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1.3.2 Dionysios von Halikarnassos über die Funktion komparativer Literaturkritik (Pomp. 1)

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Neben diesen Beispielen für ihre praktische Anwendung hat es in der Antike aber auch vereinzelt theoretische Reflexion über die Zielbestimmung der literaturkritischen Synkrisis gegeben, und zwar in einem Gebiet, das neben den Dichtervergleichen als der zweite große Gegenstandsbereich komparativer Literaturkritik angesprochen werden kann, nämlich den Vergleichen von Prosaautoren. Hierzu gehört insbesondere die bereits erwähnte, relativ kurze Passage in einem Brief des Geschichtsschreibers und Literaturkritikers Dionysios von Halikarnassos, der in augusteischer Zeit in Rom gewirkt hat und als Hauptvertreter des sog. „römischen Klassizismus“ gilt.1 Es handelt sich um das Einleitungskapitel zum Brief an Gnaeus Pompeius GeminusDionysios Hal.Pomp. 1, wohl ein Spätwerk des Autors.2 Der Text steht zwar nicht repräsentativ für alle literaturvergleichenden Untersuchungen in der Antike, er leistet allerdings wichtige begriffliche Differenzierungen, insbesondere mit seiner Abgrenzung der Kategorien ἔπαινος und διάγνωσις, die auch die bereits bei Quintilian erkennbare Grundproblematik der Homer-Vergil-Vergleiche betrifft.

Dionysios verteidigt im genannten Abschnitt sein methodisches Vorgehen in der Schrift über Demosthenes. Dort hatte er einen Vergleich zwischen dem Redner Demosthenes und dem Philosophen Platon angestellt, der sich hauptsächlich auf stilistische Aspekte konzentrierte. Das abschließende Urteil dieser Synkrisis war zuungunsten Platons ausgefallen. Gnaeus Pompeius Geminus hatte Dionysios nun in einem nicht erhaltenen Brief unterstellt, dass es dessen Absicht gewesen sei, Platon mit diesem Vergleich zu kritisieren, seine stilistische Autorität also polemisch in Frage zu stellen. Dionysios kontert, indem er sich zunächst als einen großen Bewunderer Platons darstellt. Er behauptet außerdem, dass er mit seiner Platonbewunderung ganz auf der Linie einer bestimmten Gruppe von Literaturkritikern liegt, denen es um eine „Verbesserung von βίος und λόγος“ zu tun ist – eine Formel, mit der Dionysios auch an anderer Stelle seine klassizistischen Parteigänger umschreibt, Kritiker also, deren Urteil er für maßgeblich hält.3 Gnaeus Pompeius habe die Tendenz der Demosthenes-Schrift aus der Sicht ihres Autors also falsch interpretiert, und folglich geht es Dionysios im Abschnitt Kap. 3–8 zunächst darum, dieser Fehlinterpretation eine alternative Deutung entgegenzusetzen.

Das geschieht insbesondere in Kapitel 3: Dionysios kommt es an dieser Stelle darauf an, dass er keine Lobschrift (ἔπαινος) über den Redner hatte schreiben wollen, sondern dass es ihm um eine differenzierende Analyse – das Stichwort lautet διαγνῶναι – von Vorzügen und Schwächen des Demosthenes ging:

Ἐγὼ οὖν νομίζω δεῖν, ὅταν μὲν ἔπαινον προέληται γράφειν τις πράγματος εἴτε σώματος ὁποίου γέ τινος, τὰς ἀρετὰς αὐτοῦ καὶ οὐ τἀτυχήματα, εἴ τινα πρόσεστι, [τῷ πράγματι ἢ τῷ σώματι δεῖν] προφέρειν· ὅταν δὲ βουληθῇ διαγνῶναι, τί τὸ κράτιστον ἐν ὅτῳ δή ποτε βίῳ καὶ τί τὸ βέλτιστον τῶν ὑπὸ ταὐτὸ γένος ἔργων, τὴν ἀκριβεστάτην ἐξέτασιν προσφέρειν καὶ μηδὲν παραλείπειν τῶν προσόντων αὐτοῖς εἴτε κακῶν εἴτε ἀγαθῶν· ἡ γὰρ ἀλήθεια οὕτως εὑρίσκεται μάλιστα, ἧς οὐδὲν χρῆμα τιμιώτερον. (Dion. Hal. Pomp. 1, 3 = VI 222, 1–10 Usener-Radermacher)

(„Ich halte es also für notwendig, wenn man eine Lobrede auf eine Handlung oder eine Person – wie immer sie auch beschaffen sein mag – zu schreiben unternimmt, dass man die Vorzüge und nicht das Misslungene, wenn es denn welches gibt, vorbringt. Wenn man aber unterscheidend erkennen möchte, was das Vortrefflichste in irgendeinem Leben und was die beste unter Taten gleicher Art ist, <so muss man> die genaueste Untersuchung anstellen und darf nichts übergehen von dem Schlechten und dem Guten, was sich mit ihnen verknüpft. Auf diese Weise aber gelangt man am ehesten zur Wahrheit, die doch den höchsten Wert besitzt.“)

Als Maßstab einer derartigen „unterscheidenden Erkenntnis“ beruft sich Dionysios also auf das Kriterium der Wahrheit (ἀλήθεια), womit er offenkundig eine nicht tendenziöse, rein sachbezogene inhaltliche und stilistische Analyse meint. Dieses Kriterium hat für den ἔπαινος weniger Relevanz als für die διάγνωσις und wird hier geradezu als das differenzierende Merkmal zwischen Lob und Analyse eingeführt.

Die Unterscheidung dieser beiden Gattungen und die besondere Wahl, die Dionysios trifft, wird in den Kapiteln 4–8 näher ausgeführt. Zentral ist das Argument in Kapitel 5: Zur Erkenntnis der Stileigentümlichkeiten einzelner Reden bzw. einzelner Redner sei es hilfreich, zunächst eine Auswahl der Besten – an anderer Stelle ist allgemeiner von „Gleichartigen bzw. -rangigen“ die Rede – zu treffen und diese dann miteinander zu vergleichen. Damit lasse sich schließlich zwar ebenfalls eine Entscheidung darüber treffen, wer von dieser Bestenauswahl wiederum den ersten Platz erhält, die Qualität der unterlegenen Autoren werde damit aber nicht in Frage gestellt.

εἰ δὲ χαρακτῆρας λόγου προελόμενος σκοπεῖν καὶ τοὺς πρωτεύοντας ἐν αὐτοῖς φιλοσόφους τε καὶ ῥήτορας ἐξετάζειν τρεῖς μὲν ἐξ ἁπάντων ἐξελεξάμην τοὺς δοκοῦντας εἶναι λαμπροτάτους, Ἰσοκράτην τε καὶ Πλάτωνα καὶ Δημοσθένη, ἐκ δὲ τούτων αὐτῶν πάλιν προέκρινα Δημοσθένη, οὐδὲν ᾤμην οὔτε Πλάτωνα οὔτε Ἰσοκράτην ἀδικεῖν. (Dion. Hal. Pomp. 1, 5 = VI 222, 17–223, 2 Usener-Radermacher)

(„Wenn ich aber in dem Entschluss, die Stilarten der Rede genau zu betrachten und die in diesen jeweils ranghöchsten Philosophen und Redner herauszustellen, aus der Gesamtheit drei ausgewählt habe, die mir die glänzendsten zu sein scheinen, Isokrates, Platon und Demosthenes, aus diesen aber wiederum Demosthenes den Vorzug gegeben habe, so glaubte ich weder Platon noch Isokrates Unrecht zu tun.“)

Wieder versteht der fiktive Interlokutor Gnaeus Pompeius den Gedanken des Dionysios falsch, wenn er einwendet, ein Lob des Demosthenes hätte auch ohne eine vermeintliche Herabsetzung Platons auskommen können. Dionysios antwortet mit dem Hinweis, dass er von allen drei Autoren die besten Reden für seinen Vergleich ausgewählt und dabei festgestellt habe, dass alle Reden in ihren Teilen unterschiedliche Qualitätsstufen erreichten und erst eine Gesamtschau der differenzierten Urteile ein vor dem Maßstab der „Wahrheit“ belastbares Pauschalurteil zulässt:

Νὴ Δία, φῄς, ἀλλ’ οὐκ ἔδει σε τὰ Πλάτωνος ἁμαρτήματα ἐξελέγχειν, βουλόμενον ἐπαινεῖν Δημοσθένη. ἔπειτα πῶς ἄν μοι τὴν ἀκριβεστάτην βάσανον ὁ λόγος ἔλαβεν, εἰ μὴ τοὺς ἀρίστους λόγους τῶν Ἰσοκράτους τε καὶ Πλάτωνος τοῖς κρατίστοις <τῶν> Δημοσθένους ἀντιπαρέθηκα καὶ καθ’ ὃ μέρος ἥττους οἱ τούτων λόγοι εἰσὶ τῶν ἐκείνου, μετὰ πάσης ἀληθείας ἐπέδειξα, οὐχ ἅπαντα τοῖς ἀνδράσιν ἐκείνοις ἡμαρτῆσθαι λέγων – μανίας γὰρ τοῦτό γε –, ἀλλ’ οὐδ’ ἅπαντα ἐπίσης κατωρθῶσθαι. (Dion. Hal. Pomp. 1, 6 = 223, 3–12 Usener-Radermacher)

(„‘Beim Zeus’, sagst du, ‘doch hättest du nicht die Fehler Platons aufzählen müssen, wenn es deine Absicht war, Demosthenes zu preisen.’ Wie hätte sich dann aber meine Rede der schärfsten Prüfung unterziehen können, wenn ich nicht die besten Reden des Isokrates und Platons mit den hervorragendsten von Demosthenes verglichen und nicht völlig der Wahrheit gemäß gezeigt hätte, in welchem Bereich ihre Reden schwächer als seine sind, ohne dabei zu behaupten, dass sich jene Männer in jeder Hinsicht verfehlt hätten – das wäre nämlich reiner Wahnsinn –, sondern nur, dass nicht alles in gleicher Weise ausgearbeitet sei.“)

Es ergibt sich also eine Akzentverschiebung: Während sich Gnaeus Pompeius ganz auf das Ergebnis der Synkrisis konzentriert, rückt dieser Aspekt für Dionysios in den Hintergrund. Diesem ist der Prozess des Vergleichens wichtiger. Zwar positioniert auch Dionysios seine drei Autoren auf einer imaginären Bestenliste, doch bringt es die Entscheidung für die „Wahrheit“ als leitendem Kriterium mit sich, dass die Bewertung der einzelnen Autoren differenzierter ausfällt, was grundsätzlich auch für den Erstplatzierten Demosthenes gelten muss – nur dass dieser eben verhältnismäßig wenig oder gar keinen Anlass zur Kritik gibt.

Dionysios enttäuscht damit in mehrfacher Hinsicht die Erwartungen seines Lesers Gnaeus Pompeius: Die Bewertung Platons im Demosthenes widerspricht grundsätzlich der Einschätzung des Pompeius. Zugleich ist dieser aber irritiert, dass Dionysios nicht nur die negativen, sondern auch die positiven Seiten des Unterlegenen herausarbeitet und damit weder einen kunstgerechten Angriff4 noch einen ἔπαινος auf Platon vorbringt. Der vermeintliche ἔπαινος auf Demosthenes entspricht in den Augen dieses Lesers aber ebenfalls nicht den Regeln der Kunst, da Platon und Isokrates nicht wie zu erwarten pauschal abgewertet, sondern durchaus gerecht und differenziert behandelt werden.5 Der Grund für diese Verwirrungen ist klar: Gnaeus Pompeius geht nicht von der bei Dionysios getroffenen Unterscheidung zwischen ἔπαινος und διάγνωσις aus; er legt an alle Abschnitte der Schrift die Maßstäbe des ἔπαινος an.

Zur Rechtfertigung seines methodischen Vorgehens beruft sich Dionysios in den Kapiteln 9–14 auf die Autorität Platons selbst, der mit der Gegenüberstellung verschiedener ἐρωτικοὶ λόγοι im Phaidros gewissermaßen einen Prototyp literaturkritischer Synkrisis geschaffen habe. Dionysios kommt es auf einen bestimmten Gesichtspunkt an, nämlich auf das grundsätzliche Verhältnis von Literaturvergleich und Polemik. Er setzt sich nämlich im gleichen Zug von seinem formalen Vorbild Platon ab, wenn er darauf hinweist, dass dieser im Gegensatz zu ihm aus „Eifersucht“ bzw. „Neid“ – φιλοτιμία6 – gehandelt habe, wenn er seinen Zeitgenossen Lysias durch Konfrontation mit einer selbstverfassten Rede herabsetzt; ein Charakterzug, der dann auch generell in anderen Schriften Platons, besonders aber in seinem Verhältnis zu Homer nachgewiesen wird. Das Autoritätsargument wird hier also mit dem bereits eingeführten Gesichtspunkt der Objektivität, d.h. der durch keine anderen Interessen gestörten Suche nach der „Wahrheit“, erweitert.

Ein letzter Rechtfertigungsgrund kommt am Ende des Gedankengangs nur kurz ins Spiel, nämlich in Kapitel 16. Hier verweist Dionysios darauf, dass sich eine objektive, um die Wahrheit bemühte kritische Behandlung Platons auf eine Tradition berufen kann, die bis in die unmittelbare Zeitgenossenschaft Platons – verwiesen wird auf Aristoteles – zurückreicht:

πολλοὶ γὰρ εὑρεθήσονται πρὸ ἐμοῦ τοῦτο πεποιηκότες, οἳ μὲν κατὰ τὸν ἐκείνου γενόμενοι χρόνον, οἳ δὲ λίαν ὕστερον ἐπακμάσαντες. καὶ γὰρ τὰ δόγματα διέβαλον αὐτοῦ τινες καὶ τοὺς λόγους ἐμέμψαντο πρῶτον μὲν ὁ γνησιώτατος αὐτοῦ μαθητὴς Ἀριστοτέλης, ἔπειτα οἱ περὶ Κηφισόδωρόν τε καὶ Θεόπομπον καὶ Ζωΐλον καὶ Ἱπποδάμαντα καὶ Δημήτριον καὶ ἄλλοι συχνοί, οὐ διὰ φθόνον ἢ διὰ φιλαπεχθημοσύνην κωμῳδοῦντες ἀλλὰ τὴν ἀλήθειαν ἐξετάζοντες. (Dion. Hal. Pomp. 1, 16 = VI 226, 6–15 Usener-Radermacher)

(„Viele aber wird man finden, die das vor mir getan haben, wobei die einen zu seiner Zeit gelebt haben, die anderen hingegen viel später. Manche aber kritisierten seine Lehren, andere tadelten seine Redeweisen, an erster Stelle der Schüler, der ihm am nächsten kam, Aristoteles, dann auch Männer um Kephisodoros, Theopompos, Zoilos, Hippodamas, Demetrios und viele andere, die ihn nicht aus Neid oder Streitsucht verlachten, sondern weil sie nach der Wahrheit suchten.“)

Der Vergleich der Guten mit den Guten – ἀγαθοὺς ἀγαθοῖς ἀντεξετάζειν7 – kann sich also auf drei Argumente stützen: Die Autorität Platons selbst, die Objektivität einer von φιλοτιμία freien Wahrheitssuche, und die Tradition der in diesem Sinne tadellosen kritischen Vorgänger. Eine solcherart legitimierte synkritische Lektüre fügt sich – damit beendet Dionysios seine Rechtfertigung – ein in das Konzept einer „philosophischen Rhetorik“ (φιλόσοφος ῥητορική), ein Schlüsselterminus klassizistischer Literaturkritik:8

τοσούτοις δὴ καὶ τηλικούτοις ἀνδράσι παραδείγμασι χρώμενος καὶ παρὰ πάντας τῷ μεγίστῳ Πλάτωνι οὐδὲν ἡγούμην τῆς φιλοσόφου ῥητορικῆς ποιεῖν ἀλλότριον ἀγαθοὺς ἀγαθοῖς ἀντεξετάζων. περὶ μὲν οὖν τῆς προαιρέσεως, ἣν ἔσχον ἐν τῇ συγκρίσει τῶν χαρακτήρων, ἱκανῶς ἀπολελόγημαι καὶ σοί, Γεμῖνε φίλτατε. (Dion. Hal. Pomp. 1, 17 = VI 226, 15–21 Usener-Radermacher)

(„Mit so vielen und so bedeutenden Männern als Vorbildern und insbesondere mit dem größten unter ihnen, Platon selbst, glaubte ich nichts zu tun, was der philosophischen Rhetorik widerspricht, indem ich die Guten mit den Guten verglich. Über meine Absichten, die ich beim Vergleich der Stile verfolgte, habe ich mich nun sogar für deine Begriffe, mein bester Geminos, ausreichend erklärt.“)

An dieser Stelle wird deutlich, dass Dionysios die von ihm vorgeschlagene Methode der vergleichenden διάγνωσις über den i.e.S. rhetorisch-stilistischen Bereich hinaushebt und ihr eine allgemeine erzieherisch-bildende Funktion zuweist. Für die vorliegende Untersuchung ist diese spezifische Einbettung in ein geschlossenes didaktisches System mit hohen kulturellen Ansprüchen nur in Teilen von Relevanz. Wichtiger ist der allgemeine Hinweis, den Dionysios mit seiner Unterscheidung von ἔπαινος und διάγνωσις gibt: Nicht jede vergleichende Bewertung von Autoren impliziert automatisch eine Hierarchisierung dieser Autoren nach denselben Kriterien. Der Fokus verschiebt sich bei Dionysios wie erwähnt vom Ergebnis des Vergleichs hin zum Prozess des Vergleichens. Der Vergleich hat bei Dionysios nicht mehr das primäre Ziel, eine fixe Rangliste zu erstellen, sondern dient als heuristisches Instrument zur Identifizierung nachahmenswerter Stileigentümlichkeiten. Das eröffnet grundsätzlich die Möglichkeit, Autoren nach ihrer literaturgeschichtlichen Eigengesetzlichkeit zu beurteilen. Gerade in der frühen Diskussion um den „Plagiator“ Vergil wird dieses Element zum Tragen kommen, wenn Vergils Kunst als Inbegriff künstlerischer imitatio gegen einen überkommenen furtum-Begriff ausgespielt wird. Homer und Vergil sind am Ende dieses Prozesses eben nicht mehr ohne Weiteres miteinander vergleichbar, wie aus der etwas „schiefen“ Rangbestimmung bei Quintilian ersichtlich wird: Einerseits versucht er bzw. der zitierte Domitius Afer in inst. 10, 1, 86 eine traditionelle Rangfolge zu etablieren, andererseits gesteht er mit seiner Unterscheidung von ingenium und ars ein, dass die beiden Autoren von unterschiedlichen ästhetischen Prinzipien ausgehen und daher grundsätzlich nicht vergleichbar sind. Weist man gelungene imitatio als Element von ars aus, wie es Klassizisten wie Dionysios getan haben, so verliert der Plagiatsvorwurf seine Bedeutung. Die im Folgenden zu untersuchenden Texte stellen sich alle in unterschiedlicher Weise der Herausforderung, Homer und Vergil sowohl unter dem Gesichtspunkt ihrer relativen Hierarchisierung als auch ihrer künstlerischen Eigentümlichkeit zu bewerten. Am Beginn steht die nur mehr sekundär bezeugte Debatte über die vermeintlichen Homerplagiate Vergils.

Homer und Vergil im Vergleich

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