Читать книгу Sara Z., verschwunden - Pirmin Müller - Страница 14

8. Otto

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Rahel bedankte sich für das Kompliment und fragte nach dem wirklichen Grund des Besuchs. Und im Übrigen gefalle ihr, dass sie, Dorothea, keinerlei Begabung als Schauspielerin und auch kein Talent zur Lüge habe.

«Findest du?», entgegnete Dorothea, zog an der Zigarette, blies einen Rauchkringel aus, dem sie bei der Auflösung in der warmen Luft zusah. Mir derselben Ruhe betrachtete sie Rahels Gesicht.

«Sprich es aus.» Rahel kannte diese besorgten Blicke nur zu gut.

«Otto spricht von früher. Es zieht ihn wieder hinein, er spürt diesen Sog, der von der Unerklärlichkeit des Falls ausgeht. Er sagt, Saras Kleider hätten nicht länger als ein paar Monate in dieser Hütte gelegen. Der Täter habe eine Spur gelegt, um Interesse zu wecken. Er wolle beachtet werden – Otto ist überzeugt, dass er den Verlauf genauestens verfolgt und dass er aus der Gegend sei. Es müsse eine Verbindung geben, die nicht weiterverfolgt wurde.»

Rahel wartete, ob ihre Freundin weitersprechen würde, erhob sich und strich den Rock glatt.

«Das sind keine neuen Gedanken», antwortete sie leise und nahm den halbvollen Krug, um ihn mit frischem Wasser aufzufüllen.

Dorothea erhob sich ebenfalls, rückte die Bluse zurecht und folgte ihr in die Küche.

«Ich glaube, liebe Rahel, es ist Zeit für ein Dessert.»

«Das sehe ich auch so.»

Dorothea kippte die Erdbeeren in ein Abtropfsieb und reinigte sie unter dem Wasserhahn. Sie plauderte über eine Reise nach Mexiko, die sie gerne buchen würde. Jedoch sei das mit Otto nicht mehr so einfach, er sei ortsgebunden und ängstlicher als früher, was sie verstehe, aber trotzdem schade fände. Und eben: Dieser Fall beschäftige ihn, er habe vor der Pension Teile der Akten kopiert, die er jetzt regelmässig studiere. Er würde es gerne noch einmal versuchen.

Rahel schnitt die Beeren in vier Teile und legte sie in eine Glasschüssel. Sie sammelte die Stiele ein, einen nach dem anderen, als sei sie in die Arbeit vertieft und höre gar nicht hin.

«Nach zwanzig Jahren?», fragte sie schliesslich.

«Ich möchte ihm diese Chance geben. Bevor sein Geist sich von dieser Welt verabschiedet», erwiderte Dorothea. «Damit er seinen Frieden findet.»

Rahel trocknete die Hände ab und wischte eine Strähne hinters Ohr. «Damit Otto seinen Frieden findet. Darum geht es dir?»

«Ich dachte an einen freiberuflichen Ermittler.»

«Wenn es dir so viel bedeutet: Mach es. Ich stehe nicht im Weg.» Sie widmete sich wieder den Erdbeeren und fügte beiläufig an, dass der Täter sowieso nie gefunden werde und es für sie auch nicht mehr wichtig sei. «Die Zukunft zählt, Lena, Marek. Der Teil meines Lebens, der verschont geblieben ist, der kleine Rest. Ich will nichts mehr hören von Verdächtigen, Spuren und neuen Hinweisen. Keine Worte mehr, die Hoffnung entfachen, nur um mich anschliessend noch einsamer zurückzulassen. Sogar wenn er von hier wäre, niemand wird ihn finden, niemand wird je wissen, was Sara erlebt hat, bevor sie starb.»

Wütend schlug sie den Rahm über die Erdbeeren, den Löffel schmiss sie in die Spüle.

«Entschuldige.» Dorotheas Hände suchten Halt an einer Stuhllehne. «Wenn es so ist, dann lassen wir es.»

«Nein. Wir lassen es nicht», fiel ihr Rahel ins Wort. «Nein. Auf keinen Fall. Ich will wissen, wer es war. Er darf nicht davonkommen. Er muss ein Gesicht bekommen. Damit dieser Wahnsinn einmal ein Ende hat – nicht nur für uns.»

Dorothea nahm sie in den Arm.

«Essen wir die verdammten Erdbeeren.» Rahels Stimme zitterte. «Die müssen weg.»

«Die können warten», antwortete Dorothea und hielt die weinende Rahel wie die Tochter, die sie nie hatte.

Sara Z., verschwunden

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