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Das tägliche Segnen
ОглавлениеViele spirituelle Lehren und zahlreiche Mystiker betonen, wie wichtig es für den spirituellen Schüler ist, ein ständiges Bewusstsein für das Göttliche zu entwickeln. Der vietnamesische Buddhistenlehrmeister Thich Nhat Hanh schlägt vor, dies zu erreichen, indem man in der Gegenwart lebt. Einer der großen Klassiker des christlichen Mystizismus ist The Practice of the Presence of God von Bruder Lawrence, einem französischen Zisterziensermönch des siebzehnten Jahrhunderts, der in der Klosterküche arbeitete. Er betont diese Übung als eine privilegierte Form, mit der sich ein solches Bewusstsein entwickeln lässt. Praktiken wie diese mögen in einem Ashram am Himalaja, einem Kloster in Montana und in einer Pilgergemeinschaft während der muslimischen Haddsch gen Mekka – oder auch während Ihrer Morgenmeditation zu Hause in Toronto, London oder Manhattan – relativ einfach umzusetzen sein. Doch wie können Sie ein spirituelles Bewusstsein aufrechterhalten, wenn Sie allein mit jemandem in einem Aufzug stecken, der gerade einen epileptischen Anfall hat? Wie können Sie Ihre spirituelle Haltung während eines transatlantischen Flugs bewahren, während sich das Baby auf dem Sitz hinter Ihnen die Lunge aus dem Leib schreit? Wie können Sie ruhig bleiben, wenn jemand Sie grundlos beleidigt? Wie können Sie in einem Flüchtlingslager Liebe statt Mitleid empfinden, wenn Hunderte von hungernden Kindern an Ihren Kleidern zerren?
Das Segnen ist ein einfacher Weg, um ein ständig zentriertes Bewusstsein zu entwickeln. Es ist außerdem ein Mittel, mit dem man seine universale Liebe wachsen lassen und Urteile vermeiden kann. Wenn Sie das völlige Glück und die echte Integrität aller, denen Sie begegnen, segnen, ohne sich auch nur im Geringsten um ihr Äußeres, ihren Gesichtsausdruck, ihre Herkunft, Schicht, ihr Geschlecht oder andere Schubladen zu kümmern, wenn Sie ihnen aus dem Innersten Ihres Wesens das Beste wünschen, wird es Ihrem Herzen unmöglich sein, sich nicht zu weiten. Aus einer engen Kammer wird ein Tempel ohne Mauern werden.
Spirituelle Lehrmeister erinnern ständig daran, dass man spirituell nicht wachsen kann, wenn einen die Gewohnheit belastet, andere zu beurteilen. Aber glauben Sie mir das nicht einfach, sondern probieren Sie es selbst aus. Versuchen Sie, jeden einzelnen urteilenden Gedanken systematisch durch einen Segen zu ersetzen – vor allem für den Typ in der Firma, der Sie wahnsinnig macht!
Ich liebe die Worte, die der spirituelle Philosoph David Spangler in seinem wundervollen Buch Blessing: The Art and the Practice schreibt:
Das Segnen ist keine Technik, die wir anwenden, sondern eine Gegenwart, die wir verkörpern. Es ist kein Akt, den wir an jemandem oder an etwas ausführen, sondern eine Beziehung, die wir zu ihnen aufnehmen, die uns alle befähigt, in der Gegenwart einer Welt ohne Hindernisse willkommen zu sein.
Er fügt hinzu, dass ein Segen viele Formen annehmen kann. Er kann eine Umarmung, der Klang einer Stimme, ein Wort oder ein Blick sein. Was all diese Dinge zu einem Segen macht, ist der Geist, den wir hineinlegen.
Erschaffen Sie Ihre eigenen Arten zu segnen. Es gibt keine festen Regeln dafür. Meine Art zu segnen hat sich über die Jahre geändert. Wenn ich heute Menschen auf der Straße, im Bus oder sonst wo segne, sage ich in meinem Herzen: »Namaste! Ich habe dich lieb. Ich segne dich in deiner göttlichen Vollkommenheit und völligen Glückseligkeit.« (Namaste ist ein Begriff aus dem Sanskrit, der »Ich erkenne das Göttliche in dir an« bedeutet.) Ich versuche, die Liebe wirklich zu empfinden. Das zwingt mich, über die körperliche Erscheinung, die nicht immer sonderlich einladend ist, hinwegzusehen und die dahinter verborgene, (harmonische,) perfekte spirituelle Realität zu erkennen.
Versuchen Sie zu segnen. Sie werden der Erste sein, der dadurch gewinnt!
Ich möchte das Ende der Geschichte, mit der dieses Kapitel begonnen hat, mit Ihnen teilen. Vor ein paar Jahren traf ich bei einer dieser »zufälligen« Begegnungen, die das Schicksal uns regelmäßig verschafft, den Menschen wieder, der jene unangenehme Situation herbeigeführt hatte, die mich dazu gebracht hatte, meinen Job zu kündigen, und die mich letztendlich dazu brachte, die Kunst des Segnens zu entdecken. Es war während einer Tagung einer Organisation, der wir beide angehörten. Ich finde keine Worte für die unglaubliche Freude, die mich überkam, oder für die Liebe – und vor allem Dankbarkeit –, die ich für diesen Mann empfand. Es war einer der stärksten Augenblicke tiefer Freude, die ich je erlebt habe. Diese Freude hielt noch tagelang an. Selbst während ich das hier schreibe, habe ich dieses Glücksgefühl.
Hier war nun der Mensch, durch den ich offensichtlich eine Tätigkeit verloren hatte, die mir großen Spaß gemacht hatte, in der ich enorme Freiheit gehabt hatte und in der ich mich sehr nützlich für die Gesellschaft gefühlt hatte – und alles, was ich nun empfand, war tiefe Dankbarkeit, die aus meiner Seele aufstieg.
Diese Erfahrung war ein Meilenstein für mich. Denn sie befähigte mich zu fühlen (nicht zu wissen oder zu glauben, sondern tatsächlich zu fühlen), dass es für mein Leben einen vollkommenen Plan gibt – dass das, was mit mir geschieht, immer so ausgehen wird, dass es in meinem Interesse ist, solange mein Leben in absoluter Aufrichtigkeit und der Integrität meines Wesens wurzelt.
Auf irgendeiner Ebene sind sogar unsere Feinde (ganz besonders unsere Feinde!) – egal ob es sich um Umstände oder Leute handelt – die besten Freunde unserer Weiterentwicklung.
In was für einem erstaunlichen Universum leben wir doch!