Читать книгу Savers - Revolution - Rabea Blue - Страница 10
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Wieder auf der Sichtungswiese angelangt, lief er schnurstracks auf den Platz am Ufer zu, an dem Ephraim zuletzt gesessen hatte. Tatsächlich war er noch immer da, allerdings waren Amanda und Sally nicht mehr neben ihm. Sein Mentor schrak leicht zusammen, als David sich neben ihn plumpsen ließ.
»David - was … Wolltest du nicht wandeln?«
»Ja«, brachte David nur heraus. Er konnte es noch immer nicht glauben. »Das habe ich auch gemacht.«
Irritiert zog Ephraim die Augenbrauen hoch. »Und du bist schon fertig? Oder ist wieder etwas passiert? Du wirkst ein wenig aufgebracht.«
David nickte nur. »Ja, so kann man das sagen.«
Nun seufzte Ephraim. »Oh nein. Was genau war los?«
»Na ja, man kann diesmal nicht sagen, dass ich mich auffällig verhalten habe.«
Ephraim stockte und sah seinen jungen Kollegen forschend an. »Das ist doch schon mal gut. Was war dann das Problem?«
»Ich habe mit Menschen gesprochen«, platzte David nun leise heraus und sah sich aufmerksam nach allen Seiten um, ob ihn auch ja niemand hören konnte.
»Du hast was?«
»Weißt du noch, als ich in dem Blumenladen so ein komisches Geräusch gemacht habe?«
Ephraim nickte langsam und sah David durchdringen an.
»Es war kein Versehen«, zischte dieser. »Kein Fehler. Na ja, nicht so wirklich. Ich kann es. Ich kann mit den Menschen auf der Erde sprechen. Erst war es nur ein Ausrutscher, als mich jemand angerempelt hatte. Ich dachte, es war nur ein Zufall, dass der Mann passend geantwortet hatte. Doch dann habe ich all meinen Mut zusammengenommen und jemanden an der Bushaltestelle angesprochen. Und es hat tatsächlich geklappt.«
Ephraim wurde nun nervös. »Von so etwas habe ich noch nie gehört. Wie kann das sein?«
David schüttelte mit dem Kopf und betrachtete nun zum ersten Mal das Bild von Simon auf der Oberfläche des Sees genauer. Er war zuhause und spielte mit einem Freund in seinem Zimmer.
»Ich weiß es auch nicht«, brachte er schließlich heraus. »Wahrscheinlich muss ich jetzt zum Ältestenrat, oder?« Fragend sah er seinen Mentor an.
Zögernd sah Ephraim ihm in die Augen. »Vielleicht können wir erst mit Julius alleine sprechen«, sagte er, als er eine Weile überlegt hatte. »Er ist mein Mentor und weiß, wie wir uns in solch einer Situation verhalten sollen.«
David nickte. »Dann kommst du also mit?«
»Natürlich«, lächelte der hellblonde Saver an seiner Seite. »Bei solch spannenden Neuigkeiten lasse ich dich doch nicht alleine.«
Ephraim warf noch einen letzten Blick auf Simon. Offensichtlich wurde sein Freund bald abgeholt, denn die beiden räumten ganz brav ihre Autos zurück in die Kiste mit den Spielsachen. Gemeinsam rappelten sich Ephraim und David auf und schritten die Wiese entlang Richtung Nebelwand.
Als sie kurze Zeit später gemeinsam vor dem Ratsgebäude landeten, holte David tief Luft.
»Meinst du, sie werden mich verbannen?«
Ephraims Kopf schoss herum. »Wieso?«
»Na ja, weil es ja einen Grund hat, warum Savers nicht mit Menschen sprechen sollen. Und wenn ich es trotzdem kann…«
»Nein, das passiert auf keinen Fall«, unterbracht ihn sein Mentor. »Für mich wäre es eher wahrscheinlich, dass sie dich nicht direkt als Schutzengel einsetzen, dir also keinen Schützling zuteilen, sondern dir eine besondere Aufgabe geben.«
Über Davids Gesicht huschte ein Lächeln. »Ja, daran habe ich auch schon gedacht.«
Sie stiegen die Stufen zu dem Eingangsportal hinauf, wo Ephraim seinem Auszubildenden die Tür aufhielt.
»Wir erbitten ein kurzes Gespräch mit Julius«, erklärte der Hüne mit den goldenen Flügeln der Frau am Empfang.
Streng blickte sie durch ihre Brille von ihrem Kalender auf. »Die Mitglieder des Ältestenrats sind die komplette nächste Woche ausgebucht.«
»Aber es handelt sich um einen wichtigen Vorfall«, insistierte Ephraim.
Nun blickte die Frau interessiert. »Handelt es sich dabei zufällig um die Unverstandenen?«
Ephraim zögerte und wiegte den Kopf hin und her. »Na ja, so kann man das nicht direkt sagen, aber es wäre sicherlich eine Möglichkeit …«
»Tut mir leid, dann kann ich leider nichts für euch tun«, fiel sie ihm ins Wort. Sie klappte den Kalender zu und machte sich geschäftig daran, einige Papiere in Ordner zu heften.
Resignierend drehte sich Ephraim zu seinem Begleiter um. »Schätze, hier kommen wir nicht weiter. Aber wenn ihr morgen ohnehin zur Akademie geht, versuch‘ doch einfach …«
»Ephraim?«, rief eine ihnen bekannte Stimme. Die beiden blickten hoch und entdeckten Julius, der von der zweiten Ebene zu ihnen herab in den Eingangsbereich blickte. »Wollt ihr zu mir?«
Entschieden nickten David und sein Mentor.
Julius lächelte. »Wir machen gerade eine kurze Pause, ihr könnt gerne für ein paar Minuten in mein Büro kommen.«
Die Frau am Empfang warf einen vielsagenden Blick nach oben, doch Julius lächelte freundlich und winkte ihr, bis sie wieder auf ihren Schreibtisch blickte. Ohne David und Ephraim eines weiteren Blickes zu würdigen, machte sie ihre Arbeit weiter.
Die beiden Besucher jedoch machten sich auf den Weg in den zweiten Stock, zu Julius‘ Büro. Als sie eintraten, ordnete Julius gerade ein paar Bücher in ein Regal ein.
»Setzt euch bitte«, murmelte er über seine Schulter »Ich bin sofort bei euch.«
Als sich David und Ephraim auf die vor dem Schreibtisch stehenden Stühle niedergelassen hatten, drehte sich Julius zu ihnen um und nahm hinter seinem Tisch Platz.
»Also, was kann ich für euch tun?«
»Nun ja«, begann Ephraim und sah unsicher zu David herüber. »So ganz genau können wir es uns nicht erklären, aber …«
»Ich habe während des Wandeln mit Menschen sprechen können«, unterbrach ihn David. Er fühlte, wie sein Gesicht rot anlief. Kurz wunderte er sich, dass dies in seinem biologisch geänderten Körper überhaupt ging. Immerhin brauchte er mittlerweile kaum noch Schlaf und konnte fast rund um die Uhr Sichten. Doch er verwarf den Gedanken schnell wieder und konzentrierte sich auf das Gespräch, das nun anstand.
David war sich nicht sicher, ob die Worte, die er gesagt hatte, bei dem vor ihm sitzenden Ältesten angekommen waren. Wie erstarrt sah er den Neuankömmling an.
Dann ergriff erneut Ephraim das Wort. »Wir wollten erst mit dir reden. Zum Einen, weil ich deinem Urteil vertraue, und zum Anderen, weil David bereits ein Mal unangenehm aufgefallen ist. Er hatte Bedenken, ob seine neu entdeckte Fähigkeit negative Folgen für ihn als Saver haben könnte.«
Julius wandte den Blick an Ephraim, doch er sagte noch immer nichts. Also begann David, das Geschehene detaillierter zu erklären. Als er an der Stelle angelangt war, an der er nach dem Bus gefragt hatte, unterbrach ihn Julius endlich.
»Ihr wollt mir ernsthaft erzählen, du könnest mit Menschen kommunizieren? Also richtig mit Ton?«
David und Ephraim nickten synchron.
Julius lehnte sich in seinem Stuhl zurück und fuhr sich durch die Haare. »Meine Güte, da dachte ich, ihr wollt mich fragen, warum die Neuankömmlinge morgen zur Akademie kommen sollen, und dann so etwas.«
»Was soll ich denn jetzt machen?«, fragte David in verzweifeltem Tonfall. »Kann ich mich mit dieser Fähigkeit irgendwie nützlich machen?«
»Vielleicht wäre es sogar bei dem Kampf gegen die Unverstandenen gar nicht so schlecht«, gab Ephraim zu bedenken.
Julius hob die Hände. »Zuerst ein Mal muss diese Sache geheim bleiben. Eine herausragende Unregelmäßigkeit.«
›So kann man es auch nennen‹, dachte David ernüchtert und warf Ephraim einen zweifelnden Blick zu. Julius fuhr in der Zwischenzeit fort.
»Es ist gut, dass ihr erst zu mir gekommen seid. Ich muss kurz meine Gedanken ordnen. Aber dann würde ich euch direkt mit zu dem Rat nehmen. Wir sind ohnehin gerade in einer etwas festgefahrenen Diskussion, da kann ein Themenwechsel nicht schaden.«
Er stand auf und schritt an das Fenster. Dort verschränkte er die Arme hinter dem Rücken und sah hinaus. Und das tat er eine ganze Weile. David und Ephraim warteten erst geduldig ab. Als sie sich nicht sicher waren, ob Julius sie wirklich weiterhin in seinem Büro sitzen haben wollte, flüsterten sie leise und berieten, ob sie lieber gehen sollten. Doch gerade, als sie sich erheben wollten, drehte sich Julius um.
»So, ich habe jetzt eine angemessene Vorstellung deines Vorfalls im Kopf. Bei meinen Kollegen muss man manchmal etwas vorsichtig sein, einige sind schon seit Beginn hier und sehen vieles etwas altmodisch. Folgt mir bitte.«
»Wir gehen direkt mit?«, fragte David unsicher.
Julius sah ihn fragend an. »Natürlich. Es geht doch schließlich um dich. Oder was hast du gedacht?«
»Okay. Nein, keine Ahnung. Entschuldigung. Ich glaube, ich bin noch etwas durch den Wind wegen der ganzen Sache.«
Julius nickte und ging dann voraus in den Flur. Verstohlen warf David einen Blick von der Galerie herunter. Der Empfangsbereich war menschenleer, durch das Oberlicht strahlte es hell in das Innere hinein.
Vor einer unscheinbar wirkenden Tür blieb Julius stehen und blickte sich noch einmal zu dem Neuankömmling und seinem Mentor um. »Bereit?«, fragte er.
Als die beiden nickten, klopfte Julius an, öffnete jedoch die Tür, ohne eine Antwort abzuwarten. Er trat ein und hielt seinen beiden Gästen die Tür auf. Als David und Ephraim in den Raum kamen, verstummte der Redestrom und alle drehten sich zu ihnen um, starrten sie irritiert an.
Jakob erhob als Erster das Wort: »Hallo«, begann er verwirrt. »Was können wir für euch tun?.«Er warf Julius einen fragenden Blick zu, der in der Zwischenzeit die Tür hinter ihnen geschlossen hatte.
»Natürlich weiß ich, dass wir momentan sehr viel zu tun haben, doch unser Neuankömmling hier, David Summers, hatte heute einen sonderbaren Vorfall auf der Erde. Er und sein Mentor kamen sogleich zu mir, und ich bin der Meinung, ihr solltet das auch hören.«
Julius setzte sich auf den einzig freien Stuhl an der runden Tafel, um die sich die übrigen Ältesten geschart hatten. Der Raum war ansonsten schlicht eingerichtet, ein paar Bücherregale, an einer Wand hing eine Tafel. Auf dem Tisch lagen mehrer Blätter Papier und einige Stifte.
Unschlüssig stand David neben Ephraim und wusste nicht, ob er einfach anfangen sollte, zu erzählen. Angst überkam ihm, als er die interessierten, teilweise zweifelnden Blicke der erfahrenen Savers auf sich spürte.
»Nun gut«, sagte Jakob. Er legte den Stift, den er in der Hand hielt, zur Seite und verschränkte seine Hände vor dem Bauch. »Um was geht es?«
Ephraim nickte David aufmunternd zu, und so fing er schließlich an zu erzählen. Er räusperte sich und versuchte, den Blicken der Ältesten auszuweichen. Zu Beginn erläuterte er seinen Plan, das Wandeln zu üben. Sicherheitshalber erwähnte er nicht, dass er nach den Unverstandenen Ausschau halten wollte. So detailliert wie möglich ließ er die Geschehnisse auf der Einkaufsstraße Revue passieren. Als er von seinem Gespräch an der Bushaltestelle erzählte, fügte er hinzu, dass er schon bei seinem ersten Wandel-Versuch in dem Blumenladen ein Geräusch einem Menschen gegenüber herausgebracht hatte, er und Ephraim sich jedoch nicht viel dabei gedacht hatten.
Als er geendet hatte, ließ er seinen Blick einmal um den Tisch schweifen. Julius, der die Geschichte bereits kannte, suchte ebenfalls nach Reaktionen seiner Kollegen. Jakob versuchte ein Lächeln, das ihm jedoch nicht so recht gelang. Die beiden Zwillinge, Zachäus und Thadäus, sahen erschrocken drein, die restlichen wirkten teilweise interessiert, teils auch verblüfft.
Nach einer gefühlten Ewigkeit ergriff Julius das Wort. »Unser junger Kollege war erst sehr verunsichert, ob diese Entdeckung negativ für ihn ausgelegt werden könnte. Doch ich sehe darin sogar eine Chance.«
Sofort mischte sich Jakob ein. »Negativ ist das auf keinen Fall, da hat Julius Recht. Allerdings muss man sehr vorsichtig mit dieser, ich nenne es mal Gabe, sein. Die Tatsache, dass wir nicht mit Menschen sprechen können, hat für uns Savers einen bedeutenden Hintergrund. So können wir uns nicht versehentlich verplappern, wenn wir wandeln. Du musst eventuell gesondert geschult werden. Darin, wie du dich auf der Erde artikulierst. Oder vielleicht solltest du nur in Notfällen wandeln.«
»Vielleicht kann er eine Art Kommunikator sein«, schlug Lazarus vor, der dunkelhäutige Älteste. Einige der Anwesenden nickten zustimmend.
»Aber einen eigenen Schützling sollte er dann nicht bekommen«, forderte nun eine der drei Frauen. Es war Mathilda, die an Davids erstem Tag seine Vision hatte. »Mit einer Sonderaufgabe sollte er sich auch wirklich nur auf diese konzentrieren.«
»Aber in der heutigen Zeit brauchen wir jeden«, empörte sich einer der bebrillten Zwillinge. Sein Bruder nickte demonstrativ.
»Dieses Chaos werden wir doch wohl hoffentlich bald in den Griff bekommen«, erwiderte eine der anderen Frauen. Durch ihre zusammengezogenen Augenbrauen und den konservativen Kurzhaarschnitt wirkte sie sehr streng.
Es entbrannte eine Diskussion, in der alle durcheinanderredeten. Doch Jakob unterband diesen Streit nach ein paar Sekunden.
»Es geht momentan nicht um unsere anderen Probleme. Vielleicht können wir tatsächlich einen Weg finden, wie David uns mit seiner Gabe im Kampf gegen die Unverstandenen helfen kann. Auf jeden Fall müssen wir es als etwas Positives sehen.«
»Ja«, platzte nun der zweite Zwilling aufgeregt heraus. »So etwas hat es noch nie gegeben.«
Viele nickten und David fühlte sich ein wenig unbehaglich. Erst war er mit seinen unkontrollierten Emotionen aufgefallen, dann dadurch, dass er sich nicht an Regeln halten konnte, schließlich durch die Tatsache, dass er fast ein Teil der Unverstandenen geworden wäre. Und jetzt hatte er eine noch nie da gewesene Fähigkeit, die seine Karriere als Schutzengel in eine völlig andere Richtung lenken könnte.
»Nun ja«, begann Jakob zögernd. »Es gab in der Tat schon einen Saver, der diese Fähigkeit an sich bemerkt hatte. Er hatte sich mir anvertraut, wollte aber, dass es geheim bleibt.«
Nun war es Jakob, der von allen angestarrt wurde.