hat sie damit gemeint?«

»Sie hatte nie Freiheiten wie die meisten jungen Frauen. Endlich durfte sie ausbrechen: Urlaub machen, Nächte durchtanzen, die Frisur ändern, Gewicht zulegen, wenn sie wollte, und nie wieder einen Fanbrief beantworten. Ich denke, es war jugendliches Aufbegehren, mit zehn Jahren Verzögerung.«

»Nicht gerade ein idealer Anfang für eine Ehe«, warf Diamond ein.

Der Ton der Antwort war nicht ohne Schärfe, als ob Jackman ahnte, was hinter dieser Bemerkung steckte. »Wir haben das nicht so gesehen. Wie ich schon sagte, wir hatten vereinbart, einander so viel Raum zu lassen, daß jeder er selbst bleiben und seine Interessen unabhängig vom anderen ausleben konnte. Wir wollten nicht so eine Ehe, in der einer von beiden immer nur Anhängsel ist und dauernd Opfer bringt.«

»Aber die Grundlage Ihres Vertrages – Ihrer Übereinkunft, oder wie Sie es nennen wollen – hatte sich geändert«, wandte Diamond ein. »Mit ihrer Karriere war es zu Ende.«

»Na und? Ich habe nicht von Gerry erwartet, daß sie zu Hause bleibt und meine Socken stopft, bloß weil sie kein Engagement mehr hatte. Sie hat ihre Energien darauf verwandt, sich ein eigenes gesellschaftliches Leben aufzubauen. Natürlich hat sie die Wohnung in Ealing gekündigt.«

»Schwierig für eine Frau, die an London gewöhnt ist, hierherzukommen, wo sie keinen kennt«, bemerkte Diamond, der fest davon überzeugt war, daß die Ehe verhängnisvoll gescheitert war.

»Nicht für Gerry. Es hatte sich bald herumgesprochen, daß sie hierhergezogen war. Es hagelte Einladungen.«

»Wurden Sie auch eingeladen?«

»Ziemlich oft. Aber meistens konnte ich sie nicht begleiten. Ich war dabei, ein ganz neues Institut aufzubauen, und das nahm meine Zeit ganz in Anspruch. Aber nach und nach habe ich die Leute kennengelernt, mit denen sie ihre Zeit verbrachte. Gelegentlich hatten wir auch hier eine Party.«

»Leute aus Bath?«

»Bristol. Von überall aus der Gegend, denke ich.«

»Denken Sie? Dann haben Sie sie also nicht allzu gut kennengelernt. Waren sie nicht nach Ihrem Geschmack?«

Jackman bedachte ihn mit einem kalten Blick. »Menschen müssen nicht nach meinem Geschmack sein, wie Sie es ausdrücken. Jedenfalls habe ich sie nicht alle gefragt, wo sie wohnen. Falls Sie Namen und Adressen brauchen, so kann ich wohl Gerrys Adreßbuch finden.«

»Soll das heißen, daß Sie noch nicht mal die Namen der Freunde Ihrer Frau kennen?«

»Das habe ich nicht gesagt. Da war ein Ehepaar Maltby, aus Clevedon, glaube ich. Paula und John Hare. Liza soundso. Ein großer Bursche namens Mike – wo der wohnt, weiß ich nicht genau.«

»Schon gut«, sagte Diamond. »Ich werde ihr Adreßbuch durchgehen, wie Sie vorschlagen. Hat Ihre Frau mal erzählt, daß sie sich mit einem dieser neuen Freunde gestritten hat?«

»Soweit ich mich erinnere, nein.«

»Gehen wir zurück?« Diamond setzte sich wieder Richtung Haus in Bewegung. Er benutzte die Trittsteine auf dem Rasen, der noch feucht vom Tau war und es vermutlich auch den ganzen Tag bleiben würde. »Nach dem, was Sie mir über Ihre Ehe erzählt haben, habe ich das Gefühl, daß sie vielleicht gar nicht mit Ihnen über ihre Freunde gesprochen hat«, sagte er, während er sich behutsam seinen Weg suchte.

»Wohl kaum«, antwortete der Professor hinter ihm. Ihn schien nichts aus dem Tritt zu bringen.

Vor ihnen, praktisch genau im Zentrum des Gartens, befand sich ein gepflasterter Bereich, der in der Mitte dunkler war. Zuerst dachte Diamond, es handle sich um ein Blumenbeet, aber als sie näher kamen, sah er, daß die geschwärzte Stelle die ausgebrannte, achteckige Grundfläche eines Gebäudes war. »Sieht so aus, als wäre da mal was abgebrannt«, bemerkte er beiläufig.

»Das da war mal das Prunkstück des Gartens«, entgegnete Jackman mit der Gewandtheit des erfahrenen Gastgebers. »Ein Sommerhaus. Es ist in der Nacht abgebrannt, in der Gerry versucht hat, mich zu töten.«

Diamond bremste so abrupt ab, daß er fast das Gleichgewicht verlor. Als er seine Stimme wiedergefunden hatte, klang sie ganz anders, gepreßt und atemlos vor Schock. »Ich weiß nicht, ob ich Sie richtig verstanden habe, Professor, aber mir ist, als hätten wir da in der Geschichte was übersprungen.«

Die Frau im See

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