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TEIL EINS Die Frau im See 1

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Ein Mann stand bis über die Knie im Wasser, bewegungslos, geistesabwesend, nicht ahnend, was da auf ihn zutrieb. Er angelte am Nordufer des Chew Valley Lake, einer knapp fünfhundert Hektar großen Talsperre am Fuße der Mendip Hills, südlich von Bristol. Er hatte bereits drei Flußforellen von respektabler Größe gefangen.

Er starrte angestrengt auf die Stelle in dem ruhigen See, wo er den Köder ausgeworfen hatte, und wartete auf einen verräterischen Wirbel im Wasser. Die Bedingungen waren vielversprechend.

Es war ein Abend Ende September, der Himmel bedeckt, und Abermillionen von Fliegen waren soeben in ihrem Dämmerungsflug über ihn hinweggeschwärmt. Sie schwirrten und tanzten über dem See wie eine dichte Masse, die dunkler war als die Wolken, und ihr Summen dröhnte so laut wie eine nahende U-Bahn. Den tagsüber geschlüpften Jungen konnten hungrige Fische nicht widerstehen.

Eine leichte Brise von Südwesten kräuselte die Wasseroberfläche um ihn herum, doch weiter vor ihm war eine Stelle im Wasser, wie sie von Anglern Kolk genannt wird. Dort, so wußte er aus Erfahrung, stiegen die Fische am liebsten.

Der Mann war so konzentriert, daß er das blasse Objekt in seiner unmittelbaren Nähe überhaupt nicht bemerkte. Es trieb, zu mehr als der Hälfte unter Wasser, träge mit der Strömung, die durch den Wind verursacht wurde, und machte dabei eine sanft schaukelnde Bewegung, die mitunter den Anschein von Leben erweckte.

Schließlich berührte es ihn. Eine weiße Hand glitt gegen seinen Oberschenkel. Ein Arm klappte ganz nach außen, als die Leiche gegen ihn stieß und mit der Achselhöhle hängenblieb. Es war eine tote Frau, das Gesicht nach oben, nackt.

Der Angler blickte nach unten. Aus seiner Kehle drang ein kindlich heller, verhaltener Schrei.

Einen Moment lang stand er wie versteinert. Dann riß er sich mit plötzlicher Willensanstrengung zusammen, um sich aus der ungewollten Umarmung zu befreien. Er wollte die Leiche nicht anfassen und benutzte deshalb den Griff seiner Angelrute, den er in die Achselhöhle schob, um den Körper wegzustoßen. Gleichzeitig wandte er sich ab und machte einen Schritt zur Seite, so daß die Leiche mit der Strömung weitertreiben konnte. Nun nahm er sich nicht einmal mehr die Zeit, seine Leine einzuholen, sondern riß sein Netz aus der Befestigung im Schlamm und platschte eilig zum Ufer. Dort angekommen, schaute er sich um. Es war niemand zu sehen.

Der Angler wollte keine Scherereien. Er packte einfach seine Ausrüstung zusammen und begab sich so schnell wie möglich zu seinem Wagen. Aber dann kam ihm noch ein Gedanke. Bevor er abfuhr, öffnete er die Tasche mit seinem Fang und warf die drei Forellen zurück ins Wasser.

Die Frau im See

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