Читать книгу Vier Pfoten unterm Weihnachtsbaum - Petra Schier - Страница 8
Оглавление3. Kapitel
»Wirst du wohl die Banane wieder hergeben!«, schimpfte Tom und versuchte, den quirligen Ruprecht an der Leine zu sich heranzuziehen. Der Hund hüpfte jedoch so fröhlich mit seiner Beute auf und ab, dass es Tom nicht gelang, sie ihm wieder abzunehmen. »Das war mein Essen«, grummelte Tom und gab es auf.
Ruprecht ließ sich auf sein Hinterteil sinken, legte die Banane vor sich ab und machte dann mit einem freundlichen Hundelächeln Männchen.
Wider Willen musste Tom lachen. »Nein, vielen Dank, mein Freund. Jetzt darfst du sie behalten. Hast ja sowieso schon hineingebissen.«
»Hi, Tom«, hörte er hinter sich zwei Jungenstimmen rufen. Als er sich umdrehte, kamen die beiden auf ihn zugerannt. Er lächelte. »Hi, Mario, hi, Lukas. Ihr seid ja früh dran heute. Alles klar?«
»Alles klar«, rief Mario. »Ich geh mich schon mal umziehen. Kommst du mit, Lukas? Wenn wir uns beeilen, können wir schon vor den anderen auf dem Platz sein.«
»Ja, gleich.« Im Gegensatz zu Mario blieb Lukas neugierig stehen, als er den Hund erblickte. »Ist das deiner?«, fragte er Tom, woraufhin dieser nickte.
»Ja, seit heute. Er hat meiner Mutter gehört, aber sie ist umgezogen und darf jetzt in der neuen Wohnung keine Hunde halten.«
»Wie gemein«, befand Lukas und beugte sich zu Ruprecht hinab. »Der ist aber süß.«
»Allerdings«, antwortete Tom grimmig. »Und ganz schön frech. Er hat meine Banane geklaut.«
»Echt?« Lukas kicherte. »Ich wusste gar nicht, dass Hunde Bananen fressen. Darf ich ihn streicheln?«
»Sicher, er beißt nicht.«
Sofort ging Lukas in die Hocke und strich dem kleinen Terrier über den Kopf. »Er sieht lustig aus mit der weißen Nase und den braunen Flecken um die Augen. Wie heißt er denn?«
Tom ging ebenfalls in die Hocke. »Ruprecht, wie der Knecht Ruprecht.«
»Das ist aber ein komischer Name.«
Tom lachte. »Ich weiß. Meine Mutter hat ihn so genannt, weil sie ihn genau am Nikolaustag vor vier Jahren als Welpen aus dem Tierheim geholt hat.«
»Warum hat sie ihn dann nicht Nikolaus genannt?«, wollte Lukas wissen.
In diesem Moment sprang Ruprecht mit einem auffordernden Bellen auf und sprang den Jungen an, sodass dieser vor Überraschung hintenüber kippte und auf dem Hosenboden landete. Ruprecht hüpfte auf seinen Bauch und schleckte ihm mehrmals übers Gesicht, bis Lukas laut lachte.
»He, he, Schluss jetzt, du Frechdachs«, schimpfte Tom und zog Ruprecht an der Leine von dem Jungen herunter. Dann reichte er Lukas die Hand und half ihm aufzustehen. »Ich schätze, deshalb hat sie ihn so genannt. Ein Nikolaus würde so was bestimmt nicht tun.« Er blickte sich um, als noch weitere Jungenstimmen laut wurden. »Da kommen die anderen. Los, geht euch umziehen. Das Training fängt pünktlich an.«
»Okay.« Lukas warf dem kleinen Hund noch einen sehnsüchtigen Blick zu. »Darf ich nach dem Training noch ein bisschen mit ihm spielen?«
Tom nickte ihm zu. »Vielleicht. Wenn es deinen Eltern nicht zu spät wird.«
»Nö.« Lukas schüttelte den Kopf. »Marios Papa holt uns doch immer ab. Er hat bestimmt nichts dagegen.«
Als Tessa das Auto vorfahren hörte, zog sie rasch die Töpfe von den Kochplatten, schaltete den Herd ab und wischte sich die Hände an einem Küchenhandtuch ab. Normalerweise kochte sie abends nicht, doch nachdem sie Lukas schon nicht den Gefallen hatte tun können, mit ihm zum Training zu fahren, hatte sie kurzerhand beschlossen, ihm wenigstens sein Lieblingsessen – Spaghetti Carbonara – zuzubereiten. Ihr Mitarbeiter und bester Freund, Pierre Roussel, hatte vor einer halben Stunde den Laden unten abgeschlossen und war nach Hause gegangen. Sie rechnete es ihm hoch an, dass er Überstunden gemacht hatte, damit sie ihrem Sohn eine Freude bereiten konnte. Die Lohnabrechnung würde sie nach dem Essen fertigstellen.
Sie hörte bereits die Schritte ihres Sohnes auf der Treppe poltern, und kaum hatte sie die Wohnungstür geöffnet, da wirbelte er auch schon herein und warf seinen Rucksack schwungvoll in die Ecke unter der Garderobe. »Hey, Mama! Heute war es sooo toll beim Training«, schwärmte er. »Du hast echt was verpasst. Tom hatte seinen neuen Hund dabei. Ein Jack Russell. Der ist total süß und witzig und kann sogar Kunststücke. Und dann haben wir zwei neue Spielzüge geübt. Ich hab drei Tore geschossen. Aber der Hund war so witzig. Er hat Toms Banane geklaut. Wusstest du, dass Hunde Bananen mögen? Nach dem Training durfte ich noch mal mit ihm spielen und dann ...« Mitten in seinem Redeschwall hielt er inne und schnüffelte. Seine Augen wurden kugelrund. »Hast du Spaghetti Carbonara gemacht?«
Tessa lächelte über sein verblüfftes Gesicht. »Ja, Schatz, extra für dich.«
»Yeah!«, schrie er begeistert auf und wollte in die Küche stürmen.
Tessa bekam ihn gerade noch am Ärmel seines Sweatshirts zu fassen. »Halt, mein Freund. Erst Hände waschen!«
»Okay.« Wie der Blitz rannte Lukas ins Bad. Erst jetzt merkte Tessa, dass Marios Vater in der Wohnungstür stand und sie lächelnd anblickte.
»Entschuldigung, Herr Marbach.« Rasch trat sie auf ihn zu. »Wenn es um Spaghetti Carbonara geht, ist er nicht zu halten.«
»Das kommt mir irgendwie bekannt vor«, antwortete er grinsend. »Bei uns löst das magische Wort Spaghetti-Pizza ähnliche Begeisterungsstürme aus. Aber sagen Sie doch bitte Leon. Wir kennen uns doch schon lange genug, nicht wahr? Und dann können wir auch gleich zum Du übergehen, finde ich.« Er zwinkerte ihr zu.
»Also gut, wie Sie ... äh ... wie du meinst.« Tessa nickte.
»Lukas wird dir vermutlich den ganzen Abend mit dem Hund in den Ohren liegen. Er war auf dem Heimweg kaum zu beruhigen. Tom hat ihn heute von uns abgeholt und mit zum Training genommen, weil er ihn nicht gleich am ersten Abend allein lassen wollte.« Als Leon Tessas verständnislose Miene sah, erklärte er: »Der Hund – Ruprecht heißt er – gehörte meiner Tante, Toms Mutter. Sie ist umgezogen und kann ihn nicht behalten, deshalb hat er ihn jetzt zu sich genommen. Für den Übergang war der Hund bei uns, und wir hätten ihn auch gern behalten, aber du weißt ja, dass Hannah im achten Monat schwanger ist. Und wir haben ja schließlich schon einen Hund. Mario und Paula waren zwar ein bisschen enttäuscht, dass wir Ruprecht wieder weggegeben haben, aber ich denke, so ist es besser.«
Tessa nickte. »Ich verstehe. Dann bist du also mit Tom verwandt.«
»So ist es. Er wohnt aber noch nicht lange hier in der Stadt. War vorher viel unterwegs und hat dann in Köln studiert. Jetzt ist er Sportlehrer hier am Gymnasium.«
»Lukas hat mir schon so etwas erzählt«, sagte Tessa. »Leider hatte ich bisher noch keine Gelegenheit, ihn kennenzulernen. Dabei schwärmt Lukas in den höchsten Tönen von ihm.«
»Ach, tatsächlich?« Leon lachte. »Na, Tom ist auch wirklich in Ordnung. Warum kommst du nicht beim nächsten Mal einfach mit zum Training? Hannah lässt übrigens fragen, ob du bei den Vorbereitungen für die Weihnachtsfeier des Sportvereins mithelfen möchtest. Sie sucht noch ein Opfer, das mit ihr zusammen Plätzchen backt.«
»Warum nicht?« Tessa lächelte. »Meine Plätzchen sind berühmt.«
»Ach ja?«
»Ihr werdet schon sehen.«
»Schön, dann sage ich Hannah Bescheid. Sie wird dich dann anrufen, okay?«
»Gern. Ich könnte auch ...«
»Mama, komm endlich. Ich hab Hunger!«
Wieder lachte Leon. »Es scheint, als müsstest du jetzt erst mal die Raubtierfütterung hinter dich bringen. Unten im Auto sitzt noch so ein gefräßiges Kind. Ich hoffe, Hannah ist schon zu Hause. Sie hatte noch einen späten Arzttermin und wollte danach Paula vom Schwimmtraining abholen. Ich habe nämlich besagte Spaghetti-Pizza im Ofen warmgestellt.«
»Na dann guten Hunger. Viele Grüße an Hannah.«
Leon hob noch einmal kurz die Hand zum Gruß und verließ mit großen Schritten das Haus.
Tessa ging ihm rasch nach und schloss unten ab, dann folgte sie den wiederholten Rufen ihres Sohnes in die Küche. Lukas hatte bereits den Tisch gedeckt und wippte ungeduldig auf seinem Stuhl hin und her, bis sie ihm eine ordentliche Portion Spaghetti und Soße auf den Teller gehäuft hatte. Er stürzte sich darauf, als habe er den ganzen Tag noch nichts gegessen.
»Mama?«, nuschelte er, schluckte dann aber erst den Bissen hinunter, den er im Mund hatte.
»Hm?«
»Ruprecht ist echt ein toller Hund.«
Schweigend nahm sich Tessa ebenfalls eine kleine Portion Nudeln.
»Ist doch nett, dass Tom ihn nimmt, jetzt, wo seine Mutter keine Tiere mehr halten darf, oder?«
»Ja, das ist sehr nett vom ihm«, stimmte Tessa vorsichtig zu. Sie ahnte bereits, worauf ihr Sohn hinauswollte. Deshalb fügte sie bedächtig hinzu: »Aber es ist auch eine große Verantwortung, einen Hund zu halten. Man muss ihn füttern und pflegen und regelmäßig mit ihm spazieren gehen, auch bei schlechtem Wetter. Solche Terrier brauchen ziemlich viel Bewegung.«
»Ich weiß«, sagte Lukas und drehte gekonnt die Spaghetti um seine Gabel. »Tom sagt, er will mit ihm joggen gehen.«
»Eine gute Idee.«
»Mama, ich könnte doch auch mit dem Joggen anfangen, oder?«
Tessa legte den Kopf schräg. Sie wusste, wann Lukas sie aufs Glatteis führen wollte. »Sicher könntest du das. Aber dazu brauchst du ja keinen Hund, oder?«
Lukas verzog die Mundwinkel. »Aber mit einem Hund ist es viel lustiger. Und er kann mich beschützen.« Genießerisch schob er sich die Nudeln in den Mund und kaute ausgiebig. Schließlich blickte er sie mit einem herzerweichenden Blick an. »Bitte, Mama, ich möchte auch gerne so einen Hund haben!«
Tessa seufzte. »Und ich habe dir schon mehrfach erklärt, dass die Antwort nein lautet. Schau dich doch um, Lukas. In so einer kleinen Wohnung sollte man keinen Hund halten.«
»Aber ...«
»Und außerdem ist ein Hund kein Spielzeug. Was, wenn du mal keine Lust hast, dich um ihn zu kümmern? Dann kannst du ihn nicht einfach in den Schrank legen wie deine Playstation.«
»Och, Mama!«
»Och, Lukas«, erwiderte sie im gleichen Tonfall und lächelte dann. »Du kannst doch deinen Trainer fragen, ob du hin und wieder mit Ruprecht spazieren gehen oder spielen darfst.«
Lukas’ Miene hellte sich auf. »Das könnte ich machen. Ich frage ihn gleich beim nächsten Training.«