Читать книгу Miss Laurels magische Mode - Pharah Seutter von Lötzen - Страница 9
ОглавлениеEin verrückter Rasenmäher
„Mrs Matchman ist von Beruf geisteskrank“, pflegte Tina stets zu sagen, wenn sie nachmittags von der Schule nach Hause kamen, ihre Nachbarin mal wieder Rasen mähte und man annehmen konnte, dass sie dies schon seit Stunden tat.
Niemand wusste genau, womit sie ihr Geld in Wirklichkeit verdiente, denn sie verließ selten ihre vierzig Quadratmeter Vorgarten. Eigentlich tat sie es überhaupt nur, um mit ihrer bissigen Sphynx-Katze an der Leine und ihrer dümmlich dreinblickenden Schildkröte Paul in der Tasche einkaufen zu gehen.
Mr Morton war der Meinung, sie habe von ihren Eltern reich geerbt und wüsste jetzt nichts mehr mit sich anzufangen.
Mrs Morton interessierte sich nicht besonders für sie und war nur der Ansicht, dass man sich diese neugierige, aufdringliche Person vom Leibe halten müsse.
Und Tina war an diesem späten Nachmittag zu einer noch viel weiseren Erkenntnis gekommen.
„Sie braucht einen Mann“, raunte sie Luise zu, während sie an der Gartenhecke vorbeigingen, die als Sichtschutz diente.
Luise wollte gerade etwas zurückflüstern, da tauchte Mrs Matchmans roter Lockenschopf schon über der Hecke auf. Wie ein Pilz, der nach dem Regen aus der nassen Erde geschossen kommt.
Sie musterte die beiden Mädchen misstrauisch.
„Worüber habt ihr geredet?“, fragte sie.
Tina sah Luise an und hob dann die Schultern.
„Wir haben uns gefragt, warum sie nicht verheiratet sind, Mrs Matchman.“
Luise dachte schon Mrs Matchman würde auf diese ehrliche Antwort hin ausrasten und sie wieder als freche Gören beschimpfen, wie sie es manchmal tat. Stattdessen seufzte Mrs Matchman nachdenklich.
„Seht ihr den da drüben?“, fragte sie und machte eine Kopfbewegung zu einem Mann hin, der gerade die Straße entlangging.
Er trug eine grüne Regenjacke und führte einen schwarzen Schirm mit sich, obwohl strahlender Sonnenschein über der Stadt lag. Als er Mrs Matchman bemerkte, winkte er freundlich herüber, während ein kleiner, bulliger Hund mit Nietenhalsband, den er an der Leine hielt, sofort in ihre Richtung knurrte.
Mrs Matchman blickte dem Mann traurig hinterher, als er aus ihrem Sichtfeld verschwand.
„Das war Mr McAlistor. Meine große Liebe. Ich erinnere mich noch gut an die Zeit zurück, als wir heiraten wollten und er bei mir eingezogen ist. Stellt euch vor, dann hätte ich Allison McAlistor geheißen, wie wohlklingend! Aber sein Kampfhund Ronnie verstand sich einfach nicht mit meiner Daisy und so beschlossen wir, es sein zu lassen.“
Daisy war der Name ihrer haarlosen Katze, wie Luise und Tina inzwischen wussten.
„Das ist aber schade“, entgegnete Luise höflich. „Warum hat er sich nicht einen anderen Hund gekauft?“
„Ach Kindchen, bist du vielleicht naiv!“, rief Mrs Matchman aus und lachte empört. „Der gute Ronnie hat Mr McAlistor durch schwere Zeiten geholfen. Wir waren zusammen in der Schule. Damals war er ganz unnahbar und hat immer Stimmen gehört. Aber seit Ronnie bei ihm ist, na ja. Da kann man sich doch nicht einfach von seinem Therapiehund trennen.“
Tina und Luise tauschten einen vielsagenden Blick.
„Also dann, Mrs Matchman, geben Sie nicht die Hoffnung auf! Es kommt bestimmt noch der Richtige“, sagte Tina und Luise merkte ihr an, dass sie gehen wollte.
In diesem Moment hörten sie jedoch ein seltsames Brummeln und Mrs Matchman stieß einen spitzen Schrei aus.
„Der Rasenmäher spielt verrückt“, zeterte sie und begann hysterisch im Kreis zu rennen.
Dann lief sie kreischend aus dem Gartentor und Luise bemerkte, dass Mrs Matchmans Haare angekokelt waren und ein Stück ihres Blumenkittels fehlte.
Hinter ihr rannte die aufgescheuchte Daisy und fauchte die beiden Schwestern feindselig an.
Gerade, als sich Luise und Tina ratlos anblickten, brach der Rasenmäher mit einem lauten Krachen durchs Gebüsch, überschlug sich und landete auf dem Gehweg. Er stieß noch einmal eine rauchende Funkenwolke aus – dann erstarb der Motor ein für alle Mal.
„Dieses verfluchte Ding“, schimpfte Mrs Matchman. „Hat mir meine ganze Frisur kaputtgemacht.“
„Ihr Kleid hat auch was abgekriegt“, bemerkte Tina.
„Wo?“ Mrs Matchman sah an sich herunter. „Ach das, das war Daisy. Die Arme hat die ganze Aufregung völlig verschreckt. Aber ich kann mir das nicht erklären mit dem Rasenmäher…“
Sie suchte den Boden ab und ging auf den Rasenmäher zu.
Schnell stahlen sich Tina und Luise ins Haus, da sie nicht unnötig mehr Zeit mit ihrer verrückten Nachbarin verbringen wollten. Und vielleicht auch, weil sie ein bisschen Angst hatten, dass der Rasenmäher doch noch nicht ganz den Geist aufgegeben hatte. Sie wollten schließlich nicht ebenso zerrupft aussehen wie Mrs Matchman.
Drinnen angekommen ließen Tina und Luise sich erst einmal auf die Wohnzimmercouch fallen.
Tina war genervt.
„Diese Frau hat mir heute den Rest gegeben“, seufzte sie.
Mrs Morton, die die Szene vom Fenster aus beobachtet hatte, kam zu ihnen herüber.
„Sie ist genau so alt wie du, Mum, das kann man sich kaum vorstellen!“, meinte Luise.
„Sag doch so was nicht, Luise!“, erwiderte Mrs Morton.
„Ich bin wirklich froh, wenn wir so wenig Kontakt, wie möglich mit ihr haben. Aber das mit dem Rasenmäher war reichlich seltsam. Ich muss morgen jemanden beauftragen, der die Gartenhecke wieder gerade richtet und den Zaun repariert. Zumindest auf unserer Seite. Wir wollen ja nicht, dass Mrs Matchman uns in den Vorgarten guckt.“
„Da hat sie vermutlich andere Vorstellungen“, grinste Tina und verschwand in ihr Zimmer.