Читать книгу Vier Pfoten unterm Weihnachtsbaum - Petra Schier - Страница 9
Оглавление4. Kapitel
Gähnend stieg Tom die Treppe ins Obergeschoss seines Hauses hinauf, ohne das Licht anzumachen. Das Training heute war anstrengend gewesen. Nach den Kindern der E-Jugend hatte er noch eine Stunde lang das Team der A-Jugend trainiert und danach noch mit einem Elternpaar über die Zukunftsaussichten ihres talentierten Sohnes gesprochen. Es war also spät geworden, und morgen hatte er gleich um acht die erste Sportstunde. Müde tappte Tom auf seine Schlafzimmertür zu, die halb offen stand. Bevor er jedoch den Lichtschalter fand, trat er auf einen Gegenstand, der unter seiner Fußsohle ins Rollen geriet und dabei leise klingelte. Er verlor den Halt und ruderte erschrocken mit den Armen. Gerade noch rechtzeitig konnte er sich am Türrahmen festhalten, knallte aber mit dem Knöchel gegen die Tür. Fluchend machte er Licht und starrte auf den blauen Plastikknochen, der ihn beinahe zu Fall gebracht hätte. Dann hob er den Kopf und fixierte erbost Ruprecht, der mitten auf dem Bett lag und Tom aufmerksam beobachtete. Sein kurzer Schwanz wedelte lustig hin und her.
»Das findest du jetzt wohl witzig, wie?«, grollte Tom. »Was hast du überhaupt auf meinem Bett zu suchen?«
Ruprecht gab ein Geräusch von sich, das irgendwo zwischen Bellen und Jaulen lag, warf sich auf den Rücken und streckte alle Viere von sich.
»O nein, so nicht.« Tom schüttelte entschieden den Kopf. »Runter mit dir vom Bett! Du hast dein eigenes Körbchen.« Mit strengem Blick deutete er auf den mit einer flauschigen Hundedecke ausgelegten Weidenkorb.
Ruprecht blieb auf dem Rücken liegen, drehte jedoch den Kopf so, dass er Tom ins Gesicht blicken konnte. Als dieser sich nicht erweichen ließ, sprang der kleine Hund wie ein geölter Blitz auf die Füße und hüpfte vom Bett direkt in den Korb.
»Na bitte, warum nicht gleich so?« Zufrieden tätschelte Tom Ruprechts Kopf und legte dann auch noch den Plastikknochen in das Körbchen.
In diesem Moment klingelte das Telefon. Stirnrunzelnd warf Tom einen Blick auf die Uhr, die bereits fast halb elf anzeigte. Dann griff er nach dem Hörer auf seinem Nachttisch. »Wer stört?«, fragte er, obwohl er die Nummer im Display längst erkannt hatte.
»Entschuldige, dass ich so spät noch anrufe«, erklang die Stimme seiner Mutter. »Du weißt, dass das nicht meine Art ist. Aber ich kann einfach nicht einschlafen, bevor ich nicht weiß, ob es Ruprecht gut geht. Ich habe dich doch nicht geweckt, oder? Du hast montags immer lange Training, oder nicht?«
»Schon gut, ich habe noch nicht geschlafen. Ruprecht geht es ausgezeichnet.« Tom warf einen kurzen Blick in das Körbchen, in dem sich der Hund zusammengekringelt hatte, und rieb sich dabei seinen Knöchel. »Er hat heute sogar einen neuen Freund gefunden.«
»Ach ja?«
Tom grinste. »Lukas – ein Junge aus meinem E-Jugend-Team. Er war so begeistert von Ruprecht, dass er sich gar nicht von ihm losreißen konnte.«
»Das ist aber nett. Also nimmst du den Hund mit zum Training?«
»Eigentlich nur heute. Aber vielleicht kann ich Lukas dazu bewegen, sich hin und wieder um Ruprecht zu kümmern, wenn ich keine Zeit habe.«
Seine Mutter lachte. »Eine hervorragende Idee, aber jetzt solltest du dich ausruhen, nicht wahr? Du klingst müde. Bis bald!«
»Ja, bis dann.« Tom starrte auf seinen Hörer; seine Mutter hatte bereits aufgelegt. Amüsiert schüttelte er den Kopf und ließ sich rücklings auf die Matratze sinken. Im selben Moment klingelte das Telefon erneut.
Tom griff danach, ohne es anzusehen. »Ja, ich habe ihm auch genug Futter gegeben und einen seiner geliebten Kauknochen«, sagte er grinsend.
»Freut mich zu hören«, antwortete Leon am anderen Ende der Leitung.
Tom stutzte. »Du bist es! Ich dachte, es wäre meine Mutter.«
»Du telefonierst also spät abends noch mit deiner Mutter.« Leons Stimme klang erheitert. »Du enttäuschst mich, mein lieber Cousin. Ich hatte schon die Hoffnung, es sei aus einem anderen Grund bei dir besetzt.«
»Aus was für einem anderen Grund?«
»Rate mal.«
Tom verdrehte die Augen und schwang seine Beine aufs Bett. Er schob sich ein Kissen unter den Kopf. »Fängst du jetzt auch noch damit an? Nur weil du glücklich verheiratet bist, müssen es nicht alle deine Mitmenschen ebenfalls sein.«
»Ich habe ja nicht gesagt, dass du sie gleich heiraten sollst. Ein Date würde fürs Erste auch ausreichen – oder ein abendlicher Telefon-Flirt.«
Argwöhnisch runzelte Tom die Stirn. »Wen meinst du mit sie?«
»Na, sie eben. Keine Ahnung. Ich dachte, du hättest vielleicht eine Freundin.«
»Nein, habe ich nicht.«
»Warum nicht?«
Tom stieß heftig die Luft aus. »Hör mal, Leon, es ist schon reichlich spät für eine derart sinnentleerte Unterhaltung. Spuck schon aus, weshalb du anrufst.«
»Hannah hat endlich ein Opfer gefunden.«
»Hä?«
»Du weißt schon, jemanden, der mit ihr die Unmengen Plätzchen für die Weihnachtsfeier des Sportvereins backt.«
»Und was habe ich damit zu tun?« Tom runzelte die Stirn. »Ich kann nicht backen.«
»Sollst du ja auch gar nicht. Aber du bist doch im Organisationsteam. Wenn ich mich nicht irre, bist du sogar der Vorsitzende. Sie ist unheimlich nett und hübsch noch dazu.«
»Wer, Hannah? Das weiß ich.«
»Nein, Mensch! Sag mal, willst du mich nicht verstehen?«
Tom schloss leicht genervt die Augen. »Ich verstehe, dass du und meine Mutter offenbar mal wieder beschlossen habt, mich mit irgendeiner ach so netten Frau zu verkuppeln. Ich vermute, es handelt sich um die Mutter eines meiner Kicker. Was ist sie? Zum dritten Mal geschieden? Auf der Suche nach dem gestählten Körper des Ex-Profis, der sie in den siebten Himmel befördern soll?«
»Hast du was getrunken?«, kam es vom anderen Ende der Leitung.
»Nein, ich hab bloß kein Interesse.«
»Du kennst sie doch gar nicht.«
»Eben. Und dabei soll es auch ...« Tom stockte. »Warum kenne ich sie nicht? Wenn sie die Mutter einer meiner Spieler ist, hab ich sie doch ganz sicher schon mal getroffen.«
Leon stieß einen triumphierenden Laut aus. Offenbar freute er sich, dass er Toms Aufmerksamkeit doch noch geweckt hatte. »Hast du nicht. Sie hält sich nämlich weitgehend vom Fußballstadion fern. Keine Ahnung, warum. Vielleicht mag sie den Sport nicht. Aber das ist ja wohl nebenrangig. Ich finde sie sehr nett, und Hannah mag sie auch gern. Sie hat ein Blumengeschäft in der Annastraße, ihr Sohn ist mit Mario und Paula in einer Klasse. Er heißt Lukas ...«
»Lukas Lamberti?«, fiel Tom ihm ins Wort.
»Genau der. Er hat sich doch heute so gut mit Ruprecht angefreundet.«
»Und deshalb glaubst du, dass ich mich ebenso gut mit seiner Mutter anfreunden könnte?« Tom schüttelte entrüstet den Kopf. »Vergiss es. Ich habe jahrelange Erfahrung mit geschiedenen Frauen, die mir hinterherlaufen und von der großen Liebe ins Ohr säuseln. In Wahrheit suchen sie nur einen gut betuchten Mann, der ihnen die teuren Extras bezahlt, wegen denen sie von ihren Ex-Ehemännern verlassen wurden.«
»So ein Quatsch!«, brauste Leon auf. »Sie weiß doch gar nichts von deinem Geld. Und außerdem war sie nie ver...«
»Gute Nacht, Leon.« Tom schaltete das Telefon aus und warf es auf seinen Nachttisch. Dann zog er sich aus und schob sich unter seine Decke. Bevor er das Licht löschte, warf er noch einen kurzen Blick auf Ruprecht, der ihn wieder aufmerksam anblickte und dann mit einem ungeduldigen Laut den Kopf auf seine Pfoten legte.
»Du hältst dich da raus«, brummte Tom und knipste die Nachttischlampe aus.
»Kein Glück?«, fragte Hannah und legte Leon einen Arm um die Hüfte.
Sogleich zog er sie fest an sich. »Er hat einfach aufgelegt.«
»Vielleicht sollten wir ihn mit unseren Verkupplungsversuchen wirklich in Ruhe lassen. Wenn er absolut nicht will...«
»Wenn er nicht langsam eine vernünftige Frau findet, wird er wunderlich«, unterbrach Leon sie. »Ich kann ja verstehen, dass er sich nicht mit einer von diesen Übermüttern abgeben will, die während des Fußballtrainings ständig um ihn herumschwänzeln. Die können einem wirklich auf den Geist gehen. Tom hier und Tom da und hach, mein talentiertes Wundersöhnchen könnte ein Privattraining brauchen ...«, gab er in affektiertem Tonfall wieder, was er heute und auch schon früher miterlebt hatte.
Hannah lachte. »Das kann ich mir lebhaft vorstellen. Einige der Mütter kenne ich aus dem Elternbeirat in der Schule.« Sie küsste Leon auf die Wange. »Aber verstehen kann ich sie auch. Tom ist nun mal eine Augenweide, und noch dazu hat er mal als Profi Fußball gespielt.«
»In einem absolut unbedeutenden Verein.«
»So unbedeutend nun auch wieder nicht«, korrigierte Hannah. »Und letztlich ist das auch vollkommen egal. Für viele Frauen ist Fußball eben nur gleichbedeutend mit den Beckhams und Ballacks – und wie sie alle heißen – dieser Welt. Gut aussehende Sportler mit einem fetten Bankkonto.«
Leon runzelte die Stirn. »Denkst du etwa genauso?«
»Ach, weißt du ...« Hannah verdrehte schmachtend die Augen, musste dann jedoch wieder herzlich lachen. »Ich habe das doch nicht nötig, wo ich schließlich mit dem feschesten Förster auf diesem Planeten verheiratet bin. Außerdem bist du der einzige Mann, der mich derzeit attraktiv findet. Dafür hast du einen dicken Stein bei mir im Brett.« Sie streichelte zärtlich über ihren stark gewölbten Bauch. »Vielleicht hat eine dieser Möchtegern-Groupies ihm mal das Herz gebrochen.«
Leon, der sie gerade hatte küssen wollen, hielt überrascht inne. »Wie kommst du denn darauf?«
»Keine Ahnung.« Hannah zuckte mit den Achseln. »Das war nur eine Vermutung. Möglich wäre es doch immerhin und eine gute Begründung, weshalb er sich jetzt von allen Frauen fernhält.«
»Tessa Lamberti ist aber kein Möchtegern-Groupie.«
Hannah nickte. »Ich weiß. Vielleicht solltest du sie da heraushalten oder ...« Sie lächelte schelmisch. »Die beiden auf etwas subtilere Weise aufeinander aufmerksam machen.«
»Und wie?«
»Na, zum Beispiel während der Vorbereitungen zur Weihnachtsfeier. Ich lade sie hierher zum Backen ein, und du sorgst dafür, dass Tom sich nicht drückt.« Bedeutungsvoll schwieg sie.
Nun küsste Leon sie doch. »Eine hervorragende Idee, mein Schatz!«