Читать книгу Vier Pfoten unterm Weihnachtsbaum - Petra Schier - Страница 10
Оглавление5. Kapitel
»Wo ist denn Ruprecht heute?«, fragte Lukas und sah sich neugierig auf dem Parkplatz vor dem Fußballstadion um.
Tom schloss gerade die Tür zum Eingang des Vereinshauses auf. »Ich hab ihn heute zu Hause gelassen.«
»Oh, schade.«
Lächelnd drehte Tom sich um und musterte das enttäuschte Gesicht des Jungen. »Hör mal, Lukas, ich hätte da eine Bitte an dich.«
»Was denn für eine Bitte?« Sichtlich desinteressiert zuckte Lukas mit den Achseln.
»Ich wollte dich fragen, ob du nicht Lust hättest, dich zwei oder dreimal in der Woche nachmittags für eine oder zwei Stunden um Ruprecht zu kümmern, während ich mich auf den Unterricht vorbereite.«
Der Kopf des Jungen ruckte hoch. »Echt? Ich meine, ich darf... ich soll ...« Ein Strahlen trat in seine Augen. »Musst du auch Hausaufgaben machen wie ich?«
Leon schmunzelte. »So in der Art, ja. Ein Lehrer muss sich auch vorbereiten. Und du wärest mir wirklich eine große Hilfe. Natürlich nur, wenn deine Mutter damit einverstanden ist.«
»Ist sie, ist sie!« Erregt hüpfte Lukas auf und ab. »Sie hat mir gesagt, ich soll dich fragen, ob ich nicht mal mit Ruprecht spazieren gehen darf.«
»So, hat sie das?«
»Ja, weil wir doch in so einer kleinen Wohnung wohnen und ich keinen eigenen Hund haben darf.«
»Du wünschst dir einen Hund?«
»Und wie!«, rief Lukas. »Ich will unbedingt einen haben, aber Mama sagt, das geht nicht.«
»Wahrscheinlich hat sie recht. Ein Hund braucht viel Platz zum Laufen und Spielen.«
»Ich weiß.« Kurz ließ Lukas wieder den Kopf hängen, hob ihn aber gleich wieder. »Hast du ein großes Haus?«
Tom lachte. »O ja, größer als ein Mann alleine eigentlich braucht. Und einen großen Garten. Ich wohne draußen am Stadtrand.« Er nannte Lukas die Adresse. »Wenn du magst, komm doch einfach morgen Nachmittag so gegen drei zu mir.«
»Ich frag Mama, ob ich darf«, jubelte Lukas begeistert.
»Sollte es doch nicht klappen, kannst du mich ja anrufen«, schlug Tom vor. »Meine Nummer steht im Telefonbuch.«
»Es muss klappen«, sagte Lukas im Brustton der Überzeugung. »Ganz bestimmt!«
***
»Ach bitte, Mama, ich hab’s Tom versprochen!«
»Lukas, es geht nicht. Ich kann hier jetzt nicht weg.« Bedauernd schüttelte Tessa den Kopf. »Wir können doch nicht einfach den Laden schließen.«
»Ich will aber so gerne zu Ruprecht. Du hast gesagt, ich darf mit ihm spielen, wenn Tom es erlaubt!«
Seufzend strich Tessa ihrem Sohn übers Haar. »Ich weiß, was ich gesagt habe. Aber ausgerechnet heute ...«
»Hör mal, Tessa, ich hätte da eine Idee.« Ihr Freund und Angestellter Pierre trat zu den beiden. In der Hand hielt er einen sorgfältig in Papier verpackten Blumenstrauß von enormen Ausmaßen. »Ich muss doch sowieso raus vor die Stadt zu diesem Bauernhof, um den Geburtstagsstrauß abzuliefern. Also könnte ich Lukas mitnehmen und am Haus seines Trainers absetzen. Und nach Ladenschluss holst du ihn dann wieder ab.«
»Au ja!«, rief Lukas. »Bitte, Mama!«
»Wir schließen erst um sieben«, wandte Tessa ein. »Das ist viel zu lang. Du kannst nicht ganze vier Stunden dort bleiben.«
»Dann fahre ich mit dem Bus zurück«, schlug Lukas vor. »Ich weiß, wie das geht.«
»O nein, das machst du nicht. Besser wäre es ...«
»Vielleicht kann dein Trainer dich ja zurückfahren«, sagte Pierre. »Oder ich hole dich ab. Ich mache doch sowieso früher Feierabend.«
Tessa schüttelte den Kopf. »Das kann ich wirklich nicht von dir verlangen.«
»Warum denn nicht?«
»Du hast bestimmt schon etwas anderes vor.«
»Tessa, Schätzchen, siehst du nicht, wie sehr dein Sohn darauf brennt, zu diesem Hund zu kommen?« Pierre zwinkerte ihr zu und tätschelte ihren Arm. »Tun wir ihm doch den Gefallen. Und heute Abend ist bei uns sowieso nur gemütlicher Heimkino-Abend vorgesehen. Ich koche, und Roland bringt den Wein und einen rührseligen Film mit.«
»Siehst du, du hast ein Date!«, protestierte Tessa.
Pierre grinste breit und fuhr sich mit gespreizten Fingern durch sein kurzes braunes Haar. »Wenn du es so nennen willst. Aber immerhin sind wir schon über ein halbes Jahr zusammen. Da wird Roland es schon verschmerzen, wenn ich eine halbe Stunde später zu Hause bin. Weißt du was, ich nehme Lukas jetzt mit.« Er blickte auf seine Armbanduhr. »Und zwar schnell, denn sonst kommen die Blumen zu spät beim Kunden an. Und dann frage ich seinen Trainer, ob er ihn zurückbringen kann. Falls nicht, spiele ich heute mal Taxi.« Ehe Tessa noch einmal widersprechen konnte, winkte Pierre ihrem Sohn schon, ihm zu folgen. »Komm, Lukas, wir müssen los. Mach nicht so ein Gesicht, Tessa. Ich tue das gerne. Wozu sind Freunde denn sonst da?« Und schon waren die beiden zur Tür hinaus.
Seufzend blickte Tessa ihnen durch das große Schaufenster nach. Pierre war wirklich ein Schatz. Manchmal fragte sie sich, was sie wohl ohne ihn getan hätte. Sie hatte ihn damals auf der Berufsschule kennengelernt, als sie nach Lukas’ Geburt mit einer Ausbildung begonnen hatte. Er war ein paar Jahre jünger als sie, aber dennoch hatten sie sich vom ersten Tag an gut verstanden. Und als sie diesen Laden hier in der Stadt gekauft hatte, war er, ohne zu zögern, als ihr Assistent mit eingestiegen. Manchmal bedauerte sie, dass er so gar kein Interesse an Frauen hatte, denn sonst wäre er wohl der ideale Partner gewesen. Andererseits war die Freundschaft, die sie mit ihm verband, weitaus stabiler und dauerhafter, als es eine Liebesbeziehung wohl je hätte sein können.
Da in diesem Moment ein Kunde den Laden betrat, riss sich Tessa entschlossen von ihren Grübeleien los und setzte ein zuvorkommendes Lächeln auf. »Guten Tag!«, sagte sie betont freundlich zu dem älteren Herrn. »Womit kann ich Ihnen dienen?«
***
»Das war echt toll heute«, schwärmte Lukas und rutschte auf dem Rücksitz von Toms Wagen hin und her. »Ruprecht ist so ein cooler Hund.«
Tom lächelte. »Er scheint dich ja sehr zu mögen. Und bei dir gehorcht er auch viel besser als bei mir.«
»Wirklich?«
»Wenn ich es sage. Bei mir stellt er dauernd irgendwelchen Unsinn an.«
Lukas kicherte. »Er ist doch total lieb!«
Als Tom vor dem Blumenladen parkte, rutschte Lukas ein Stück nach vorne. »Komm doch noch mit rein. Dann kannst du auch mal meine Mama kennenlernen.«
Tom wusste, dass es kindisch war, dennoch wehrte er ab. »Sie ist bestimmt sehr beschäftigt. Ich will nicht stören.«
»Ach, komm.« Lukas setzte ein engelhaftes Lächeln auf. »Nur Hallo sagen. Ich weiß gar nicht, was ihr Erwachsenen immer habt. Mama will auch nie mit zum Training kommen, damit sie dich nicht trifft.« Fast schon lauernd blickte er Tom an.
Sein Trainer merkte auch sofort auf. »Tatsächlich? Warum denn das?«
Lukas’ Lächeln verbreiterte sich zu einem Grinsen. »Weil ich ihr gesagt habe, wie nett du bist.«
»Ah ja?«
»Und dass du keine Frau hast.« Lukas zögerte. »Du hast doch keine Frau, oder?«
Beinahe hätte Tom sich verschluckt. »Äh, nein, habe ich nicht. Aber hör mal, Lukas ...«
»Dann ist es ja gut. Komm schon, ich hab sie extra mit dem Handy angerufen und Bescheid gesagt, dass du mit reinkommst.«
»Lukas?« Bevor der Junge aus dem Auto springen konnte, hielt er ihn am Ärmel fest. »Hast du etwa vor, uns zu verkuppeln?«
Wieder grinste Lukas nur; im nächsten Moment war er draußen.
Ergeben seufzend folgte Tom ihm und fragte sich dabei, ob es tatsächlich schon so schlimm um ihn stand, dass sogar kleine Jungen sich befleißigt sahen, ihm ein Date zu verschaffen, oder ob das nur ein Trick dieser Frau war, um auf sich aufmerksam zu machen.
Er beschloss, wirklich nur kurz Hallo zu sagen und sich dann gleich wieder zu verdrücken. Auf keinen Fall würde er sich in die Wohnung bitten lassen. Er hatte einfach kein Interesse, weder an alleinstehenden Müttern, noch an sonst irgendwelchen Frauen, auch wenn sie ganz offensichtlich viel Geschmack und Kreativität besaßen, wie er mit einem Blick auf das fantasievoll und ansprechend gestaltete Schaufenster des Blumenladens feststellte. Die einzige Frau, die es jemals geschafft hatte, seine volle Aufmerksamkeit zu fesseln, hatte er vor vielen Jahren verloren. Und solange er jede andere mit dem Bild von ihr verglich, dass er auch heute noch im Herzen trug, war an eine neue Beziehung gar nicht zu denken.
Lukas hatte inzwischen die Tür zu dem schmalen Seiteneingang des renovierten Fachwerkhauses geöffnet und war im Innern verschwunden.
Nur, um dem Jungen einen Gefallen zu tun, folgte Tom ihm in den Hausflur, von dem aus eine Tür zum Laden und eine Treppe zu der Wohnung im oberen Geschoss führten. Als Toms Blick zufällig auf den schwungvollen Namenszug auf dem altertümlichen Briefkasten fiel, der neben der Treppe hing, hatte er das Gefühl, jemand habe ihm eine Faust in den Magen gerammt.