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Maulwurf und Spitzmaus


Im Unterricht hatte Luise Patricia so viel von den Vorfällen des Tages zu erzählen, dass Mrs Baxters Spitzmausgesicht mehr als nur einmal mahnend über ihrer Schulbank auftauchte.

Luise berichtete Patricia von dem Wasserkocher und dem befremdlichen Verhalten ihrer Mutter auf dem Parkplatz.

„Komisch“, meinte Patricia. „Vielleicht wollte sie, dass du dein Handy nicht einschaltest, damit du auf den Unterricht achtest.“

„Das glaube ich nicht“, erwiderte Luise. „So wie sie es gesagt hat. Ich weiß nicht… Es klang fast, als wäre es gefährlich, das Handy einzuschalten.“

„Ich denke ja doch, dass deine Mutter damit bezwecken wollte, dass ihr beide meinem Unterricht lauscht. Und glaubt mir, es wird richtig gefährlich, wenn eine von euch ein angeschaltetes Telefon hat“, mischte sich Mrs Baxter in diesem Moment mit scharfer Stimme ein. Sie hatte einen ernsten Ausdruck im Gesicht. Ihre Brille rutschte ihr dabei fast von der Nase.

Die ganze Klasse fing an zu lachen. Patricia und Luise waren augenblicklich still und beschlossen, ihr Gespräch auf den langweiligen Geografieunterricht bei dem etwas trägen Mr Miller zu verschieben. Mit Mrs Baxter hatten sie sich in der letzten Zeit schon genug angelegt. Wohingegen Mr Miller einer dieser Lehrer war, dem es viel zu mühsam erschien, lärmende Schüler unter Kontrolle zu bringen.

Manchmal kam es Luise so vor, als würde er seinen Unterricht ausschließlich für sich selbst halten.

Nun erzählte sie Patricia auch von der Begegnung mit Mrs Matchman und ihrem verrückten Rasenmäher. Den mysteriösen Brief und ihr Treffen mit den alten Damen, die sich als moderne Hexen bezeichneten, ließ sie jedoch nach wie vor unerwähnt.

Patricia schüttelte den Kopf über Luises Worte. Sie legte die Stirn in Falten und sagte eine Zeit lang gar nichts.

„Vermutlich stimmt irgendetwas mit euren elektronischen Geräten nicht“, meinte Patricia dann. „Der Rasenmäher dreht durch, der Wasserkocher und jetzt vielleicht das Handy?“

Sie formulierte es wie eine Frage.

„Selbst, wenn das unglaublich klingt: Vielleicht explodiert es, wenn du es anschaltest“, fügte sie hinzu.

„Was?“, rief Luise. „Aber es ist doch nicht an unser Stromnetz angeschlossen, also wieso sollte es explodieren?“

Luise dachte nach.

„Außerdem ist Mrs Matchmans Rasenmäher auch durchgedreht und die wohnt ja zum Glück nicht in unserem Haus“, fuhr sie dann fort.

„Hm“, machte Patricia. „Dann interpretieren wir wieder zu viel in die Sache hinein.“

„Wir werden jetzt einen Film über die Wüsten der Erde ansehen“, verkündete Mr Miller in diesem Augenblick mit seinem näselnden Unterton. „Es gibt Sandwüsten, Steinwüsten, Eiswüsten und so weiter. Aber das werdet ihr gleich noch erfahren.“

Luise stellte fest, dass es typisch für diese Art von Lehrern war, ständig Filme anzusehen. Weil sie nicht die Energie hatten, den Unterricht selbst zu gestalten. Wenn Mrs Baxter eine Spitzmaus war, dann war Mr Miller womöglich ein Maulwurf, der unter der Erde lebte und sich nur selten an die Oberfläche grub, um seine Klasse zu besichtigen.

Er schaltete den Laptop und den Beamer im Klassenzimmer ein und die ganze Klasse war schon darauf gefasst, dass es bis zum Ende der Stunde dauern würde, bis er die Apparaturen in Gang gebracht hatte. Schließlich schienen alle technischen Geräte in der Schule eigentümlich auf Mr Miller zu reagieren. Und so war es auch dieses Mal. Mr Miller, den die Schülerzeitung zum größten Technikfeind unter den Lehrern gewählt hatte, schien nicht einmal die Fernbedienung benutzen zu können.

„Der Fernseher geht nicht. Wir müssen normal weiter unterrichten. Patricia und Luise, die Kreiden sind aus. Holt bitte neue aus dem Sekretariat und inzwischen versucht Tim den Film zum Laufen zu bringen“, seufzte Mr Miller und jedes seiner Worte schien dieselbe Tonlage zu haben.

Wenn Mr Miller sich nicht mehr auskannte, fragte er grundsätzlich Tim und bat ihn, ihm zu helfen. Meistens brachte dieser die technischen Vorrichtungen wieder in Gang.

Sobald Luise und Patricia das Zimmer verlassen hatten, öffnete sich auch schon wieder die Tür hinter ihnen und Mr Millers Kopf erschien.

„Ihr könnt kommen der Film läuft“, stellte er vollkommen emotionslos fest und Luise hatte Angst, er könnte jeden Moment einschlafen.

Denn selbst sie wurde durch den tonlosen Klang seiner Stimme müde.

Luise und Patricia setzten sich auf ihren Platz zurück und an der Wand erschien das Bild eines Löwenpaars, das in dürrem Grasland lag. Die Tiere sahen majestätisch aus und blickten in die Weite.

„Die Savanne Afrikas erstreckt sich von…“, erklärte ein unsichtbarer Kommentator in bedeutungsvollem Tonfall. Doch weiter kam er nicht und das Bild verschwand.

„Ihr müsst doch die Kreiden holen für den Hefteintrag“, sagte Mr Miller.

Patricia und Luise sprangen auf und liefen ins Sekretariat, um die Kreiden zu holen. Doch als sie zurückkamen, funktionierte der Film wieder und man erkannte eine Wüstenlandschaft, die von der untergehenden Sonne in warmes Licht getaucht wurde.

Die beiden Mädchen hatten sich jedoch kaum gesetzt, da gab der Beamer erneut den Geist auf. Wieder zog Mr Miller Tim zu Rate, aber diesmal konnte auch er nicht helfen.

Weder der Beamer noch der Laptop zeigten irgendeine Reaktion.

„Darf ich zur Toilette?“, fragte Luise und Mr Miller bejahte sichtlich genervt.

Als sie fort war, schlug er vor, es mit einem anderen Film über die Eiswüsten der Antarktis zu versuchen.

„Vielleicht klappt es mit diesem“, hoffte er.

Und das tat es auch. Kaum hatte er den Film eingelegt, erschien das Bild einer Pinguinfamilie im Südpolarmeer.

Nachdem Luise von der Toilette zurück war, dauerte es keine halbe Minute und das Bild löste sich wieder auf.

Die Klasse brach in Gelächter aus.

„Es liegt an Luise“, rief Tim. „Sie sendet Störsignale. Luise, du musst wieder aus dem Zimmer gehen, damit wir den Film weitergucken können.“

Patricia und Luise warfen Tim einen bösen Blick zu. Dieser kriegte sich vor Lachen gar nicht mehr ein und wurde auch nicht für seine stichelnden Bemerkungen von Mr Miller ermahnt. Schließlich gehörte er nicht zu der Art von Lehrern, die sich um das gute Benehmen ihrer Schüler sorgten.

Das ganze Problem mit der Technik schien ihn schon zu sehr angestrengt zu haben, sodass er sich wortlos zur Tafel umdrehte.

Dann fing er an, einen langen Text zu schreiben. Außer Quinn und Poppy fühlte sich jedoch niemand aufgerufen, das Tafelbild in sein Schulheft zu übertragen. Die beiden waren überhaupt die Einzigen, die sich je an Mr Millers Unterricht beteiligten.

Sie gehörten zu den wenigen Schülern in der Klasse, deren Namen er sich merken konnte. Abgesehen von Tim, dem Mann für die Technik, und Luise und Patricia, die immer irgendwelche Erledigungen für Mr Miller machen mussten, wie zum Beispiel Kreiden holen oder die Vorhänge zuziehen.

Das schien ihm auch jetzt in den Sinn zu kommen.

„Luise, könntest du bitte noch den Laptop ausstecken und ihn zurück in den Schrank da drüben räumen?“, fragte er.

Luise bekam ein mulmiges Gefühl in der Magengrube. Was, wenn Tim Recht hatte? Vielleicht lag das Problem gar nicht bei den elektronischen Geräten, wie Patricia es zunächst angenommen hatte. Am Ende war sie der Grund, warum die Technik verrücktspielte.

„Könnte das nicht jemand anderes machen?“, fragte Luise vorsichtig.

Mr Miller schaute sie ungläubig an.

„Nenne mir einen Grund, warum du es nicht machen kannst“, forderte er und klang dabei ungewohnt gereizt.

Vermutlich war es einer dieser Momente, in denen ihm bewusst wurde, dass sich eigentlich niemand für ihn interessierte.

„Ich kann ihn auch ausstecken!“, warf Patricia schnell ein.

Sie wusste zwar nicht, was in Mr Miller vorging, aber sie erkannte, dass sein Blick nichts Gutes bedeutete.

Tim fing an wie verrückt zu kichern, was die Sache nicht gerade besser machte.

„Na Luise, hast du jetzt Angst vor dir selbst bekommen?“, fragte er herausfordernd.

„Schön, dann mach ich es eben selbst“, rief Mr Miller in diesem Moment.

„Ich könnte es wirklich tun“, unterbrach ihn Patricia.

„Nein, nein, nein, jetzt mache ich es schon“, entgegnete Mr Miller.

Nun war er wirklich verärgert.

Luise hätte sich am liebsten in einem Eck verkrochen. Sie dachte gerade darüber nach, wie übertrieben es von ihr war, zu glauben, sie hätte eine bestimmte Wirkung auf den Beamer, den Laptop und die Steckdose. Schließlich wusste jeder, dass Mr Miller kein Freund von technischen Geräten war.

Plötzlich zischte eine große Stichflamme aus der Wand, die aber sogleich verglühte. Es begann furchtbar nach Rauch zu stinken und Patricia öffnete unaufgefordert die Fenster.

„Verfluchter Mist“, hörte man Mr Miller schimpfen. „Was ist das nur für ein Tag!“

Er hielt den Stecker in der Hand, die etwas Ruß abbekommen hatte, doch ansonsten schien er unverletzt.

Selbst dem vorlauten Tim hatte es jetzt die Sprache verschlagen.

Ganz langsam ließ Mr Miller das Kabel fallen und ging zum Waschbecken, um sich die Hände zu waschen. Dabei machte er einen großen Bogen um die Steckdose.

Dann forderte er alle Schüler auf, das Klassenzimmer zu verlassen. Im selben Moment setzte der Feueralarm in den schrillsten Tönen ein.

Auf den Gängen wimmelte es bereits von Schülern aus anderen Klassen, die den Weg aus dem Gebäude suchten. Als sie den Rauch aus der Zimmertüre kommen sahen, brach wilde Panik unter ihnen aus. Ein paar Lehrer versuchten sie zu beruhigen und auch Luises Klasse machte sich schnellstmöglich auf den Weg zu den Ausgängen.

Draußen angekommen, sammelten sich die Lehrer mit ihren Klassen und es wurden Anwesenheitslisten geprüft.

Luise bemerkte, dass Mr Miller mit dem Direktor sprach. Mit aufgeregten Gesten erklärte er, was passiert war.

Hinter Patricia und Luise, die sich auf einen großen Stein in der Nähe ihrer Klasse gesetzt hatten, tauchte Mrs Baxters Gesicht auf.

„Steht auf und stellt euch zu euren Mitschülern“, zischte sie. Ihre Spitzmausnase zuckte leicht.

Unwillig gingen die beiden zu den anderen. Wo sie doch allein über die Vorfälle hatten sprechen wollen. Das mussten sie nun auf später verschieben.

Mrs Baxter blieb bei der Klasse, da Mr Miller noch immer mit dem Direktor beschäftigt war.

„Wann können wir eigentlich unsere Sachen holen, Mrs Baxter?“, meldete sich Tim zu Wort. „Unsere Schultaschen sind noch in den Klassenzimmern.“

„Tja“, erwiderte Mrs Baxter. „Sieht so aus, als könntet ihr die erst nächsten Montag im Sekretariat abholen. Ich habe mit der Feuerwehr telefoniert. Sie werden gleich hier sein. Am Telefon meinten sie, die anderen Klassen könnten ihre Sachen vielleicht später holen. Aber nachdem es in eurer Klasse gebrannt hat, wird es für euch länger dauern. Die Feuerwehr muss erst die Stromleitungen überprüfen und sicherstellen, dass von den Steckdosen in eurem Klassenzimmer keine Gefahr mehr ausgeht.“

Luise kam auf einmal ein wichtiger Gedanke.

„Aber Mrs Baxter, mein Reisetrolley ist noch oben, mein Handy und alle meine persönlichen Sachen sind da drin. Ich besuche doch meine Tante dieses Wochenende in London.“

„Luise…“, Mrs Baxter machte eine bedeutungsvolle Pause.

„Wir hatten einen Brand im Schulhaus. Ein Lehrer wäre fast zu Schaden gekommen. Und das Einzige, worüber du dir Gedanken machst, ist Urlaub in London zu machen. Du wirst den Trolley genau wie alle anderen am Montag wiederbekommen.“

Luise setzte an etwas zu sagen, brach aber ab, als ihr Mrs Baxters Blick begegnete.

„Keine Widerrede“, sagte sie scharf.

Ein paar Sekunden später meldeten sich Poppy und Quinn.

„Ja, was habt ihr zu sagen?“, fragte Mrs Baxter.

„Ähm… Mrs Baxter“, setzte Poppy an. „Wo unsere Hefte jetzt da oben sind, können wir ja unsere Hausaufgaben gar nicht erledigen.“

„Gut, dass ihr beiden mich daran erinnert.“ Mrs Baxters Stimme wurde weich. „Ihr werdet alle einen mehrseitigen Aufsatz über das Leben der wichtigsten Mathematiker der Geschichte schreiben. Sucht euch einen aus, erzählt etwas über sein Leben, seine bedeutendsten Erkenntnisse und so weiter. Und mit mehrseitig meine ich mindestens vier Seiten. Ich werde das am Montag kontrollieren und einsammeln.“

Die Klasse stöhnte auf und Tim warf Quinn und Poppy einen entnervten Blick zu. Die beiden schienen hochzufrieden, weil sie sich erfolgreich bei Mrs Baxter eingeschleimt hatten.

Luise verdrehte die Augen.

„Wie soll ich das denn machen, ich bin doch in London“, flüsterte sie Patricia zu.

Das rief sofort Mrs Baxter auf den Plan.

„Dann wirst du eben nicht so viel Zeit in Musicals, Shoppingcentern und Freizeitparks verbringen, sondern zu Hause sitzen und lernen“, sagte sie schnippisch.

„Die ist doch nur neidisch“, murmelte Patricia, sobald Mrs Baxter außer Hörweite war.

Die gesamte Klasse stand noch eine gute halbe Stunde im Park, bis sowieso Schulschluss gewesen wäre.

Der Direktor machte eine Durchsage mit einem Megafon, dass er die Eltern aller Schüler verständigen würde, da das Gebäude vorerst geräumt war.

Die Lehrer waren nun beschäftigt, alle Eltern telefonisch zu erreichen.

Tante Laurels Nummer wusste Luise aber nicht auswendig und Familie Morton ging nicht ans Telefon, weil sie bereits am Flughafen waren und ihre Handys ausgeschaltet hatten.

Patricia und Luise fanden keine Möglichkeit mehr über die Vorfälle zu sprechen.

Mrs Baxter blieb misstrauisch in der Nähe der beiden und als der Direktor bekanntgab, dass alle Schüler nun gehen durften, machte sich Luise eilig auf den Weg zu ihrer Tante.

„Wir sprechen, wenn ich aus London zurück bin“, rief sie Patricia zu, während sich der Tumult aus Schülern und Lehrern langsam auflöste.

Dann huschte sie durch den Park zur Hauptstraße und achtete darauf, Mrs Baxter nicht noch einmal über den Weg zu laufen.

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