Читать книгу Savers - Revolution - Rabea Blue - Страница 9
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David teleportierte sich in eine Ecke des Schulhofs seiner ehemaligen Schule. Hier standen nur ein paar Müllcontainer, man traf dort höchstens den Hausmeister oder das Putz-Team. Heute hatte er Glück und der Ort war menschenleer. Der Unterricht hatte bereits vor einer Weile geendet und die Reinigungsarbeiten waren in vollem Gange.
Für sein heutiges Aussehen wählte er eine unauffällige Maskerade. Ein hellhäutiger junger Mann mit T-Shirt einer Surfer-Marke, kurzen Hosen im Army-Look und gewöhnlichen Sneakers. Vorsichtig lugte er hinter den Containern hervor und prüfte, ob ihn jemand sehen konnte. Als die Luft rein war, trat er aus der Nische hervor und schlenderte gemütlich über den Schulhof in Richtung Straße.
In der Nähe befand sich eine Einkaufstraße, an der immer viel los war. Hier reihte sich eine Boutique an die nächste, während nebenan auf der Straße die Autos fuhren, als wären sie auf der Autobahn. Davids Meinung nach der perfekte Ort, um Unfälle zu verursachen. Er hielt die Augen auf und versuchte, sich unauffällig alle Passanten anzusehen. Doch schon nach einer Weile verließ ihn die Hoffnung. Wenn er sich tarnen konnte, wieso sollten die Unverstandenen es nicht auch tun? Er sah keinen Grund, warum sie in ihrer gewohnten Gestalt auf der Erde spazieren gehen sollten.
Irgendwann ging die Verkehrsstraße in eine Fußgängerzone über. Es war ein Samstag und die Menschenmenge schob sich wie eine zähflüssige Masse an den Geschäften vorbei. Im Vorbeigehen bekam er ein Gespräch mit, in dem sich zwei Frauen lautstark über einen Vorfall unterhielten, in dem ein Mann spurlos verschwand. Mitten in einem Park. David wurde hellhörig und versuchte in Hörweite der beiden Damen zu bleiben.
»Er muss eine Art Magier gewesen sein, der Werbung für seine Show machen wollte. Leider hatte er nicht viel gesagt, weder seinen Namen, noch ein Datum oder einen Ort für seine Veranstaltung. Stattdessen hat er etwas von Rettung gerufen.«
Nathanel. David war sich ganz sicher. Hatte er sich etwa mitten unter Menschen weg teleportiert? Aber wenn der Mann sprechen konnte, musste es jemand anderes gewesen sein. Oder hatten die Unverstandenen durch ihre Flucht aus Euphoria ihr Sprechvermögen auf der Erde zurückgewonnen?
In Davids Kopf rasten die Gedanken. Ihm lief ein kalter Schauer den Rücken hinunter und er konnte seinen Blick nicht von den beiden sich unterhaltenden Frauen abwenden.
»Und es war kein Rauch zu sehen? Wie soll er das denn gemacht haben? Sonst arbeiten diese Kerle ja immer mit Spiegeln oder sonstigen Tricks, mit denen sie die Aufmerksamkeit der Zuschauer kurz auf etwas anderes lenken, und dann schnell verschwinden.«
»Na ja«, machte die erste Frau. »Er wird wohl kaum wirklich zaubern können. So etwas wäre doch schon längst bekannt, bei der schnellen Kommunikation heutzutage.«
Das Gespräch schien sich dem Ende zuzuwenden und David versuchte, sich unauffällig abzuwenden, bevor die beiden Frauen bemerkten, dass er sie mit offenem Mund anstarrte. Doch ehe er sich gefasst hatte, wurde er hart von jemandem angerempelt. ›Mist, ich darf doch nicht auffallen‹, war der erste Gedanke, der in den Sinn David kam.
»Sorry«, stammelte er und hob abwehrend die Hände.
Der junge Mann, etwa zwanzig Jahre alt mit einem langen Zopf, drehte sich zu David um und antwortete: »Kein Problem – ich war derjenige, der nicht aufgepasst hat.«
David nickte freundlich und wandte sich wieder zum Gehen. Doch dann blieb er wie angewurzelt stehen. Hatte der Mann ihn gerade verstanden? Das Wort ›Sorry‹ war ihm automatisch entwischt, eigentlich hatte er erwartet, dass der Mann nichts davon hören würde. Aber er hatte direkt darauf geantwortet.
Kopfschüttelnd ging er weiter. Das konnte nicht sein. Savers können beim Wandeln nicht mit Menschen reden. So hatte es ihm sein Mentor erklärt.
Aber der Gedanke ließ ihn nicht los. Er setzte sich schließlich auf eine Bank und beobachtete die einkaufenden Familien, Ehepaare, Männer und Frauen. Sollte er versuchen, jemanden einfach anzusprechen? Mehr als seltsam ansehen konnten sie ihn wohl nicht. Wenn sie ihn nicht hörten, dachten sie höchstens, dass sie es mit einem Taubstummen zu tun hatten und würden entschuldigend abwinken.
Er versuchte, sich auf seine ursprüngliche Mission zu konzentrieren: Ausschau nach den Unverstandenen halten. Die Frauen hatten den seltsamen Mann, der einfach verschwand, nicht genauer beschrieben, aber wenn Nathanel Aufmerksamkeit erregen wollte, musste er sich nicht tarnen. Und er würde sich auch nicht verstecken.
David ließ noch ein wenig den Blick schweifen, doch er entdeckte niemanden, den er kannte, und auch niemanden, der seiner Meinung nach versuchte, Chaos anzurichten. Er stand auf und schritt langsam die Fußgängerzone entlang. An Ende angelangt, sah er eine Bushaltestelle. Er musste es einfach probieren. Einen tiefen Atemzug später, schritt er auf den Fahrplan zu, der neben dem Wartehäuschen an einer großen Tafel angebracht war. An der Haltestelle warteten viele Menschen, einige schauten immer wieder nervös auf die Uhr oder ihr Mobiltelefon.
Als David eine Weile gespielt ratlos mit dem Finger über den ausgehängten Plan gewandert war, wandte er sich zu einem der Wartenden um.
»Entschuldigen Sie bitte«, begann er und sah den älteren Mann mit Brille erwartungsvoll an. Dieser hob tatsächlich den Blick und sah David abwartend an.
›Okay – das konnte auch nur Zufall sein‹, dachte sich David. ›Wenn jemand plötzlich direkt vor einem stand, sah man schon mal auf‹.
»Können Sie mir sagen, ob der Bus 7520 schon weg ist?«, fuhr er fort.
Als der Mann mit dem Kopf schüttelte, blieb David fast das Herz stehen. »Nein, auf den warte ich auch«, erklärte der Mann. »Der müsste aber gleich kommen.«
David musste sich zusammenreißen, um ein freundliches Lächeln zustande zu bekommen. »Vielen Dank – ich dachte schon, ich bin zu spät.«
»Nein nein«, lachte der Mann fröhlich. »Leider ist es der Bus nur mal wieder.«
Freundlich nickend stellte sich David ein paar Schritte neben den Mann und tat so, als würde er nun auf den Bus warten. Er konnte es nicht fassen. Er konnte tatsächlich mit Menschen reden. Was bedeutete das? War er kein richtiger Saver? Konnte er deswegen verbannt werden? Schließlich war das der Sinn und Zweck des Ganzen. Dass niemand der Savers sich gegenüber der Menschen verplappern konnte, dass es Schutzengel gab. Gerade David, der seine Gefühle nicht hundertprozentig im Griff hatte, war nicht gerade die Person, die der Ältestenrat gerne mit einer kommunikativen Gabe auf der Erde sehen wollte.
Oder würde ihn das zu jemand Besonderem machen? Vielleicht einer Art Spezialagent? David schüttelte den Kopf. Der Bus kam, und um weiter unauffällig zu bleiben, stieg er ein und setzte sich auf einen freien Platz am Fenster.
Er musste seine Gedanken ordnen. Als Erstes würde er Ephraim Bescheid geben. Den Fehler, ihm etwas zu verheimlichen, wollte er nicht noch einmal machen. Wenn Sally auch noch auf der Sichtwiese war, müsste er sie ebenfalls einweihen, sonst würde sie ein Drama daraus machen. Doch was war mit Amanda? Eine solche Abnormität musste sicherlich erst mit dem Rat besprochen werden. Bei dem Gedanken daran, wie die Ältesten auf diese Tatsache reagieren würden, wurde ihm ganz heiß.
Nach drei Haltestellen stieg David aus und suchte sich einen Ort, wo er sich unbemerkt zurück nach Euphoria teleportieren konnte.