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Tore

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Rudlem Bewern war einer der einflussreichsten Männer am Hof des Königs. Er verdankte dies nicht seinem Stand, sondern einzig seinen eigenen Fähigkeiten und seiner unbedingten Loyalität gegenüber dem Hause Derengold.

Seine Familie entstammte dem niederen Adel und besaß einige kleine Güter im Deltagebiet nahe dem Küstenland. Bewern vermied es, jemals dorthin zurückzukehren. Er hatte sich in zähem Intrigenkampf schon unter König Jasper zum Hofmarschall emporgearbeitet und herrschte nun seit fast vierzig Jahren über sein eigenes Reich am Hof. Unter den Dienstboten wurde er gefürchtet und gehasst. Sein Gedächtnis war phänomenal. Weder vergaß er auch nur eine einzige Flasche edlen Weines in den riesigen Gewölben, noch entging ihm der Verbrauch von Wachskerzen oder Weißzeug. Auch kannte kaum jemand die verzwickten Ahnenreihen der Hohen Häuser so gut wie Bewern. Sogar Melgardon fragte seinen Hofmarschall in diesen Dingen um Rat. Seine Loyalität zum König hinderte Bewern jedoch nicht, mit allen Mitteln seine Macht auszuweiten und in gleichem Maße auszunutzen. Nicht dass er je einen Angehörigen der adligen Häuser offen brüskieren würde, selbst diejenigen, die er aus tiefstem Herzen hasste, behandelte er mit scheinbar vollendeter Höflichkeit. Der gesamte Hofstaat hätte vor Schreck den Atem angehalten, wenn er jemals das Zeremoniell übertreten hätte, aber auf subtile Weise konnte er über Anerkennung oder Verachtung eines Besuchers in Undidor entscheiden. Eine um eine Handbreit zu geringe Verbeugung, ein leichtes Stirnrunzeln, eine winzige Verzögerung bei der Nennung des richtigen Titels - zahllose Augen am Hof erhaschten diese Zeichen von Bewerns Unmut. Er musste nicht einmal selbst handeln. Wer seinen Zorn erregte, sah sich einer unendlichen Flut von Unannehmlichkeiten gegenüber: Ein Zimmer in einem weit entfernten Flügel der Burg, ein schlechterer Wein, aber auch verzögerte Audienzen, Nichteinladung zu den königlichen Bällen oder Jagden und natürlich steigende Bestechungsgelder, ohne dass sich Bewern je ein Fehlverhalten nachweisen ließ. Inzwischen hatten sich alle daran gewöhnt, dass niemand an ihm vorbei kam, der bei Hof etwas erreichen wollte.

Als Bewern den Jungen über die Schwelle schob und sich überhöflich verbeugte, wusste Roman sofort, was der Hofmarschall von ihm hielt. Er blickte den beiden entgegen, ohne aufzustehen.

Bewern verbeugte sich noch einmal tief und begann in leidendem Ton zu sprechen: „Verzeiht edler Fürst, dass ich Euch im Augenblick keinen anderen Diener bieten kann, als diesen dreckigen Nichtsnutz. Undidor ist voller Gäste und es ist keine Hand frei. Graf Cargiji war so großzügig, diesen Leibeigenen dem Hof zu überlassen, es ist das einzige, was im Augenblick zu Eurer Verfügung steht. Es ist mir wirklich sehr unangenehm...“

Der Hofmarschall redete weiter und weiter, während der Junge mit gesenktem Kopf daneben stand. Seine Kleidung bestand nur aus Lumpen. Die Hose mochte einmal eine Satteldecke gewesen sein, jetzt reichte sie in Fetzen kaum über die aufgeschlagenen Knie. Über einem Hemd undefinierbarer Farbe trug er eine Weste aus Sackleinen. Überall sah man Flicken und Nähte, einige grob und ungelenk, andere offensichtlich feiner und scheinbar die Arbeit einer Frau, immer erfolglosere Bemühungen, die zerfallenden Kleidungsstücke zusammen zuhalten. Roman stutzte kurz, als er unter dem Hemd eine leichte Aufwölbung wahrnahm. „Er trägt tatsächlich eine Waffe“, dachte er erstaunt und fragte sich, ob dieser Hofmarschall einen Anschlag auf ihn plante. Niemals hätte Roman in Gorderley gewagt, einen Jungen in Tores Alter, er mochte dreizehn oder vierzehn Jahre zählen, zu unterschätzen. In diesem Alter führte ein Knappe bereits das Schwert seines Herrn, aber hier in Brandai waren die Knaben noch Kinder, keine Gegner.

Nein, es war sogar sehr wahrscheinlich, dass Bewern gar nichts von der Waffe wusste. Roman hatte keine rechte Vorstellung von dem Status eines Leibeigenen. Nach dem Verhalten des Hofmarschalls musste es sich um eine Art Sklaven handeln, die vernarbten Knöchel ließen zumindest vermuten, dass er längere Zeit Ketten getragen hatte und auch die Handgelenke wiesen ähnliche Male auf. Es war jedenfalls nicht zu erwarten, dass er überhaupt eine Waffe besitzen durfte!

Noch immer lamentierte Bewern über die mangelnden Qualitäten dieses notdürftigen Dieners, der ob seiner Widerspenstigkeit auch noch ständige Aufsicht und eine harte Hand benötige… Die Situation war grotesk. Außer dem König und dem Prinzen gab es keine ranghöhere Person am Hof als den Fürsten. Ihm stand jeder Diener zu, den er nur wünschte, und niemand wusste das besser als der Hofmarschall. Was also bezweckte er mit diesem Affront?

„Wie heißt du?“

Der Junge schreckte zusammen, als der Fürst ihn ansprach. Dann sah er auf. Sein Mund öffnete sich halb, aber er antwortete nicht. Für einen Augenblick schienen seine dunklen Augen aufzublitzen, dann wurden sie ausdruckslos. Er schluckte und blickte wieder zu Boden.

Bewern hieb ihm die Faust in die Seite, so dass er einen Schritt vorwärts taumelte, aber außer einem Luftschnappen entschlüpfte ihm kein Schmerzlaut. „Antworte dem Fürsten“, befahl der Hofmarschall und versetzte ihm eine schallende Ohrfeige. Während er den Jungen am Nacken gepackt hielt und wie einen nassen Sack schüttelte, sprach er zum Fürsten gewandt weiter: „Die Kröte heißt Tore. Er weigert sich zu sprechen, ein renitenter Nichtsnutz!“ Eine weitere Ohrfeige klatschte in das Gesicht des Jungen, gefolgt von einem Fausthieb, der seinen Kopf herum stieß und die Lippen aufplatzen ließ.

„Warte nur, du Bengel, deine Unverschämtheit werde ich dir schon austreiben. Antworte jetzt, oder ich lasse dich nochmal auspeitschen bis du um Gnade winselst...“ Er hob die Hand zu einem weiteren Schlag, als der Fürst ihn unterbrach: „Ich glaube ich werde allein mit ihm fertig.“

Roman traute kaum seinen Augen, als er sah, wie der Hofmarschall den Jungen schlug. Wenn er jemals einen Funken Achtung für den Hofbeamten verspürt hatte, erstarb dieser mit der ersten Ohrfeige. Ein Diener in Gorderley hatte zwar im Dienste seines Herren kaum Rechte, er trat ihn jedoch zumindest immer freiwillig an. Und wenn er den Zorn seines Herrn erregte, mochten die Strafen oft hart sein, Hunger, Kälte oder auch Schläge durch den Stockmeister, aber niemals würde ein Mann von Ehre sich dazu herablassen, einen so tief unter ihm stehenden Menschen eigenhändig zu verprügeln. Roman versteckte seine Abscheu hinter einem nichtssagenden Gesichtsausdruck. Seine Worte hatten Bewerns Redeschwall unterbrochen. Der Hofmarschall hielt den Jungen, der mühsam versuchte auf den Beinen zu bleiben, noch immer am Nacken fest.

Plötzlich wurde dem Fürsten klar, was die ganze Vorstellung bezwecken sollte.

„Gut. Ich nehme ihn.“

Es war ein Vergnügen anzusehen, wie Bewerns Gesicht förmlich in sich zusammenfiel. Offensichtlich hatte er nicht mit einer solchen Wendung gerechnet. Roman brauchte diese Bestätigung nicht mehr, um ihn zu durchschauen: Man bot ihm zunächst einen indiskutablen Diener an, den er ablehnen sollte. Unter angeblich größten Mühen würde Bewern schließlich einen anderen Diener herbeischaffen, der zweifellos die Ansprüche des Fürsten erfüllen würde. Und diesen konnte er dann kaum noch ablehnen, obwohl er mit Sicherheit ein Spitzel war.

Es störte Roman nicht, überwacht zu werden, es hätte ihn im Gegenteil sehr verwundert, wenn das nicht geschähe, aber doch nicht auf eine solch durchsichtige Weise und schon gar nicht durch diese würdelose Figur von Hofmarschall.

Bewern schluckte. „Ähm., edler Fürst, vielleicht habe ich doch noch einen anderen Diener... ich meine...dieser Bengel..möglicherweise morgen..“

„Bemüht Euch nicht weiter. Er reicht mir. Richtet dem Grafen Cargiji meinen Dank aus“, unterbrach Roman ihn kalt.

Noch einmal öffnete Bewern den Mund, aber er kam nicht dazu, etwas zu sagen.

„Ihr dürft Euch entfernen.“

Bewern wurde blass. Noch niemals hatte jemand gewagt, in dieser Weise mit ihm zu sprechen. Die Worte des Fürsten waren ein glatter Hinauswurf - wusste der Fürst, mit wem er sprach?

Er presste die Zähne zusammen, als er den Fürsten ansah. Roman von Gorderley wusste genau, mit wem er sprach, schlimmer noch, es war ihm offensichtlich vollkommen gleichgültig. Wütend verbeugte sich Bewern und zog sich rückwärts zur Türe zurück. „Es war mir eine Ehre, Euch behilflich zu sein“, quetschte er mühsam hervor, aber er bekam nicht einmal eine Antwort. Aus den Augenwinkeln sah er den Jungen noch immer im Zimmer stehen und musste sich beherrschen, die Türe nicht mit einem Knall hinter sich zuzuschlagen. Er wusste nur zu gut, dass keine Strafandrohung verhindern würde, dass seine klägliche Niederlage in Windeseile in der Burg, nein in ganz Undidor bekannt sein würde.

Als sich die Türe hinter dem Hofmarschall geschlossen hatte, blickte Roman wieder auf den Jungen. Die Nackenmuskeln waren angespannt und das mühsam unterdrückte Zittern der Schultern verstärkte sich, als er näher trat. Mit einer schnellen Bewegung griff er nach dem Gürtel, schob die Weste zur Seite und riss den Gegenstand heraus, der unter dem Hemd versteckt war. Ein erstickter Laut war die einzige Gegenwehr, dann sackte die traurige Gestalt noch mehr zusammen.

Nachdenklich musterte Roman seinen Fund. Man konnte es kaum ein Messer nennen. Der Junge hatte ein Stück Eisenbeschlag an den Kanten abgeschliffen und ein Ende mit Hanf umwickelt. Eine armselige Waffe, die ihn unendliche Stunden Mühe gekostet haben musste, ganz abgesehen von der Gefahr der Entdeckung.

Roman legte das Messer auf den Tisch und wandte sich dem Jungen zu - Tore, korrigierte er sich, der sich nicht von der Stelle bewegt hatte und nun zitterte wie Espenlaub.

„Zieh dein Hemd aus!“

In Tores Welt gab es nicht einmal den Gedanken an Widerstand gegen den Befehl des Fürsten, dennoch begann er quälend langsam, sein Hemd über den Kopf zu streifen. Schließlich stand er wieder da, mit hängenden Schultern und tief gesenktem Kopf, während Roman sprachlos den mageren Oberkörper betrachtete, der mit grünen und blauen Flecken übersät war, Spuren alter und neuer Schläge. Unter dem Schlüsselbein bildeten fünf nebeneinander liegende Striche eine alte Brandnarbe. Die andere Narbe war frischer. Die Haut spannte sich hellrot in Form eines „C“ um die weißlichen Linien des alten Males.

„Und sie nennen uns grausam“, dachte der Fürst verwundert. Er konnte sich kaum vorstellen, was ein Kind verbrochen haben sollte, um solche Strafe zu rechtfertigen.

Seine Stimme war unbewegt, als er befahl: „Dreh dich um!“ Die narbenbedeckte Haut von Tores Rücken hätte einem alten Sklaven gehören können. Es gab keinen Flecken, der nicht mit blutverkrusteten Striemen oder mit den feinen weißen Linien verheilter Auspeitschungen bedeckt war. Einige der rotgeschwollenen, glänzenden Streifen waren so frisch, dass sie noch von diesem Tage stammen mussten.

Tore hatte sich einmal um seine Achse gedreht und wandte dem Fürsten nun wieder den gesenkten Kopf zu. Als Roman an seinen Gürtel griff, zuckte er zusammen und atmete einmal heftig ein.

„Er glaubt wirklich, dass ich ihn schlagen will“, schoss es dem Fürsten durch den Kopf. Er zog seinen Geldbeutel hervor und legte zwei Goldstücke neben das Messer des Jungen auf den Tisch.

„Das ist für den Haushalt in diesem Monat.“

Er griff noch einmal in den Beutel, zog eine Silbermünze heraus und wog sie einen Augenblick in der Hand, bevor er sie zu den anderen warf. „Und dafür kaufst du dir anständige Kleidung und ein Paar Schuhe.“

Tore hob den Kopf gerade genug, um die Münzen auf dem Tisch sehen zu können. Nach kurzem Zaudern machte er einen Schritt vorwärts, und, geduckt wie ein furchtsames Tier noch einen bis er direkt vor dem Fürsten stand. Sein Herz klopfte so stark, dass das Blut sichtbar in den Schläfen pulsierte und er wagte vor Angst kaum zu atmen. Langsam, jeden Moment einen Schlag, einen Stoß, eine wie immer geartete Strafe erwartend hob er die Hand und schob sie über das Geld. Dann hatte er es in der Hand. Er wartete, aber nichts geschah.

Schließlich begann er den anderen Arm auszustrecken, so schneckenhaft und mit furchtsamem Blick durch die schwarzen Haarsträhnen, stets bereit auf das kleinste Zeichen von Unmut hin inne zu halten, dass es eine kleine Ewigkeit dauerte, bis er die Finger um den Griff seines Messers krallte. Hastig riss er die Waffe an sich.

Als wäre Tores Verhalten das normalste der Welt, deutete Roman auf die Türe zur Küche. „Du kannst dir in der Küche einen Schlafplatz suchen. Dort ist auch dein Ausgang. In diesen Räumen hast du dich nur aufzuhalten, um sie sauber zu halten oder wenn ich dich rufe. Und ich erwarte, dass du da bist, wenn ich rufe!“

Er nahm das kaum sichtbare Nicken als Bestätigung. „Geh jetzt und mach deine notwendigen Besorgungen. Und dann wasch dich!“

Unter den letzten scharfen Worten zuckte Tore wieder zusammen. Er presste die Münzen und das Messer wie einen Schatz an die Brust und drehte sich nach kurzem Zögern um. Roman wartete, bis er die Küchentüre erreicht hatte und die Hand auf die Klinke legte.

„Und Tore...“, sagte er gedehnt.

Der Junge fuhr wie unter einem Schlag herum. Mit großen schwarzen Augen blickte er auf den Fürsten, der sich bereits wieder gesetzt hatte.

„Versuche nicht, mich für dumm zu verkaufen.“

Tore schien noch kleiner zu werden. Seine Schultern fielen herab und die Arme hingen ihm leblos an der Seite. Einen Moment lang stand ihm blankes Entsetzten in den Augen, aber der Fürst beachtete ihn nicht mehr. Bebend wandte Tore sich wieder um und zog die Türe hinter sich zu.

Als das Schloss einschnappte, sank er auf der obersten Treppenstufe nieder und versuchte seinen rasenden Herzschlag zu beruhigen. Nach einer Weile öffnete er die geballte Faust und betrachtete die Münzen.

Noch niemals hatte er so viel Geld besessen.

Damit war er frei. Zwei Goldstücke würden ihn bis zur Küste bringen.

Er zitterte bei der Erinnerung an seinen letzten Fluchtversuch. Der Fährmann hatte sich geweigert, ihn über den Fluss zu setzen. Drei Tage hatte er für die Überfahrt arbeiten müssen, und dann waren der Graf und die anderen Ritter erschienen und hatten ihn zurückgebracht.

Diesmal würde er es schaffen. Seine Finger ballten sich um den Schatz.

Plötzlich hielt er inne. Noch durch die geschlossene Türe glaubte er den Blick des Fürsten zu spüren und unwillkürlich duckte er sich.

Als der Hofmarschall ihn an diesem Morgen aus dem Kellerloch holte, in dem er seine letzte Strafe absaß, glaubte er sein Ende besiegelt. Der Fürst, so hieß es, trinke jeden Morgen einen Liter Stierblut und steche jedem, der ihn ansah, eigenhändig die Augen aus. Er konnte zaubern und ihn nur zu seinem Vergnügen in eine Schabe verwandeln und zertreten. Bewern näherte seine Angst noch mit Drohungen, was einen Diener eines Gorderleyritters an Drangsal erwarte und Tore begriff, dass er jetzt fliehen musste, um zu überleben.

Seit er sich erinnern konnte, waren der Gutsverwalter, Graf Cargiji und Bewern göttergleiche Herren gewesen, deren Launen und Grausamkeiten er ausgeliefert war. Er zweifelte gar nicht an ihrem Recht, ihn zu quälen und hatte gelernt, sich zu unterwerfen, um sein armseliges Leben zu retten. Doch diesmal war es anders.

Tore verstand die letzten Worte Gorderleys genauso, wie sie gemeint waren. Der Fürst hatte ihn durchschaut, kannte seine Fluchtgedanken, noch bevor er sie wirklich zu Ende gedachte hatte.

Wie sollte Tore wissen, dass wenig mehr als Beobachtungsgabe dazu gehörte, um sein Verhalten zu deuten. Er, der Sohn eines gehenkten Wilddiebes, wurde bestenfalls übersehen, schlimmstenfalls zu Recht oder Unrecht verprügelt, eine andere Form der Aufmerksamkeit hatte er nie kennengelernt.

Tore begann wieder zu zittern: Sicher hatte der Fürst seine Gedanken gelesen.

Der Graf hatte ihn damals eingefangen und gebrandmarkt wie ein Stück Vieh, doch war das bestimmt harmlos im Vergleich zu dem, was der Fürst mit ihm anstellen würde, wenn er davon lief.

Unglücklich kauerte er sich auf der Treppe zusammen. Es war hoffnungslos!

Aber dann drängte sich ein anderer Gedanke in seinen Kopf.

Noch einmal hörte er, wie der Fürst dem Hofmarschall befahl zu gehen. Und Bewern war gegangen, hatte dem Fürsten weder gedroht noch widersprochen, sondern hatte sich sogar noch respektvoll verbeugen müssen. Von einer Sekunde zur anderen stürzte der Thron, auf dem Bewern für Tore gesessen hatte und darüber erhob sich die Gestalt des Fürsten von Gorderley, der soviel Mut hatte, dem mächtigsten Mann am Hofe Befehle zu erteilen.

Tore richtete sich auf und sah sich in der Küche um. Es gab einen großen Ofen, den eine Holzbank umlief. Vielleicht durfte er dort schlafen. Sein Blick wanderte durch den Raum und ganz allmählich begriff er, dass all der Platz ihm allein gehörte. Schließlich stand er auf und stieg langsam die drei Stufen hinab.

Am Ende dieses Tages saß Tore in der Küche und starrte zur Türe hinauf. Der Fürst war anwesend und er erwartete seinen Ruf, um das Abendessen zu bringen.

Für das Silberstück hatte er ein neues Hemd, eine Weste und eine Hose erstanden, dazu eine Unterhose, Socken und das erste Paar Schuhe seines Lebens, ein paar Riemensandalen mit einer festen Ledersohle. Immer wieder rieb er die Füße auf dem Boden, um sich zu versichern, dass sie kein Traum waren. Er besaß wirklich Schuhe! Am Ende blieben noch vierzig Kupfermünzen übrig. Hin und her gerissen zwischen dem Wunsch, diesen Schatz zu behalten oder für die weiteren Einkäufe zu verwenden, hatte er sie schließlich hinter einem Stein im Ofen verborgen. Jetzt bemühte er sich, nicht einmal an das Versteck zu denken und fürchtete sich gleichzeitig vor dem durchdringenden Blick seines neuen Herrn.

Als die Zeit verstrich, ohne dass der Fürst ihn rief, nahm er schließlich das Tablett mit dem Abendessen und stieg zur Türe hinauf. Noch einmal zögerte er. Der Wortlaut des Befehls klang ihm in den Ohren und er hatte unter Schmerzen gelernt, dass man Befehlen genau zu gehorchen hatte.

Aber wenn er das Essen nicht hinein brachte, würde er dann nicht viel größeren Ärger verursachen?

Mit einem Seufzer öffnete er die Türe und trat einen Schritt in den Wohnraum.

Der Fürst polierte seine Messer und nahm seinen Diener nur mit einem kurzen Aufblicken zur Kenntnis.

Tore stellte das Tablett vorsichtig auf dem Tisch ab und blieb wartend stehen. Der Fürst überflog Brot, Suppe und den Krug mit Wein und musterte dann seinen Diener. „Es gibt einige Dinge, die du dir merken solltest. Ich wiederhole mich nicht gern. Wenn ich einen Befehl gebe, erwarte ich, dass du ihn ausführst. Ich hatte gesagt, du solltest dich waschen. Das bedeutet, dass du anschließend sauber bist, auch deine Haare. Und sieh zu, dass du die Läuse los wirst. Ich will kein Ungeziefer in meinem Haus! Morgen bringst du das Frühstück bei Sonnenaufgang. Reinige meine Stiefel bis dahin.“ Er deutet auf seine Reitstiefel, die staubig neben der Eingangstüre standen. Tore schluckte, nickte schüchtern und zog sich mit den Stiefeln in die Küche zurück. Er verstand seine Welt nicht mehr. Obwohl er gegen die Regeln des Fürsten verstoßen hatte, wurde er nicht bestraft – oder kam das später?

Ratlos fuhr er sich mit der Hand durch die Haare. Jeder hatte Läuse, sie kamen wie andere Plagen auch, irgendwann waren sie eben da. Er hatte keine Ahnung, wie er sie loswerden konnte. Heute Vormittag hatte er sich fast eine halbe Stunde unter dem kalten Wasser der Pumpe im Hof abgeschrubbt, aber das reichte niemals, um das Ungeziefer zu entfernen. Ob er sich die Haare ganz und gar abrasieren musste? Tore schauderte bei dem Gedanken: Es würde ihm das Aussehen eines Mörders geben, denen schor man die Haare vor der Hinrichtung. Er kratzte sich am Kopf und betrachtete unglücklich die Ränder unter seinen Fingernägeln. Dann kniete er entschlossen vor dem Herd und entfachte das Feuer. Wenn sein neuer Herr es so wollte, würde er sich waschen und bürsten, bis seine Haut rot war, diesmal mit heißem Wasser. Der Fürst sollte keinen Grund mehr zur Klage über seinen Diener haben.

Es war ein glücklicher Winkelzug des Schicksals, der Tore zu Romans Diener bestimmt hatte. Wohl niemand anderes entsprach besser den Ansprüchen und Gewohnheiten des Fürsten. Tores Vorfahren gehörten seit Jahrhunderten dem unfreien Stand an, und die gesellschaftlichen Strukturen, die sein Leben bestimmten, hatten dafür gesorgt, dass er sich seiner Rechtlosigkeit vollkommen bewusst war.

Der Graf hatte dies ausgenutzt, um ihn mit unmöglichen Befehlen in ein Netz von Bestrafungen zu verstricken.

Der Fürst tat nichts dergleichen.

Tores Furcht vor seinem neuen Herrn begann in den ersten Tagen seines Dienstes nachzulassen. Der Fürst benahm sich keineswegs, wie es die Geschichten schilderten, im Gegenteil schien er weniger anspruchsvoll und launisch zu sein, als irgendeiner seiner anderen Herren. Tore wurde nicht geschlagen und der Fürst schien ihn wider Erwarten auch nicht quälen und demütigen zu wollen. Zum ersten Mal seit er sich erinnern konnte, heilten die Striemen auf seinem Rücken ab, ohne dass neue hinzukamen.

Als der Fürst ihn jedoch eines Morgens in den Schlafraum rief, reichte der drohende Ton seiner Stimme, um Tore zum Zittern zu bringen. Sein Herr deutete auf die Schale, in der er sich morgens wusch. Erschrocken starrte Tore auf eine dünne Schmutzlinie unterhalb der Kante und ihm fiel siedendheiß ein, dass er am Vortag vergessen hatte, die Schüssel zu reinigen.

„Jetzt schlägt er mich tot“, schoss es ihm durch den Kopf und Bewerns Schilderungen malten ihm blutige Bilder vor die Augen.

„Mach das sauber“, befahl der Fürst streng, „und dann wirst du diesen Raum säubern, und anschließend die Küche. Und dann den Keller. Ich glaube nicht, dass du bis morgen früh für etwas anderes Zeit haben wirst. Und mach die Türe zu, wenn du unten bist.“

Eine Welle panischen Entsetzens überrollte Tore. Er konnte noch nicht einmal Nicken. Roman musterte seinen Diener kurz und winkte ihn dann wortlos hinaus. Tore schleppte sich in die Küche. „Wie kann er das wissen?“, rasten seine Gedanken, aber tief im Inneren kannte er ja die Antwort: Der Fürst wusste alles. Man konnte nichts vor ihm verbergen.

Er schniefte und betrachtete die Schüssel. Dann machte er sich daran, sie sauber zu schrubben. Anschließend fegte und wischte er das ganze Schlafzimmer auf. Er wollte nicht daran denken, was ihm dann bevorstand. Die Stube reinigte er bis in den letzten Winkel, bis nirgendwo ein Staubkörnchen zu finden war, sogar die Ritzen zwischen den Bohlen kratzte er aus, so dass es Mittag wurde, bis er sich der Küche zuwandte. Sorgfältig reinigte er jede Fuge zwischen den Steinfliesen, schabte stundenlang eingebrannte Fettreste von dem Rand des Herdes und rieb solange auf den Steinen des Kamins herum, bis der Ruß sich tatsächlich ablöste und die blassgraue Farbe des ursprünglichen Gemäuers zum Vorschein kam. Es war niemals wirklich schmutzig in der Küche gewesen, aber nun glänzte sie und der Geruch scharfer Seife hing in allen Winkeln.

So wurde es wurde später Nachmittag, bis Tore nichts mehr fand, was zu reinigen war. Müde setzte er sich einen Augenblick hin und starrte auf die Klappe zum Keller.

Es gab dort einen kurzen Gang. Den Raum am Anfang hatte er notgedrungen schon häufiger betreten, dort lagerte er die Vorräte und den Wein des Fürsten. Der andere Keller lag weiter hinten. Seine Türe besaß kräftige Riegel auf der Außenseite und eignete sich bestimmt gut zum Einsperren von Gefangenen. Oder ungehorsamen Dienern.

Es war sehr dunkel dort. Einmal hatte er sich mit einer Lampe bis zu dem Raum vor gewagt, aber sein Mut reichte nicht, einen Blick hinein zu werfen.

Nicht seit DER NACHT.

Tore pumpte im Hof einen Eimer voll Wasser und warf die Seife hinein. Der Hals wurde ihm eng, als er die Kellerklappe öffnete und auf die oberste Holzstufe trat. Noch einmal hielt er inne und schloss die Augen. Plötzlich wünschte er sich von ganzem Herzen, der Fürst hätte ihn verprügelt, oder ausgepeitscht, getreten oder gewürgt. All das hatte er schon oft ertragen und so sehr er jedes mal gelitten hatte, schien ihm alles besser, als das, was der Fürst ihm jetzt auferlegte. Als Roman den Befehl gab, hatte er zunächst nichts weiter dabei gedacht, als das eine Nacht im Keller für einen Jungen in Tores Alter noch unheimlich genug sein würde, um als Strafe aufgefasst zu werden. Das Entsetzten, das er auslöste, legte er in seinem Gedächtnis bei den anderen Dingen ab, die er schon über Tore wusste und betrachtete es als heilsame Lektion. Der Junge würde sich kaum noch einmal Nachlässigkeit zuschulden kommen lassen, falls er diese Nacht heil überstand.

Tore stieg die Treppe hinab. Der Fürst hatte nicht zu betonen brauchen, dass er keine Lampe mitnehmen durfte. Das Tageslicht erhellte den flachen Gang kaum bis zum ersten Keller. Er biss sich auf die Lippen und schleppte den Eimer weiter in die Dunkelheit. Mit bebenden Fingern zog er die schwere Holztür auf und schlüpfte in den Raum. Dann blieb er stocksteif stehen. Bis jetzt hatte er jeden Gedanken darauf gerichtet, etwas zu tun. Aber nun umfing ihn muffige Stille und er hörte nur das überlaute Schlagen seines eigenen Herzens. Er machte noch einen Schritt und warf sich mit einem Schrei zu Boden, als etwas sein Gesicht streifte. Schützend hielt er die Arme über den Kopf und wagte nicht, sich zu rühren. Nach einiger Zeit begannen sich seine weit aufgerissenen Augen an die Dunkelheit zu gewöhnen. Es gab keine Kellerlöcher nach draußen, aber durch die offene Türe drang ein matter Schein Tageslicht herein und ließ schemenhaft den Umriss des Rahmens erkennen.

Er musste die Türe schließen.

Der Befehl des Fürsten war der einzige klare Gedanke in Tores Kopf. Er rutschte auf allen Vieren zur Tür und zögerte noch einmal: Der sonst so dunkle Kellergang schien ihm plötzlich hell erleuchtet. Er schluchzte und drückte gegen die Bohlen. Die Scharniere waren gut geölt und es gab nur einen leisen Rumpler, als die Tür in den Rahmen fiel.

Jetzt war es stockdunkel. Tore sank an der rauen Wand zu Boden und zog die Beine an. Dieser Raum war größer als das Loch, in das man ihn in DER NACHT eingesperrt hatte. Aber das half nichts. Die Bilder kamen wieder und mit den Bildern die Angst. Er wollte nicht weinen, damals hatte er sich geschworen, nie wieder zu weinen, aber nun begannen die Tränen zu rollen und er legte den Kopf auf die Knie.

Er war davongelaufen. Es war die Flucht eines zehnjährigen Kindes, und sie dauerte nur einen Tag, dann fand ihn einer der Ritter des Grafen im Wald, und brachte ihn zurück.

Damals weinte er noch und bat um Gnade.

Graf Cargiji hasste Widerspenstigkeit. Tores Vater war wegen Wildfrevel gehängt worden, desgleichen der Bruder. Und Tore schien den frechen Geist der Familie ebenfalls in sich zu tragen.

Sie waren Leibeigene der Cargiji seit Jahrhunderten. Manche Rechte nutzen sich im Laufe der Zeit ab. Nicht überall litten die Unfreien unter ihren Herren. Aber Graf Cargiji führte seine Untergebenen mit harter Hand und pochte auf jedes einzelne seiner Feudalrechte. Ein Leibeigener, der ohne Erlaubnis die Güter seines Herrn verließ, war vogelfrei. Jeder konnte ihn straflos erschlagen. Fing man ihn ein, war er der Gnade seines Herrn ausgeliefert.

Tore war nicht einfach geflohen. Vorher hatte er von dem kandierten Obst des Grafen genascht. Es war unwichtig, dass Tore zehn Jahre alt war und seit Tagen nichts gegessen hatte. Bis der Graf sein Urteil fällte, steckte man in in einen Kellerraum, weit genug von den Küchengewölben entfernt, dass kein Geräusch mehr dorthin drang und auch keines heraus.

Tore wusste nicht, wie lange er dort blieb, für ihn würde es immer DIE NACHT sein, endlos, schwarz. Er schrie und weinte und flehte bis keine Worte mehr in ihm waren und er in einsamer Panik in der Dunkelheit hockte. Aber am schlimmsten waren die Ratten. Er fand das Loch im Boden, aus dem sie kamen, aber als er es zuhalten wollte, bohrten sich feine Zähne in seine Hand. Sie taten ihm nichts weiter, aber er spürte die kleinen Krallen auf seinen Beinen und dachte an die furchtbaren Wintergeschichten, in denen es hieß, Menschen seien von ihnen aufgefressen worden.

Als man ihn aus dem Keller herausholte, sprach er kein Wort, selbst als ihm die fünf Finger einer stehlenden Hand in die Brust gebrannt wurden, wehrte er sich zwar verzweifelt, doch kein Schrei kam über seine Lippen. Er sprach überhaupt nicht mehr und das wurde eine weitere Quelle von Strafen und Demütigung.

Tores Tränen flossen lange, aber irgendwann ließen sie doch nach. Er versuchte, die Türe zu erkennen. Langsam passten sich seine Augen der Lichtlosigkeit an und er erkannte am Boden einen schmalen helleren Streifen.

Der Streifen würde verschwinden und morgen früh wiederkommen, und dann durfte er hinaus. Es kam Tore nicht in den Sinn, dass er ja nicht im Mindesten eingesperrt war. Für ihn versiegelte der Befehl des Fürsten den Ausgang sicherer, als es jedes Schloss vermocht hätte.

Er tastete sich zu dem Eimer und begann den Boden zu wischen. Einige Male zuckte er mit einem Aufschrei zusammen, wenn unsichtbare Spinnweben sein Gesicht streiften wie Geisterflügel, aber die Arbeit half ihm, seine Angst zu kontrollieren und die Zeit zu vergessen. Irgendwann verblasste der Lichtstreif. So schwach er gewesen war, verging mit ihm Tores letzte Verbindung zur Außenwelt und die Dunkelheit hüllte ihn ein. Zitternd drückte er sich ein eine Ecke des Kellers und lauschte dem Knacken und Wispern des Gewölbes. In dieser Nacht schlief er nicht.

Schließlich hielt er es nicht mehr aus und schob die Türe auf. Der Kellergang lag noch in tiefer Dunkelheit. Leise schlich er sich die Treppe hinauf. Auch die Küche war dunkel. Er lugte aus dem Fenster und erkannte zu seiner Erleichterung im Osten die beginnende Dämmerung.

Aber noch war die Nacht nicht vorbei.

Nach einem kurzen inneren Kampf, schlüpfte er zurück in den Keller. Wieder überfiel ihn ein Schweißausbruch, als er die Türe zuzog. Niemals würde er sich daran gewöhnen. „Nur eine halbe Stunde“, flüsterte er vor sich hin, „nur noch eine halbe Stunde.“

Er zählte, aber nach vierzig Zählern wusste er nicht weiter. Er sagte in Gedanken die Namen aller Menschen auf, die er kannte, dann alle Gemüsesorten und schließlich zählte er alle Feier- und Festtage des Reiches auf.

Schließlich fiel ihm nichts mehr ein und er starrte in die Dunkelheit bis er es nicht mehr aushielt.

Diesmal färbte sich der Horizont orange und kündete von einem neuen Morgen.

Das war in der ersten Woche gewesen. Ein weiteres Mal erregte er den Unmut des Fürsten, als er seinen Ruf überhörte, bis sein Herr höchstselbst in die Küche kam. Zur Strafe musste Tore auf dem Treppenabsatz schlafen, um seine Achtsamkeit zu schulen. Das war zwar hart und unbequem und er war er froh, als sein Herr ihm nach zwei Tagen wieder den Platz auf der Ofenbank erlaubte. Seitdem lauschte er wie ein Luchs auf jedes Geräusch aus der Stube und wenn der Fürst anwesend war, traute er sich nicht einmal in den Keller, um nur ja keinen Ruf zu verpassen.

Der Fürst war keineswegs ein einfacher Herr, und ein gutmütiger schon gar nicht, das lernte Tore in den folgenden Monaten. Nur beurteilte er offenbar die Handlungen seines Dieners nach eigenen Maßstäben und seine Erziehungsmethoden waren verschieden von dem, was in Undidor üblich war. Tore verbrachte manche Tage damit, Wände und Steine des Innenhofes abzukratzen, nachdem er eines Morgens verschlafen hatte, oder der Fürst verbot ihm für einen Tag zu schlafen oder etwas zu essen. Wenn er sehr verärgert war, schickte er Tore zu Bewern, damit er zur Arbeit am Hof eingesetzt wurde und der Hofmarschall ließ sich die Gelegenheit nicht entgehen, Tore zu schikanieren, so dass er selten ohne Blutergüsse und Striemen von diesen Einsätzen in das Haus des Fürsten zurückkehrte. Die schlimmste Strafe war jedoch, zum Dienst in die Große Halle geordert zu werden. Sobald sein Herr, Graf Cargiji, ihn dort bemerkte, folgte eine schier endlose Kette von Demütigungen und Strafen über den langen Abend hinweg. Und auch nach solch einer schlaflosen Nacht, musste er natürlich pünktlich und gewissenhaft seine Morgenarbeiten versehen, um den Fürsten nicht erneut zu verärgern.

Roman von Gorderley verlangte von Tore, was in seiner Heimat selbstverständlich war, vollkommene Dienstbereitschaft. Dass ein vierzehnjähriger Brandai dem nicht immer nachkommen konnte, war ihm genauso klar, wie die Notwendigkeit, ihn durch Strenge und Strafe soweit zu erziehen, dass er schließlich den Anforderungen entsprach.

Tore arbeitete hart, stets mit der Furcht im Nacken, seinen Herrn nicht zufriedenzustellen. Obwohl der Fürst unerreichbar rätselhaft war, brachte er doch eine bisher nie gekannte Sicherheit in sein Leben: Wenn Tore seinen Anweisungen nach kam, wurde er nicht weiter beachtet. Tat er es nicht, erhielt er eine angemessene Strafe und die Sache war ebenfalls aus der Welt. Doch stets ließ die Behandlung des Fürsten Tore seine Würde, etwas, von dem er bisher nicht einmal geahnt hatte, es zu besitzen. Es gab keine Willkür seinen Befehlen und so begann Tore sich zum ersten Mal in seinem Leben an einem Ort heimisch zu fühlen. Mit der Zeit wurde seine Angst vor dem Fürsten von einer anderen ersetzt: Von ihm wieder zum Hofmarschall oder gar zum Grafen zurückgeschickt zu werden.

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