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b) Geltungserhaltende Reduktion, teilbare Klausel und ergänzende Vertragsauslegung

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Nach allgemeinen, auch im Arbeitsrecht geltenden Grundsätzen, ist eine sog. geltungserhaltende Reduktion nach h.M. verboten, weil sie die Verwendung unzulässiger Klauseln für den Verwender risikolos machen und ihm Spekulationen zulasten seines Vertragspartners ermöglichen würde (wehrt sich dieser nicht, „gewinnt“ der Verwender mit der unwirksamen Klausel, zieht der Vertragspartner dagegen vor Gericht, bekäme der Verwender per geltungserhaltender Reduktion zumindest das, was er von Anfang an hätte vereinbaren können).[185] Beispiel: Ist eine formularmäßige Ausschlussfrist unzulässig kurz gewählt (z.B. nur zwei Monate), so darf der über den Rechtsstreit entscheidende Richter nicht die Unwirksamkeit der Klausel vermeiden, indem er die Frist auf das gerade noch zulässige Mindestmaß (von drei Monaten) oder eine sonst „angemessene“ Dauer verlängert und die derart „korrigierte“ Klausel anwendet (zu Ausschlussfristen vgl. Rn. 411 ff.).

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Von der geltungserhaltenden Reduktion zu unterscheiden ist die erlaubte Aufrechterhaltung des zulässigen Teils einer teilbaren Klausel. Diese ist aber nur möglich, wenn der zulässige Teil – bei Streichung des unzulässigen – einen sinnvollen Gehalt behält, und zwar sowohl sprachlich als auch inhaltlich („blue-pencil-test“); fehlt es daran, fällt auch der an sich zulässige Teil weg und es greift § 306 II BGB.[186]

Beispiele:

(1) Ist lediglich die zweite Stufe einer Ausschlussfrist unzulässig, deren erste aber für sich betrachtet nicht zu beanstanden, so kann zwar die zweite Stufe nicht mehr per geltungserhaltender Reduktion „gerettet“ werden (Rn. 421). Da es sich jedoch i.d.R. um eine sowohl sprachlich wie inhaltlich teilbare Klausel handelt und die Existenz der ersten Stufe einer Ausschlussfrist nicht denklogisch die einer zweiten voraussetzt, kann die erste Stufe regelmäßig isoliert aufrecht erhalten bleiben.[187] Ist dagegen umgekehrt die erste Stufe unzulässig, die zweite – isoliert betrachtet – dagegen zulässig, so wird regelmäßig die gesamte Ausschlussfrist wegfallen, baut doch die zweite Stufe regelmäßig auf der ersten Stufe auf.[188]

(2) Enthält ein Vertragsstrafenversprechen mehrere die Sanktion auslösende Tatbestände, von denen einige zulässig, andere dagegen unzulässig sind, so ist die Klausel inhaltlich meist teilbar (kann doch ein Umstand sanktionswürdig sein, auch wenn es ein anderer nicht ist). Entscheidend ist dann, ob die Klausel sprachlich teilbar ist. Ist das zu bejahen, ist sie teilweise aufrechtzuerhalten, anderenfalls vollständig unwirksam.[189]

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Entsteht infolge der Unwirksamkeit nach § 306 I BGB eine Lücke im Vertragsrecht, die auch nicht durch das Gesetzesrecht (§ 306 II BGB) geschlossen werden kann, so ist unter Umständen eine ergänzende Vertragsauslegung möglich und an die Stelle der unwirksamen Regelung tritt dasjenige, was die Parteien bei einer angemessenen Abwägung der beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragsparteien vereinbart hätten.[190] Um das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion nicht zu konterkarieren, ist das nur höchst ausnahmsweise unter der engen Voraussetzung möglich, dass sich ohne die ergänzende Vertragsauslegung dem Verwender unzumutbare Ergebnisse ergeben würden.[191]

Bei Rückzahlungsklauseln bezüglich Ausbildungs-/Fortbildungskosten, die allein wegen ihrer überlangen Bindungsdauer unzulässig sind, lässt die Rechtsprechung eine Verkürzung der Bindungsdauer auf das zulässige Maß per ergänzender Vertragsauslegung zu (näher dazu Rn. 456 ff.).[192]
Dagegen scheidet eine Verkürzung überlanger Ausschlussfristen per ergänzender Vertragsauslegung aus. Angesichts der Möglichkeit von Verwirkung bzw. Verjährung fehlt es hier an einer ausfüllungsbedürftigen Lücke.[193]

§ 4 Anbahnung und Begründung des Arbeitsverhältnisses › E. Vertragsinhaltskontrolle im Arbeitsrecht › III. Angemessenheitskontrolle von Individualvereinbarungen

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