Читать книгу Dieses viel zu laute Schweigen - Petra Bunte - Страница 5
Anna
Оглавление„Hey! Bist du schon zu Hause?“, klang mir die Stimme meiner besten Freundin gut gelaunt aus dem Handy entgegen.
In einem waghalsigen Manöver versuchte ich, gleichzeitig den Anruf anzunehmen, die Tür hinter mir zu schließen und die Tasche mit den Einkäufen dabei nicht fallen zu lassen. Es war, als hätte Nele bloß darauf gewartet, dass ich in meiner Wohnung angekommen war. Wie auch immer sie das machte, denn wegen einer Baustelle fuhr die S-Bahn zurzeit so unregelmäßig, dass ich selbst kaum wusste, wann das war.
„Schon ist gut“, grummelte ich und kickte mir die Schuhe von den Füßen. „Ich bin echt froh, dass ich endlich Feierabend habe. Dieses neue Buchungsportal macht mich wahnsinnig.“
„Ach, du Arme“, sagte meine Freundin mitfühlend. „Immer noch nicht besser?“ Sie hatte sich bereits die ganze Woche geduldig mein Gemecker über die Softwareumstellung im Reisebüro angehört. Heute war es mit der Anteilnahme allerdings schnell wieder vorbei, und ohne eine Antwort abzuwarten, fügte sie unerträglich munter hinzu: „Ich wüsste da etwas, was dich sicher aufmuntern wird.“ Dabei klang sie so furchtbar energiegeladen, wie es nur Menschen sein können, die samstags nicht arbeiten müssen.
„Oh nein, lieber nicht“, erklärte ich lachend, weil ich ahnte, dass Nele damit alles andere als einen gemütlichen Abend zu Hause meinte.
Und prompt konterte sie: „Oh doch! Ich weiß, dir ist jetzt wahrscheinlich eher nach Sofa zumute, aber da kannst du hin, wenn du alt und langweilig bist. Also …“ Sie hielt kurz inne und säuselte dann mit ihrer schönsten Bettelstimme: „Allerliebste Anna-Maus, es ist mir wirklich total wichtig. Würdest du bitte heute Abend mit mir ins Old Chap gehen? Du weißt schon, das ist diese urige Kneipe in der Nähe vom Bahnhof. Ich habe einen Hinweis bekommen, dass sich der Postmann da rumtreiben soll.“
Ich stöhnte auf und war nicht sicher, ob ich lachen oder weinen sollte. So viel zum Thema gemütlicher Sofaabend.
Meine liebe Freundin hatte es so richtig erwischt, nachdem sie neulich ein Paket bei diesem „superheißen Typen vom Postschalter“ abgeholt hatte. Seitdem bekam sie auf wundersame Weise ständig Lieferungen diverser Onlineshops, und da sie bedauerlicherweise nie zu Hause war, wenn der Paketbote kam, musste sie wohl oder übel immer wieder mit ihrem Benachrichtigungsschein an den Schalter. Doch jetzt hatte sich scheinbar eine Möglichkeit aufgetan, ihren Traumprinzen außerhalb der Post aufzuspüren. Und wenn Nele mit „allerliebste Anna-Maus“ anfing, würde es schwer für mich werden, aus der Nummer rauszukommen.
Ich fuhr mir mit der freien Hand müde durch die Haare und sagte: „Ach, Nelli. Wie zuverlässig ist deine Quelle denn? Und muss das heute sein? Ich hab wirklich keine Lust mehr auszugehen.“
„Bitte, bitte, bitte!“, bettelte sie. „Die Quelle ist absolut wasserdicht. Er hat mich nämlich selbst drauf gebracht. Aber alleine hingehen ist blöd.“
Hmmm. Das klang vielversprechend. Gleichzeitig amüsierte ich mich darüber, dass meine Freundin quengelte wie eine verknallte Sechzehnjährige, dabei hatten wir diese Zeiten seit über zehn Jahren hinter uns.
Sehnsüchtig betrachtete ich meinen E-Book-Reader auf dem Wohnzimmertisch und verfluchte die Tatsache, dass ich Nele so gut wie nie etwas abschlagen konnte. Und dass sie das genau wusste.
Ich seufzte ergeben und fragte: „Holst du mich wenigstens ab? Die S-Bahn ist im Moment eine einzige Katastrophe.“
„War das ein Ja?!“, quiekte sie begeistert. „Du bist die Beste! Aber abholen geht leider nicht, sorry. Mein Bruder hat mir grad so ein teuflisches Zeug zum Probieren gegeben, da bist du schon betrunken, wenn du nur dran riechst.“
„Und so willst du deinem Postmann begegnen?“, bemerkte ich skeptisch.
Nele lachte. „Ein bisschen Mut antrinken kann ja nicht schaden.“
Ich schüttelte belustigt den Kopf, bis mir etwas einfiel. „Und du bist wirklich sicher, dass er ausgerechnet heute da sein wird?“, vergewisserte ich mich. „Die deutsche Mannschaft spielt nachher bei der EM um den Einzug ins Achtelfinale. Da wird er doch sicherlich Fußball gucken, oder?“
„Man merkt, dass du noch ein bisschen Jan-geschädigt bist“, kicherte Nele. „Aber es kann ja nicht jeder so fußballverrückt sein wie dein Ex. Hoffe ich jedenfalls. Erinnere mich daran, dass ich ihn nachher gleich danach frage. Das gibt sonst definitiv Abzüge in der B-Note.“
„Ich fürchte, mit der Einstellung wirst du als einsame, alte Jungfer sterben“, bemerkte ich grinsend.
Meine Freundin seufzte schwermütig. „Ich weiß. Wobei … Mir fällt da grad tatsächlich jemand ein, dem dieses Gekicke völlig egal zu sein scheint. Und er sieht verdammt gut aus und ist unglaublich charmant“, schwärmte sie.
„Na, jetzt machst du mich aber neugierig. Raus damit! Wer ist es? Den muss ich mir unbedingt mal angucken.“
Nele stieß ein prustendes Lachen aus. „Erde an Anna! Du bist mir ein Herzchen. Mach mal die Augen auf! Dieses Prachtexemplar läuft doch ständig vor deiner Nase rum. Ich meine nämlich deinen süßen Nachbarn.“
„Was? Lukas?“, hakte ich überrascht nach. „Woher willst du denn wissen, dass der sich nicht für Fußball interessiert?“
„Hallo?! Er kam neulich vom Einkaufen nach Hause, während das erste Deutschlandspiel lief. Das tut kein normaler Mann, wenn es nicht um Leben und Tod geht“, erklärte sie mit ihrer eigenen unschlagbaren Logik.
„Du hast echt ’ne Macke, Nelli.“
„Was denn?“, protestierte sie empört. „Der Typ ist echt heiß, und damit erzähle ich dir ja wohl nichts Neues. Apropos …“ Sie machte eine kunstvolle Pause. „Frag doch ihn, ob er dich fährt. Und wenn er schon mal da ist, kann er auch gleich mitkommen ins Old Chap.“
„Na klar“, konterte ich und verdrehte amüsiert die Augen.
Diese alte Kupplerin! Hätte ich ihr bloß nie von Lukas erzählt. Aber seit er vor ein paar Wochen in der Wohnung nebenan eingezogen war, geisterte er mir ständig durch den Kopf. Und da ich meiner Freundin grundsätzlich nichts vormachen konnte, hatte sie natürlich sofort durchschaut, was da im Busch war. Erst recht, seit wir ihm einmal zusammen im Treppenhaus begegnet waren und sie sich selbst von seinem umwerfenden Lächeln überzeugen konnte.
Lukas war so ein Mensch, der einen Raum bloß durch seine Anwesenheit zum Strahlen brachte, selbst wenn man ihn gar nicht kannte. Groß, blond, leuchtend blaue Augen und immer ein Lächeln und einen netten Spruch auf den Lippen – wie sollte man da nicht ins Schwärmen geraten? Eine Zeit lang hatte ich sogar gedacht, dass er richtig mit mir flirtete. Aber da war wohl der Wunsch Vater der Single-Gedanken gewesen, denn nachdem ich Lukas letztes Wochenende dabei erwischt hatte, dass er mit der achtzigjährigen Frau Schulze aus dem Erdgeschoss genauso schäkerte, waren mir Zweifel gekommen. Anscheinend war das seine Art, und ich Dummerchen hatte mir eingebildet, dass sein Augenzwinkern nur mir galt. In Wirklichkeit lagen ihm die Frauen wahrscheinlich reihenweise zu Füßen, und er konnte jede haben, die er wollte. Da hatte ich, die Durchschnittsfrau von nebenan, sowieso keine Chance.
„Papperlapapp“, hatte Nele widersprochen, als ich ihr davon erzählte. „Jetzt stell dein Lichtlein mal nicht unter den Scheffel. Du siehst gut aus, bist ein intelligentes Mädchen und hast eindeutig den Heimvorteil. Also ran an den Mann!“
Bei meiner Freundin klang das immer alles so leicht. Sie hätte sicher längst bei ihm geklingelt, ihn auf eine gute Nachbarschaft zum Essen eingeladen und dabei von vorne bis hinten über sein Leben ausgefragt. Aber so selbstbewusst war ich leider nicht.
Heute Abend ging es allerdings nicht um mich, sondern um sie. Deshalb sagte ich entschieden: „Vergiss es! Ich nehme die Bahn. Nicht, dass Lukas unterwegs plötzlich doch Gefühle für mich entwickelt und wir es gar nicht erst zu dir schaffen. Dann guckst du nämlich in die Röhre mit deinem Postmann.“
Außerdem hatte Lukas gar kein Auto, aber das würde ich meiner Freundin jetzt nicht auf die Nase binden.
„Haha, sehr witzig“, murrte sie. „Statt dumme Sprüche zu machen, sieh lieber zu, dass du herkommst! Und für euch beide überlege ich mir etwas anderes.“
„Aye, aye, Ma’am. Und du lass in der Zwischenzeit die Finger von dem Teufelszeug!“, ermahnte ich sie grinsend.
„Ja, Mama!“, stöhnte sie. „Bis gleich.“
„Bis gleich.“
Kichernd legte ich das Handy zur Seite, brachte meine Einkäufe in die Küche und ging dann ins Bad. Der anstrengende Tag im Reisebüro hatte seine Spuren hinterlassen, die dringend kaschiert werden mussten. Man konnte schließlich nie wissen, wer einem unterwegs begegnete. Also sprang ich unter die Dusche, föhnte meine dunkelblonden Naturlocken halbwegs in Form und legte ein leichtes Make-up auf. Anschließend zog ich mich an und warf einen Blick auf die Uhr. Gleich halb acht. Die nächste Bahn fuhr um zehn vor … wenn sie denn kam.
Auf dem Weg vom Schlafzimmer in die Küche hörte ich draußen im Hausflur etwas klappern, das verdächtig nach Lukas klang, und Schritte, die im Treppenhaus immer leiser wurden.
Schade, dachte ich seufzend. Knapp verpasst. Hätte er nicht einen Moment später losgehen können? Aber bis ich meine Schuhe angezogen und die Tasche aus der Küche geholt hatte, war er sicher längst über alle Berge.
Für einen kurzen Augenblick war ich in Versuchung, aus dem Fenster zu schauen, um wenigstens einen Blick auf ihn zu erhaschen, doch dann schüttelte ich über mich selbst den Kopf. Anna, du bist echt bescheuert!
Es war nicht nur Nele, die sich wie ein verliebter Teenager aufführte. Aber allein der Gedanke an Lukas hatte mich schon in gute Laune versetzt.
Lächelnd dachte ich an eine Nacht vor etwa zwei Wochen zurück, in der wir in den frühen Morgenstunden unsanft von einem Feueralarm aus dem Haus getrieben worden waren. Zum Glück hatte es sich dabei um einen Fehlalarm gehandelt, und nachdem die Feuerwehr keinen Brand festgestellt hatte, durften wir relativ schnell zurück in unsere Wohnungen. Aber dieser Morgen würde mir für immer in Erinnerung bleiben.
Bloß mit einem T-Shirt, Jogginghose und Schlappen an den Füßen bekleidet, hatte ich auf der gegenüberliegenden Straßenseite gestanden und ängstlich am Haus hochgeschaut, als Lukas dazugekommen war. In seiner gewohnt lockeren Art bemerkte er: „So hatte ich mir das eigentlich nicht vorgestellt, als ich diese Wohnung ausgesucht habe. Ein bisschen Action ist ja ganz schön, aber nicht um diese Zeit. Ich hoffe, das geht hier nicht öfter so rund.“
Ich brachte vor Anspannung keinen Ton raus und schüttelte nur den Kopf.
Lukas stupste mich am Arm an und sagte: „Gib’s zu, du hast heimlich im Bett geraucht und damit den Brandmelder ausgelöst.“
Seine Gelassenheit stand in so krassem Gegensatz zu meiner eigenen Angst, dass ich lachen musste, und ein selten schlagfertiger Teil von mir konterte: „Nein, bestimmt nicht. Wenn, dann muss es wohl eher der Neue gewesen sein, der die Hausregeln noch nicht kennt.“
„Würdest du mich verraten, wenn es so wäre?“, gab er mit funkelnden Augen zurück.
Ich war überzeugt davon, dass er es nicht getan hatte. Doch bei seinem neckischen Blick brachte ich ohnehin nichts anderes als ein Kopfschütteln zustande. Wahrscheinlich hätte ich in diesem Moment nicht einmal mitbekommen, wenn das Haus neben mir abgebrannt wäre.
„Hey, frierst du so?“, hörte ich Lukas plötzlich wie aus weiter Ferne sagen. Er deutete auf die Gänsehaut auf meinen Armen, die ich selbst bisher gar nicht wahrgenommen hatte. Kurzerhand zog er seinen Sweater aus, unter dem er noch ein T-Shirt trug, und sagte: „Nimm das. Mir ist warm genug.“
Auffordernd streckte er mir den Pullover entgegen und lächelte mich an.
„Danke“, murmelte ich verlegen und zog ihn mir über den Kopf. Das Sweatshirt war mir natürlich zu groß, aber seine Körperwärme steckte darin und war so angenehm, dass mir ein wohliger Schauer über den Rücken rieselte. Außerdem wurde ich in eine Wolke Lukas-Duft eingehüllt, der mich ganz schwach werden ließ.
„Besser?“, wollte er wissen.
„Ja, danke“, antwortete ich mit einem zaghaften Lächeln.
Etwa eine halbe Stunde später gaben die Feuerwehrleute Entwarnung, und wir durften zurück in unsere Wohnungen.
„Gott sei Dank“, stieß ich erleichtert hervor und merkte erst jetzt, wie angespannt ich die ganze Zeit gewesen war.
Lukas musterte mich prüfend und fragte: „Alles okay? Geht es dir gut?“
Ich nickte zaghaft. „Ja. Aber so was muss ich echt nicht öfter haben. Und mit Schlafen war es das, glaub ich, auch für heute Nacht.“
Er lächelte mitfühlend, warf einen nachdenklichen Blick über meine Schulter hinweg die Straße entlang und meinte: „Die Bäckerei da vorne macht gerade auf. Was hältst du davon, wenn wir uns was Richtiges anziehen und dann auf den Schreck zusammen frühstücken gehen?“
Ich sah ihn überrascht an, während die Schmetterlinge in meinem Bauch ein Freudentänzchen aufführten. Frühstück mit Lukas? Da sagte man doch nicht Nein! Bis ich zur Arbeit musste, war noch Zeit, und diese zwei Stunden waren jeden beängstigenden Feueralarm wert. Wir redeten, lachten, neckten uns, flirteten sogar miteinander und lernten uns um einiges besser kennen, als es bisher zwischen Tür und Angel im Treppenhaus möglich gewesen war. Die Zeit verging viel zu schnell, und ich hasste es, unser unverhofftes Date – wenn man es denn überhaupt so nennen konnte – beenden zu müssen, um pünktlich zur Arbeit zu kommen.
Vor meiner Wohnungstür angekommen, brachte Lukas die Welt jedoch schlagartig wieder in Ordnung, indem er lächelnd erklärte: „Das sollten wir mal wiederholen.“
„Unbedingt“, erwiderte ich mit einem glücklichen Grinsen. „Aber bitte nicht wieder heimlich vorher rauchen, okay?“
Er lachte leise. „Na gut. Weil du es bist.“
Dann hob er plötzlich die Hand und strich mir sanft eine Locke aus dem Gesicht. Ich wagte es kaum zu atmen, während mein Herz ein paar Purzelbäume schlug. Mein ganzer Körper kribbelte in erwartungsvoller Vorfreude, dass er mich küsste. Doch Lukas lächelte nur, wünschte mir einen schönen Tag und ging.
Oh Mann! Wie sehr hatte ich in diesem Moment darauf gehofft, dass seine Blicke und dieses Necken und Flirten etwas zu bedeuten hatten und mehr daraus werden könnte. Aber seitdem hatte ich ihn kaum gesehen und wenn, dann nach wie vor nur im Vorbeigehen. Vielleicht sollte ich doch endlich meinen Mut zusammennehmen und unter irgendeinem Vorwand bei ihm klingeln. Oder ihm alternativ im Wäschekeller auflauern.
Seufzend schlüpfte ich in Schuhe und Jacke, schnappte mir meine Tasche und den Schlüssel und verließ die Wohnung.
Nachdem ich die Tür hinter mir zugezogen hatte, hörte ich von unten Schritte, die die Treppe raufkamen, und vermutete, dass es einer der Studenten aus dem Dachgeschoss war. Doch als ich um die Ecke bog, kam mir Lukas entgegen.
„Hey“, sagte ich überrascht. „Bist du nicht eben erst runtergegangen?“
Er sah mich an und lächelte auf diese hinreißende Lukas-Art, bei der ich sofort weiche Knie bekam. „Was man nicht im Kopf hat, holen die Beine nach. Aber gut aufgepasst, Frau Nachbarin“, neckte er mich augenzwinkernd. „Kann es sein, dass du mich stalkst?“
Ich schüttelte lachend den Kopf. „Oh nein. Ich kenne nur niemanden sonst, der er schafft, mit seinem Schlüsselbund so einen Krach zu machen.“
Lukas grinste ohne das geringste Anzeichen von Schuldbewusstsein. Das Thema war mittlerweile ein Running Gag zwischen uns, seit ich ihn einmal darauf angesprochen hatte, dass es ständig polterte, wenn er seine Wohnungstür aufschloss. Lukas hatte mir daraufhin einen geschnitzten Holzanhänger in Form eines Hais gezeigt, von dem er sich angeblich unmöglich trennen konnte. Mit einem zerknirschten Lächeln hatte er mir versprochen, dass er demnächst besser aufpassen würde, ihn nicht mehr an die Tür zu hauen, doch bisher hatte das nicht funktioniert.
„Ich glaube, ich schenke dir mal einen Schaumstoffanzug für deinen Hai“, sagte ich jetzt schmunzelnd.
„Selbst genäht?“, konterte er mit funkelnden Augen.
„Maßgeschneidert“, erwiderte ich mit Schmetterlingen im Bauch.
Lukas lachte und meinte: „Vorsicht! Ich könnte dich beim Wort nehmen. Wobei das seinem Image ganz schön schaden könnte. Einen Hai im rosa Flauschanzug nimmt doch keiner ernst.“
„Hab ich was von rosa gesagt?“
Wir grinsten uns vergnügt an, und wie so oft wünschte ich mir, der Moment würde nie vorbeigehen. Doch dummerweise warf Lukas einen Blick auf seine Armbanduhr und sagte: „Sorry, aber ich muss dann mal. Ich hab gleich ein Date mit ein paar Kollegen beim Public Viewing. Anscheinend hab ich die Probezeit im Team bestanden und darf jetzt auch privat mitspielen.“
Er zwinkerte mir verschwörerisch zu, und es war unschwer zu erkennen, wie er sich darüber freute, in seiner neuen Firma angekommen zu sein. Aber wer wollte einen so sympathischen Menschen wie ihn auch nicht in seiner Truppe haben?
„Herzlichen Glückwunsch“, gab ich lächelnd zurück. „Dann wünsche ich dir viel Spaß. Auch wenn du ja eigentlich gar nicht so auf Fußball stehst.“
Der letzte Satz war mir wie von selbst herausgerutscht, nachdem ich vorhin erst mit Nele darüber gesprochen hatte. Und ich hätte mir am liebsten die Zunge abgebissen, als ich sah, wie Lukas für eine Millisekunde stockte. Doch er konterte wie üblich mit einem lockeren Spruch und sagte: „Jetzt wirst du mir langsam unheimlich. Hat dir das etwa auch mein Hai verraten?“
„Hmmm“, machte ich nachdenklich. „In gewisser Weise schon. Wenn dein Hai an der Tür poltert, während der Rest der Männerwelt Fußball guckt, dann ist das verdächtig.“
„Okay“, lachte er. „Du hast mich durchschaut. Aber ich werde den Abend schon irgendwie überleben.“
„Das will ich doch hoffen.“
Wir sahen uns an und grinsten.
„Also dann“, meinte er. „Dir auch einen schönen Abend, beim Fußball oder was auch immer.“
„Danke“, erwiderte ich, und im nächsten Augenblick war er die Treppe rauf verschwunden. Schade. Aber auch ich sollte mich langsam sputen, wenn ich die S-Bahn erwischen wollte.