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Die Ursachen

Amerika und Saudi-Arabien: Bündnis der Kontraste

Am 14. Februar 1945, kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs, spielte sich auf dem Großen Bittersee im Suezkanal die Urszene des Aufstiegs der USA zur Hegemonialmacht im Nahen und Mittleren Osten ab. Auf dem Zerstörer USS Quincy trafen, zum ersten Mal überhaupt, die Staatsoberhäupter Amerikas und Saudi-Arabiens zusammen: Franklin D. Roosevelt, der seinem Land im Sieg über Japan und Deutschland den Weg zur Supermacht gebahnt hatte, und König Abdul-Aziz Ibn Saud, der kriegerische Begründer Saudi-Arabiens. Beide Männer verstanden sich auf Anhieb prächtig. Roosevelt schenkte dem König einen seiner Rollstühle sowie ein Flugzeug. Dieser revanchierte sich mit einem juwelenbesetzten Dolch, Perlenketten, golddurchwebten Gewändern. Sie seien »wie Zwillinge«, so der König: gleichaltrig, Staatschefs in schweren Krisen und Kriegen, beide im Herzen Farmer, beide körperbehindert.

Das Tête-à-Tête auf dem Kriegsschiff stand am Anfang einer großartigen Freundschaft zwischen dem Hause al-Saud und den starken Männern im Weißen Haus. Es wurde eine jahrzehntelange Partnerschaft denkbar ungleicher Akteure: Einerseits die absolute Monarchie der Saudis, die sich als Hüterin der heiligsten Stätten der Muslime versteht und mit dem Wahhabismus eine extrem konservative und puritanische Variante des Islam pflegt; andererseits die älteste und mächtigste Demokratie der Welt, zu deren Markenkern Ideen von Freiheit, Gleichheit und die Jagd nach dem Glück im Konsum gehören. Die liberal-demokratische Ordnung der USA läuft trotz christlich-paternalistischer Prägungen und der Erfahrungen von Sklaverei und Rassismus auf die Zerstörung traditioneller Bindungen hinaus – ebnet Unterschiede zwischen Kulturen, Religionen, Herkünften, Geschlechtern ein. Nichts steht konservativ islamischen (und christlichen) Moral- und Ordnungsmodellen ferner.


Präsident Franklin D. Roosevelt und König Abdul-Aziz Ibn Saud (v. r.) am 14. Februar 1945 an Bord der USS Quincy

Dass derartige Kontraste sich anzogen, hatte handfeste wirtschaftliche und geopolitische Gründe: Öl, Kalter Krieg und Antikommunismus schweißten Saudis und Amerikaner zusammen. Öl war in der arabischen Wüste erst spät entdeckt worden und lange unbedeutend geblieben. Doch seit 1943 rückte der Rohstoff ins Zentrum des US-Kalküls. Arabien würde Amerikas Energieversorgung auch dann noch sicherstellen können, wenn die US-Reserven wie prognostiziert schwänden. Aus saudischer Sicht wiederum galten die USA als antikoloniale Macht und Gegengewicht zu den europäischen Imperien. 1950 kam ein lukratives Abkommen unter Dach und Fach. Die Ölprofite würden fifty-fifty zwischen den Saudis und der von US-Konzernen begründeten Arabian American Oil Company geteilt. Die heute ganz in saudischer Hand liegende ARAMCO wurde zum Vehikel einer profitablen Modernisierung Saudi-Arabiens und zugleich strategischer US-Interessen.

Im gemeinsamen Interesse war auch die Eindämmung tatsächlicher oder vermeintlicher sowjetischer Expansionsgelüste im Kalten Krieg. Hierfür schlossen beide Seiten immer wieder Kompromisse: Zwar widerstand Ibn Saud Roosevelts Drängen auf Unterstützung für ein jüdisches Land in Palästina. Auch Saudi-Arabien erklärte Israel 1948 den Krieg, beließ es jedoch bei eher symbolischen Kriegshandlungen; es gehörte auch künftig nicht zu den Scharfmachern gegenüber dem jüdischen Staat. Hierfür war das Bündnis mit den USA zu wichtig. Der »große Satan«, wie Islamisten die USA später nannten, wurde ins Land geholt, um gefährlichere Feinde fernzuhalten und Saudi-Arabien technisch zu entwickeln. Umgekehrt hatten US-Administrationen immer wieder Mühe, den Schulterschluss mit dem saudischen Patriarchat vor der Öffentlichkeit und dem Kongress zu rechtfertigen.

Wo es um Geld und Sicherheit geht, hat die Moral oft einen schweren Stand: 1951 wurde ein Verteidigungsabkommen abgeschlossen, das den Amerikanern Stützpunkte überließ, das saudische Militär hochrüstete und Offiziere wie Zivilisten zum Studium in die USA schickte. Saudi-Arabien wurde zum antisowjetischen Bollwerk ausgebaut, wobei sich die amerikanische Hegemonialmacht gleichzeitig auf Bündnisse mit Israel und Iran stützte. Nachdem der historische Rivale jenseits des Persischen Golfs mit der Iranischen Revolution 1979 als Verbündeter der USA weggebrochen war, stärkte dies die saudische Position. Auch dank des sowjetischen Einmarschs in Afghanistan 1979 waren die Saudis zurück im Geschäft: Denn Afghanistan, dieser »Friedhof der Großmächte«, wurde zum Exerzierfeld islamistischer, von den Saudis unterstützter Milizen. Osama Bin Laden verdiente sich dort seine Sporen.

11. September 2001. 100 Seiten

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