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Einleitung

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chon immer war das Segnen eine spirituelle Handlung der Menschheit. Die ritualisierte Form des Segens, in dem die meisten religiösen Feiern des Christentums enden, ist nur eine Form des Segnens, das in allen Kulturen zu finden ist. Doch statt lediglich ein Ritual zu sein, mit dem religiöse Feiern abgeschlossen werden, besitzt die Handlung des Segnens die Kraft, Ihr Leben auf verschiedene Weisen zu bereichern, die Sie nie für möglich halten würden – Weisen, die ich persönlich erlebt habe.

Dieses Buch wurde aus einer spirituellen Erfahrung heraus geboren, die mein Leben zutiefst beeinflusst und es mir ermöglicht hat, die tiefe Bedeutung des Segnens zu erkennen. Das Segnen beruht auf spirituellen Gesetzen, die jeder von uns für sich entdecken kann, damit wir besser und erfüllter leben können. Mein eigenes Erlebnis bestärkte mein intuitives Gefühl, dass diese spirituellen Gesetze, die vor langer Zeit in den großen geistlichen Lehren der Menschheit beschrieben wurden, die tiefste Grundlage unseres Lebens im Universum sind – oft ohne unser Wissen. Sie sind genauso präzise und effizient wie die Gesetze der physikalischen Welt, und die Entdeckung dieser Gesetze könnte einer der größten Durchbrüche des neuen Jahrtausends sein. Sie würde der Evolution des menschlichen Bewusstseins, der Weiterentwicklung des Einzelnen und der ganzer Völker einen außergewöhnlichen Anstoß geben. Wie Sie sehen werden, fangen Sie durch das Segnen an, im Einklang mit diesen spirituellen Gesetzen zu leben. Ab diesem Punkt warten unbeschreibliche Belohnungen wie zum Beispiel anhaltende Freude, ein Gefühl von Erneuerung und innerer Frieden auf Sie.

Ich habe dieses Buch nicht als Akademiker oder Meister der Spiritualität oder Religion geschrieben. Während meiner gesamten beruflichen Laufbahn engagierte ich mich für die Erschaffung einer Welt mit etwas mehr Gerechtigkeit und Mitgefühl, einer Welt, die für alle (einschließlich der Natur) gleichermaßen da ist. Viele Jahre lang konzentrierte ich mich auf soziologische Recherchen und internationale Entwicklungen, und dann auf die Ausbildung älterer Arbeitsloser und Menschen, die mit einem Einkommen an der Existenzgrenze auskommen mussten. In letzter Zeit lebe ich dieses Engagement in Workshops aus, in denen ich mit Menschen aller Schichten ausarbeite, wie man ein ganzheitlicheres Leben mit einem Fokus auf die wahren Werte erreichen kann.

Ganz am Anfang meines Berufslebens rüttelte mich ein Erlebnis auf und zeigte mir, dass es sinnlos ist, zu versuchen, soziale, politische und ökonomische Strukturen zu ändern, wenn wir nicht auch die Herzen der Leute ändern. Mitte der 1960er arbeitete ich als Soziologe in Algerien, das eines der seltenen Entwicklungsländer ist, die sich nach einem langen, bitteren und oft grausamen Befreiungskrieg ihre Unabhängigkeit erkämpft haben. Der Staatsoberste des Landes war ein General, der den unabhängig ernannten Präsidenten ins Gefängnis geworfen hatte. Jede gesetzliche Opposition war verboten, doch überall existierten noch heimliche oppositionelle Gruppen.

Ich war für ein Team von Interviewern verantwortlich, das eine landesweite Umfrage zur Meinung der Bevölkerung machte. Einer der Interviewer hatte Kontakte zur Opposition. Wie er mich informierte, war ein Freund von ihm auf einer Polizeiwache gefoltert worden – genau da, wo sein Folterer selbst vom früheren Kolonialmilitär gefoltert worden war.

Es beunruhigte mich zutiefst, dass ein Folteropfer einem anderen dieselbe Art von Schmerz zufügen konnte. Ich war aus politischem Idealismus in dieses Land gekommen, weil es eine »echte« Revolution durchgemacht hatte. Ja, die materiellen Strukturen der Verwaltung, Wirtschaft und Justizbehörden waren zwar umgekrempelt worden, aber das Verhalten des Folterers zeigte mir, dass die Herzen derjenigen, die nun das Land regierten, sich nicht im gleichen Maße geändert hatten. Wie mir klar wurde, bedarf es einer inneren Umwandlung, um echte Veränderung zu bewirken.

Das war der Anfang meiner lebenslangen Reflexionen, aus denen viele Jahre später dieses Buch wurde. Ohne einen kurzen Satz, den Dr. Gerald G. Jampolsky, der Gründer des international bekannten Center for Attitudinal Healing in Tiburon, Kalifornien und Autor von Die Kunst zu vergeben und Lieben heißt die Angst verlieren, geäußert hat, wäre es nie geschrieben worden. Es war der erste Satz einer Vorlesung, die er gemeinsam mit seiner Frau, der Ärztin Diane Cirincione, Anfang der Neunziger an der Universität von Genf gab: »Jedes Mal, wenn ich in mein Zentrum gehe, tue ich es, um mich selber zu heilen.« Dadurch wurde mir klar, dass wir kein Meister sein müssen, um anderen zu helfen, und dass es immer etwas gibt, was wir anderen schenken und mit ihnen teilen können, egal wie bescheiden unsere Leistungen auch sein mögen.

Eine weitere Idee, die mir den Mut für dieses Projekt gab, war der berühmte Spruch, dass wir das lehren, was wir am meisten lernen müssen. Ich schreibe dieses Buch als Lehrling auf dem Weg des Segnens, und ich lerne auf diesem Gebiet täglich dazu.

Wie meine Arbeit mir gezeigt hat, fangen Arbeitslose dann an, wirklich zuzuhören, wenn sie herausfinden, dass der, der mit ihnen spricht, selbst von Arbeitslosigkeit betroffen war. Wir können uns leichter mit jemandem identifizieren, der sich wie wir abstrampelt, und dieses Bewusstsein war der letzte Auslöser für dieses Buch. Da ich lange selber arbeitslos war, ohne Arbeitslosengeld zu bekommen, wurde ich für sie viel glaubwürdiger als jemand, der aus der reinen Theorie heraus mit ihnen gesprochen hätte. Deshalb hoffe ich, verehrte Leser, Sie können dieses Buch als das Werk eines Lehrlings annehmen, der es mit anderen Lehrlingen geteilt hat – ganz im Sinne des großen persischen Sufi-Schriftstellers Farid ud-Din Attar, der das Gedicht »Mantic Uttair« geschrieben hat. Attar beschreibt einen Schwarm Vögel, die beschließen, ihren König, den Simorg, zu suchen. Nach zahlreichen Abenteuern treffen sie sich wieder und stellen sich in einem Kreis auf. Sie sehen einander an und stellen fest, dass sie der Simorg sind. Der König steckt in jedem von ihnen. Das Königreich ist in uns allen vorhanden.

Wie überflüssig ist es doch, davon zu sprechen, wir sollen unsere Spiritualität im Alltag leben! Denn entweder wird Spiritualität im täglichen Leben, in den trivialsten Situationen – im Büro, in der Fabrik, bei der Gartenpflege oder der Autowäsche, im Geschäft oder in der Ehe, beim Geschirrspülen, in Freude und in Leid – gelebt, oder aber sie hat keine Existenzberechtigung. Wenn der spirituelle Weg nicht im Alltag gegangen wird, wann soll er dann gegangen werden? Ashrams im Himalaja und Klöster in der Toskana mögen zwar die spirituelle Suche fördern, doch das sind nicht die Orte, an denen die Mehrheit von uns sich im Alltag aufhält. Der Rabbiner Hillel soll gesagt haben: »Wenn nicht ihr, wer dann? Wenn nicht jetzt, wann dann?«

Verlockend am spirituellen Weg ist, wie der amerikanische spirituelle Lehrer Ram Dass betont, »dass alles Wasser auf die Mühle ist«. Absolut alles – ein Verkehrsstau, eine Krankheit, ein Diebstahl, ein lauter Nachbar, ein platter Reifen – wird zur Chance, daran zu lernen, zu entdecken, sich weiterzuentwickeln, zu bereuen, sich zu erfreuen, zu enthüllen, zu erwachen, mehr zu lieben und sich zu wundern. Das kleinste Lebensdetail, jede einzelne Begegnung – ob mit einem Heiligen oder einem Heilbutt – kann zärtliches Interesse wecken und Verzauberung ausstrahlen. Das ist das wirklich Aufregende am spirituellen Weg, seine Schönheit, Tiefe, Freude und ja, auch sein Unterhaltungswert. Jedes einzelne Erlebnis im Leben kann zur Gelegenheit werden, im Stillen »Ja, ich danke dir« zu sagen.

Wenn Sie Ihren spirituellen Weg nicht in der U-Bahn, mitten in einer Schlägerei auf der Straße, bei einer großen Herausforderung oder auch beim Tennis oder Baseballspiel gehen können, dann sollten Sie sich fragen, ob er wirklich was bringt. Dieses Buch wird Ihnen außerdem zeigen, dass Spiritualität keine Vorstellung ist, die sich abstrakt diskutieren lässt, sondern eine transformierende Kraft, die nur dann von Bedeutung ist, wenn sie täglich gelebt wird.

Segnen heilt

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