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4.2 Parthenios und Homer als polare Bezugsgrößen für die Bewertung Vergils (Gell. 13, 27)

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Zwei Abschnitte in den Noctes Atticae thematisieren das Verhältnis zwischen Vergil und seinem Vorbild Homer. In einem, dem kurzen 27. Kapitel des 13. Buches, behandelt Gellius unter dem Titulus De versibus, quos Vergilius sectatus videtur, Homeri ac Partheni zwei nur entfernt vergleichbare Vergilstellen nach verschiedenen griechischen Modellen.1 Bei beiden Stellenpaaren sind jeweils zwei bzw. drei Götternamen, z.T. mit Attribut erweitert, in einem Vers zusammengefasst:

Partheni poetae versus est:Partheniosfrg. 36 ‘Γλαύκῳ καὶ Νηρεῖ καὶ εἰναλίῳ Μελικέρτῃ.’ <frg. 36 Lightfoot = SH 647> Eum versum Vergilius aemulatus est itaque fecit duobus vocabulis venuste inmutatis parem: ‘Glauco et Panopeae et Inoo Melicertae.’Vergilgeorg. 1, 437 <georg. 1, 437> Sed illi Homerico non sane re parem neque similem fecit; esse enim videtur Homeri simplicior et sincerior, Vergilii autem νεωτερικώτερος et quodam quasi ferumine inmisso fucatior: ‘Ταῦρον δ’ Ἀλφειῷ, ταῦρον δὲ Ποσειδάωνι.HomerIl. 11, 728’ <Il. 11, 728> ‘Taurum Neptuno, taurum tibi, pulcher Apollo.’VergilAen. 3, 119 <Aen. 3, 119>

Wenn Gellius gerade Verse von Parthenios und Homer aus dem Kanon möglicher vergilischer Referenztexte2 wählt, so geschieht dies nicht willkürlich, sondern um des exemplarischen Charakters der präsentierten Beispiele willen, der zunächst einmal durch die zeitlichen Verhältnisse gegeben ist: Homer gilt ja als der erste Dichter der Griechen, Parthenios – der angebliche Lehrer Vergils3 – gehört in die unmittelbare Zeitgenossenschaft des Römers. Gellius wählt also die beiden zeitlich am weitesten voneinander entfernten Modelle, auf die Vergil zurückgreifen konnte.

Dass es sich aber nicht nur in zeitlicher, sondern auch in ästhetischer Hinsicht um „Extremfiguren“ handelt, ergibt sich aus einigen Hinweisen auf literaturkritische Diskussionen, wie sie wenige Jahrzehnte vor Abfassung der Noctes Atticae geführt wurden.4 Parthenios erlebte nämlich in der Zeit Hadrians mit ihrer Vorliebe für neoterische Dichtung eine Renaissance.5 Die poetae novelli des 2. bzw. 3. Jhdt. n. Chr.6 optierten ganz nach den Prinzipien der Neoteriker für den feinen, „modernen“ Parthenios und damit gegen großepische Dichtung, wie sie in Gestalt der kyklischen Ependichter seit dem Hellenismus zum literaturkritischen Klischee geworden war. Homer selbst wird dabei zwar nicht kritisiert, homerisierende Großdichtung aber durchaus. Greifbar wird diese Haltung etwa in einem Epigramm der Anthologia Palatina, das dem Dichter Pollianos7 zugeschrieben wird:Anthologia Palatina11, 130

Τοὺς κυκλίους τούτους τοὺς ‘αὐτὰρ ἔπειτα’ λέγοντας | μισῶ, λωποδύτας ἀλλοτρίων ἐπέων. | καὶ διὰ τοῦτ’ ἐλέγοις προσέχω πλέον· οὐδὲν ἔχω γὰρ | Παρθενίου κλέπτειν ἢ πάλι Καλλιμάχου. | ‘θηρὶ μὲν οὐατόεντι’ γενοίμην, εἴ ποτε γράψω, | εἴκελος, ‘ἐκ ποταμῶν χλωρὰ χελιδόνια.’ | οἱ δ’ οὕτως τὸν Ὅμηρον ἀναιδῶς λωποδυτοῦσιν, | ὥστε γράφειν ἤδη ‘μῆνιν ἄειδε, θεά.’ (Anth. Pal. 11, 130 = test. 5 Lightfoot)

(„Wie ich es hasse, dies kyklische Volk mit dem ‘Aber darauf nun’! | Fledderer sind sie am Werk anderer epischer Kunst. | Lieber nehm ich darum die elegische Dichtung; da stehl ich | dem Parthenios nichts, nichts dem Kallimachos fort. | Eher wünschte ich selbst zum ‘ohrigen Tiere’ zu werden, | ehe ich schreibe: ‘Vom Fluss das Chelidionion gelb.’ | Solch ein Gesell aber fleddert so schamlos am großen Homeros, | dass er am Ende noch schreibt: ‘Singe mir, Muse den Zorn!’“ ÜS Beckby)

Bezeichnenderweise wird die kyklische Dichtung in ihrer kaum verhohlenen Homernachfolge hier mit Diebstahls-, d.h. mit Plagiatsvorwürfen in Verbindung gebracht. Als Elegiker folgt Pollianos stattdessen den Prinzipien des Kallimachos und des Parthenios – solchen Dichtern also, bei denen sich wegen der sorgsamen Durcharbeitung ihrer Werke leichtfertiges Plagiieren verbietet.

Die bei Pollianos formulierte Kritik an den Kyklikern wurde einige Jahrzehnte zuvor bereits von Erykios in einem Epigramm gegen Homer selbst gerichtet. Hier treten nicht die Anhänger der beiden Dichter gegeneinander an, sondern Parthenios selbst wird als Homerverächter präsentiert8:Anthologia Palatina7, 377

Εἰ καὶ ὑπὸ χθονὶ κεῖται, ὅμως ἔτι καὶ κατὰ πίσσαν | τοῦ μιαρογλώσσου χεύατε Παρθενίου, | οὕνεκα Πιερίδεσσιν ἐνήμεσε μυρία κεῖνα | φλέγματα καὶ μυσαρῶν ἀπλυσίην ἐλέγων. | ἤλασε καὶ μανίης ἐπὶ δὴ τόσον, ὥστ’ ἀγορεῦσαι | πηλὸν Ὀδυσσείην καὶ πάτον Ἰλιάδα. | τοιγὰρ ὑπὸ ζοφίαισιν Ἐρινύσιν ἀμμέσον ἧπται | Κωκυτοῦ κλοιῷ λαιμὸν ἀπαγχόμενος. (Anth. Pal. 7, 377 = test. 2 Lightfoot)

(„Liegt auch Parthenios schon mit der schmutzigen Lästererzunge | unter der Erde, so gießt trotzdem noch Pech über ihn. | Hat auf die Musen er doch so oft die Flut seines Geifers | und seiner Spottelegien unreine Bosheit gespien. | Ja, er trieb seine Tollheit so weit, dass Homers Odyssee er | einen Morast, dass er Mist die Iliade genannt. | Darum würgten ihn auch mit dem Halsring die finstern Erinnyen | und umketteten ihn mitten im Schlamm des Kokyts.“ ÜS Beckby)

Homer und Parthenios konnten also sowohl zeitlich wie auch ästhetisch als Antipoden gelten, auch wenn sich hinsichtlich der Bewertung Homers und der Kykliker Unterschiede zeigen.

Welchen ästhetischen Kriterien folgt nun aber der knappe Literaturvergleich in Gell. 13, 27? Das erste griechische Zitat mit der Aufzählung von Meeresgottheiten entstammt wohl dem Propemptikon des Parthenios.9 Gellius stellt die Nachahmung als künstlerisch gleichwertig hin: Die beiden als „anmutig“ (vgl. venuste) bewerteten Modifikationen des Partheniosverses durch Vergil, die von Gellius für die ästhetische Äquivalenz der beiden Stellen geltend gemacht werden (itaque fecit … parem), betreffen Einzelwortersetzungen. Statt des Meergottes Nereus erscheint eine seiner Töchter, Panopea, und an die Stelle des Attributs εἰνάλιος tritt das Matronymikon Inous ein. Die metrische Gestaltung des vergilischen Verses zeigt einige „gräzisierende“ Besonderheiten.10 Die Verwendung möglichst vieler (griechischer) Eigennamen in einem Vers galt als Ausweis dichterischer Fertigkeit; in der Ersetzung εἰναλίῳ/Inoo kann man daher wohl eine Überbietungsabsicht Vergils erkennen. Richard Thomas11 hat plausible Gründe dafür vorbringen können, dass beide Änderungen – die auffällige Form Panopea (Πανόπεια) statt des homerischen Πανόπη12 und Inoo13 – durch Kallimachos angeregt worden sind. Damit läge in den Georgica die Verbindung zweier Modelle – Parthenios und Kallimachos – vor, was freilich von Gellius nicht eigens erwähnt wird.

Zwei spätere Varianten bzw. Zitate des Partheniosverses sind erhalten, die in einem komplexeren Verhältnis zu ihren Vorlagen stehen. Der unter Nero schreibende Epigrammatiker Lukillios beginnt eines seiner Epigramme mit den Worten: Γλαύκῳ καὶ Νηρῆι καὶ Ἰνοῖ καὶ Μελικέρτῃ.14Anthologia Palatina6, 164 Hier ist ein klarer Bezug auf Parthenios intendiert, doch hat auch eine der Änderungen Vergils – der Ersatz von εἰναλίῳ durch Inoo – bei Lukillios eine Entsprechung. – Die Vergil-Parthenios-Parallele zitiert auch Macrobius, allerdings mit einer auffälligen Variante im griechischen Text: versus est Parthenii quo grammatico in Graecis Vergilius usus est: Γλαύκῳ καὶ Νηρῆι καὶ Ἰνώῳ Μελικέρτῃ. hic ait: ‘Glauco et Panopeae et Inoo Melicertae’.15MacrobiusSat. 5, 17, 18 Es dürfte außer Frage stehen, dass Gellius den Partheniosvers so gelesen hat, wie er in den modernen Ausgaben erscheint: Gellius benennt ja eindeutig die beiden Stellen, an denen Vergil Änderungen vorgenommen hat (Νηρεῖ/Panopeae; εἰναλίῳ/Inoo).16 Nimmt man also an, dass der Wortlaut bei Gellius authentisch ist, so ist damit zu rechnen, dass Lukillios zu seiner Ersetzung (Ἰνοῖ καὶ anstelle von εἰναλίῳ) durch Vergils Versschluss Inoo Melicertae angeregt worden ist. Die Änderung bei Macrobius ist dann am Einfachsten als nachträgliche Angleichung der Vorlage an den Wortlaut der vergilischen Nachahmung zu erklären.17

Zum zweiten Verspaar: Die Kritik an Vergils Homeranleihe in Aen. 3, 119, die Gellius im Anschluss übt, wird durch die polaren Doppelausdrücke simplicior/sincerior vs. νεωτερικώτερος/quodam quasi ferumine inmisso fucatior eingeleitet. Mit dieser Opposition ist ein Gegensatz von alt und modern gemeint, den Gellius – ohne dies eigens hervorzuheben – wohl vor allem an der Verwendung des Attributs pulcher festmacht.18 Aeneas berichtet in diesem Vers von dem Stieropfer, das Anchises auf Delos vor der Abreise nach Kreta den Göttern Neptun und Apollo dargebracht hat. Verglichen mit dem homerischen Vorbild aus der Erzählung des Nestor im 11. Buch der Ilias unterscheidet sich Vergils Vers nämlich – sieht man von der Ersetzung der Götternamen ab – nur in zwei Punkten, nämlich der Apostrophe tibi19 und, wie bereits erwähnt, dem Attribut pulcher.

Es wäre denkbar, dass Gellius bei seiner kontrastiven Vergilkritik in 13, 27, 3 an einen der frühen Vergilkritiker – vielleicht Probus20 – gedacht hat, den er entweder direkt oder durch einen Kommentar vermittelt kennen konnte. Durch Servius sind noch Spuren der Kritik an Aen. 3, 119 kenntlich:

et quidam ‘pulcher Apollo’ epitheton datum Apollini reprehendunt; pulchros enim a veteribus exsoletos dictos; nam et apud Lucilium <frg. 27 Krenkel = frg. 23 Marx> Apollo pulcher dici non vult. (DServ ad Aen. 3, 119 = I 364, 27–28 Thilo-Hagen)

Die von Servius zitierten anonymen Kritiker beanstandeten Vergils Wortwahl, indem sie sich auf den zur Entstehungszeit der Aeneis geltenden usus beriefen, der dem Adjektiv einen anzüglichen Nebensinn unterlegt (pulcher ~ exoletus).21 Dieser beim Satiriker Lucilius durch den Gott Apollo persönlich gerügte Wortgebrauch lässt sich etwa auch beim Neoteriker Catull beobachten.22 Tatsächlich wird das Attribut, wenn von Apollo die Rede ist, in der lateinischen Dichtung in der Regel vermieden – die bei Servius dokumentierte Kritik an Vergils Vers ist also wohl zutreffend.23

Freilich ist von einem anzüglichen Nebensinn bei Gellius nicht die Rede. Wenn er Aen. 3, 119 als νεωτερικώτερος bezeichnet, so rückt er zunächst einmal die zeitliche Distanz zu Homer in den Vordergrund. Die Metapher von der geschminkten Rede (fucata oratio), die Gellius bei seiner Erläuterung des Sachverhalts bringt, ist ganz in diesem Sinn gebraucht: Sie lässt sich seit Seneca in der lateinischen Literatur nachweisen und impliziert eine diachrone Komponente, nämlich die Abgrenzung des verkommenen modernen vom natürlichen alten Stil.24 Tacitus verwendet sie etwa ganz ähnlich wie Gellius, wenn er im Dialogus Messalla die Impulsivität bzw. würdevolle Reife (impetum aut … maturitatem) von früheren Rednern wie C. Gracchus oder L. Crassus der verfeinerten Künstelei und dem Versgeklingel (calamistros … aut tinnitus)25 der Modernen – Maecenas oder Gallio – gegenüberstellen lässt.26

Rechnet Gellius Vergil in 13, 27, 3 unter die Neoteriker im heutigen Sinn, wenn er Aen. 3, 119 als νεωτερικώτερος bezeichnet? Ein Blick auf die Verwendung des Terminus bei Servius führt hier weiter. Grundsätzlich ist hier von der ursprünglichen relationalen Bedeutung des Begriffs auszugehen – die neoterici sind diejenigen Autoren, die nach Vergil geschrieben haben. Servius verknüpft diese relationale Bedeutung freilich auch mit einer bestimmten Wertung:27

Namentlich werden bei Servius die Autoren Persius, Juvenal und Lucan unter die neoterici gerechnet, also allesamt Dichter, die nach Vergil geschrieben haben.28 Die drei Autoren werden angeführt, um chronologisch nach Vergil liegende sprachliche Entwicklungen in Abgrenzung zur jeweils besprochenen Stelle zu belegen. An einem Punkt scheint aber eine Unterscheidung zwischen posteriores im Allgemeinen und neoterici gemacht zu sein, und zwar in dem Sinn, dass Servius den Sprachgebrauch der als neoterici qualifizierten Autoren nicht zur Nachahmung empfiehlt.29 Wie richtig bemerkt wurde, hat der Begriff bei Servius aber keine streng klassifizierende Bedeutung, sondern kann bei Gelegenheit verwendet werden, um die grundsätzlich nicht in Frage gestellte auctoritas nachvergilischer Autoren wie Persius, Lucan oder Juvenal an der betreffenden Stelle vorübergehend zu relativieren. An einer Stelle kontrastiert Servius etwa den Sprachgebrauch der nachzuahmenden Autoren (auctores idonei) und der – folglich also nicht nachzuahmenden – neoterici.30 Konkret geht es um zwei morphologische Alternativen, von denen die eine empfohlen, die andere abgelehnt wird. „Neoterischer“ Sprachgebrauch kann auch als Argument dienen, eine bestimmte Lesart zu verwerfen.31 An anderen Stellen ist die – mit putant bzw. putatur als Zitat aus früheren Kommentatoren markierte – Ablehnung der als „neoterisch“ qualifizierten Stellen zwar nicht explizit gemacht, lässt sich aber wegen der jeweils vorliegenden sprachlichen Gewagtheiten erschließen.32 An einer weiteren Stelle wird deutlich, dass Servius unter „neoterisch“ auch das versteht, was überflüssig ist und gegen die gravitas des Gedichts verstößt.33 Festzuhalten bleibt jedenfalls, dass neoterici bei Servius – im Gegensatz zu neutralen Relationsbegriffen wie recentiores – in der Regel mit einer negativen Wertung verbunden wird.34 Wie die Verwendung des Begriffes neoterici bei Probus35 und in den anonym zitierten Vergilkommentaren zeigt, dürfte sich die damit verbundene negative Wertung bei den antiken Vergilphilologen eingebürgert haben und kann somit auch für die Noctes Atticae angenommen werden.

Da es keine Anhaltspunkte gibt, dass Gellius Aen. 3, 119 wegen des möglichen obszönen Nebensinns von pulcher kritisiert und den Vers deshalb als „neoterisch“ geißelt, so bleibt als die wahrscheinlichere Deutungsmöglichkeit, dass er den Zusatz eines Adjektivs selbst als eine Abweichung vom alten, d.h. einfachen und unverfälschten homerischen Stil (vgl. simplicior et sincerior) betrachtet. Diese Betrachtungsweise, d.h. die Frage nach der Notwendigkeit eines bestimmten sprachlichen Ausdrucks, hat eine Entsprechung in den ästhetischen Grundsätzen der Homerphilologen, dürfte also von dort in die Vergilphilologie übernommen worden sein.

Die antiken Homerkommentatoren befassten sich – abgesehen von den vielen semantischen Problemen, die sich auf diesem Gebiet ergaben; vgl. dazu Nünlist (2009), S. 299 – hauptsächlich mit der Frage, ob Homer seine Epitheta glücklich gewählt hat oder nicht.36 Man unterschied in problematischen Fällen zwischen dem aktuellen Kontext (τότε), der bei der Wahl nicht unbedingt berücksichtigt werden musste, und einer „generellen“ Gültigkeit eines Beiworts (φύσει); vgl. Nünlist (2009), S. 300–305. Im Zuge der intensiven Forschungen über homerische Epitheta, die in der Antike betrieben wurden, wurden in manchen Kontexten Epitheta auch als „überflüssig“ (περισσός) kritisiert; vgl. Nünlist (2009), S. 303. Vergils Verwendung von pulcher kann also vor diesem Hintergrund ebenfalls als περισσός bzw. superfluus bezeichnet werden; demgegenüber hebt sich die Zurückhaltung Homers positiv ab.37

Gell. 13, 27 stellt also eine literaturhistorische Miniaturbetrachtung dar, in der Vergil zu zwei diachron weit entfernten Bezugsautoren ins Verhältnis gesetzt wird. Das Ergebnis der kontrastiven Gegenüberstellung fällt – zumindest an dieser Stelle, doch scheint die Einschätzung Allgemeingültigkeit zu beanspruchen – ambivalent aus: Im unmittelbaren literaturgeschichtlichen Umfeld glückt Vergils Versuch der aemulatio, an Homers archaische Schlichtheit reicht er hingegen nicht heran. Eine solche Gegenüberstellung fügt sich in die nach Quintilian bis auf Domitius Afer zurückgehende Vorstellung, wonach Vergil als der „ewige Zweite“ zwar alle anderen Dichter übertrifft, an Homer aber nur schwerlich heranzureichen vermag.38 Bei Quintilian findet sich im Nachsatz wie bereits erwähnt dieselbe scharfe Opposition ästhetischer Grundkategorien – sorgfältige Ausarbeitung bzw. ars vs. natürlich-einfache Schöpfung bzw. ingenium –, die auch der Gegenüberstellung Vergils mit Parthenios und Homer in Gell. 13, 27 zugrunde liegt.

Homer und Vergil im Vergleich

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