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FÜNF

Genug

Die meisten von uns finden auf Wegen zur Kirche, die die Kirche nicht erlaubt.

– Flannery O’Connor

Ich habe nie jemanden kennengelernt, der sich so sehr auf seine Taufe freute wie Andrew.

„Nur noch 13 Tage!“, sang der 19-Jährige, als würde er die Tage bis zu einer Abschlussfeier oder einer Hochzeit zählen. „Willst du kommen?“

„Den ganzen weiten Weg aus Tennessee?“, scheute ich zurück und reichte ihm die größere Hälfte des Brownies, den ich gerade für uns geteilt hatte. „Das ist ein hübsches Stück zu fahren bis nach St. Louis.“

Wir saßen um einen runden Klapptisch im verlassenen Keller einer Methodistengemeinde in Columbia, Missouri, wo wir die Nachmittagseinheit der Konferenz, die wir besuchten, schwänzten, um stattdessen als selbst ernannte Gastronomie-Kritiker das vom Mittagessen übrig gebliebene Gebäck zu verkosten. (Wenn die Baptisten den Vogel abschießen, was hausgemachtes Chili angeht – und das tun sie –, dann machen die Methodisten das in Sachen Feingebäck. Ich habe noch nie eine methodistische Zitronenschnitte gegessen, die ich nicht gemocht hätte.) Wir hatten uns, nach meinem Vortrag früher am selben Morgen, getroffen, als Andrew – ein blonder Collegestudent mit Grübchen und treuer Leser meines Blogs – mich im Hörsaal in einer Bärenumarmung umschloss und ausgelassen lachte. „Das ist schon in Ordnung“, versicherte ich den verblüfften Umstehenden. „Wir kennen uns aus dem Internet.“

„Ich habe ehrlich nie gedacht, dass ich mich je taufen lassen würde“, bekannte Andrew, während er seine Browniehälfte musterte. „Ich habe nicht geglaubt, dass ich je gut genug dafür sein könnte.“

„In was für einer Gemeinde bist du denn aufgewachsen?“, fragte ich.

Statt einer Antwort zog Andrew sein Smartphone heraus, scrollte eine Weile durch die Fotos, fand, was er gesucht hatte, und reichte mir dann sein Telefon. Auf dem gesprungenen Bildschirm prangte das Bild des Vorworts eines Gemeindebriefs. Nachdem ich reingezoomt hatte, konnte ich erkennen, dass es in dem Artikel um gleichgeschlechtliche Beziehungen ging, die der Autor als widerwärtig bezeichnete. Links neben der Überschrift schaute mich ein silberhaariger Mann in Anzug und Krawatte aus Augen an, die mir sehr bekannt vorkamen.

„Das ist mein Dad“, sagte Andrew. „Er ist Pastor und hat das gleich nach meinem Coming-out veröffentlicht.“

Mein Herz sank. Für jede Jugendliche wie mich, die in ihrer Gemeinde nur Liebe und Akzeptanz erfahren hatte, gibt es irgendwo einen Teenager wie Andrew, der sich wie ein Fremder in den Kirchenbänken fühlte, ein Fremder sogar bei sich zu Hause.

Andrew wuchs als sechstes von sieben Kindern in einer kleinen, fundamentalistischen presbyterianischen Kirche in den Südstaaten auf, wo sein Vater als Pastor diente. Es gab vieles, das Andrew an seiner eng gestrickten Glaubensgemeinschaft liebte – ihre Konzentration auf die Bibel, wie sie sich der Evangelisation verpflichtet fühlte, ihre familiäre Atmosphäre –, aber als Andrew langsam in die Pubertät kam, merkte er, dass er mit einigen der gesetzlicheren Auslegungen der Kirche nicht einverstanden war, besonders damit, dass sein Vater moderne christliche Musik verbot und darauf bestand, dass in der Kirche und auch zu Hause nur die King-James-Übersetzung benutzt wurde. Während sein Vater Ehrfurcht, Gerechtigkeit und Selbstkontrolle betonte, hatte Andrew schon immer einen zarten, offenen Geist und eine emotionale Bindung an Gott an den Tag gelegt. Während der Predigten seines Vaters schrieb er endlos lange in sein Gebetstagebuch und unterhielt sich mit Gott wie mit einem guten Freund. Obwohl er hin und wieder rebellierte (als er das erste Mal einen Film im Kino sah, war Andrew 18 Jahre alt. Er schlich sich mit Freunden raus, um sich „Die Tribute von Panem“ anzuschauen), liebte Andrew Jesus innig und leidenschaftlich.

Was sein Geheimnis umso schwerwiegender machte.

Um den Zeitpunkt herum, als seine Freunde anfingen, über Mädchen zu sprechen, fing Andrew an, andere Jungen wahrzunehmen. Er war zu dem Glauben erzogen worden, sexuelle Orientierung wäre eine Entscheidung und gleichgeschlechtliche Beziehungen seien ein Gräuel. Deswegen befürchtete Andrew, seine Impulse seien ein Ergebnis von Sünde. Sünde, von der er Gott bat, dass er ihn von ihr befreien möge, Nacht für Nacht, Tag für Tag.

Ein Eintrag in Andrews Tagebuch aus dem Jahre 2012 liest sich so:

Ich habe solche Angst. Ich will kein Ausgestoßener sein … Interessiert dich, was ich durchmache, Gott? Warum hast du mich so geschaffen, wie ich bin? Was willst du mich lehren, Gott? Ich hebe meine Hände zu dir auf. Ich bin in deinen Händen … Gib mir Glauben! Bitte! Ich halte nicht mehr lange durch.

Aber nicht noch so viel Gebet und Bibelstudium und Selbstdisziplin konnten Andrews sexuelle Orientierung verändern. Am Ende, nach vielen Phasen der Depression und Anfällen von Verzweiflung, fand sich Andrew mit seiner Sexualität ab. Er zog von zu Hause aus, um in St. Louis aufs College zu gehen, und fand eine Kirche, die ihn akzeptierte, wie er war. Seine neue Glaubensgemeinschaft leitete sogar in die Wege, dass er getauft werden konnte, eine Erfahrung, nach der sich Andrew seit seiner Kindheit sehnte.

„Als ich aufwuchs, hat man mir Taufe und Abendmahl immer verweigert“, sagte Andrew. „Mein Dad hat mir gesagt, es würden sich nicht genug Früchte des Heiligen Geistes in meinem Leben manifestieren. Er wollte, dass ich wartete, bis ich gut genug war, heilig genug.“

Andrew hat sich vor seiner Familie in den Herbstferien in seinem ersten Jahr am College offiziell geoutet. Das lief nicht gut. Jetzt lebt Andrew in seinem Zimmer im Wohnheim, von seiner Familie abgeschnitten, und arbeitet schwer dafür, seine akademische Ausbildung selbst zu finanzieren. Als er das letzte Mal mit seinem Vater sprach, wurde Andrew gesagt, er würde in die Hölle kommen.

Aber Andrew war in diesen schwierigen Herbstferien nicht alleine. Ein ganzes Team aus seiner neuen Kirche hatte sich dazu verpflichtet, während dieser vier Tage für ihn zu beten. Andrew wusste in jedem schmerzhaften Augenblick um ihre Unterstützung.

„Keine Gemeinde ist perfekt“, sagte er. „Aber sie waren gut zu mir.“

Da verstand ich, warum Andrew mich zu seiner Taufe einlud. Ich war Teil der einzigen Familie, die er noch hatte. Andrews Adoption in Gottes Familie hinein war sehr viel turbulenter und schmerzhafter abgelaufen als meine eigene, aber er wollte gerne, dass ich Teil davon war, einfach weil ich unter denen war, die ihn nicht abwiesen, einfach weil ich ihn so liebte, wie er war. Manchmal muss die Kirche ihren eigenen Geflüchteten Zuflucht bieten.

Ich schaffte es nicht zu Andrews Taufe, aber ich betete an jenem Tag für ihn, und ich sah mir das Video an, das die Gemeinde zu diesem Anlass drehte. In seinem Bekenntnis vor der Taufe sagte Andrew: „Ich habe die Taufe vor mir hergeschoben, weil ich das Gefühl hatte, in Sünde zu leben, als wäre ich nicht gut genug dafür. Aber dann wurde mir klar, dass die Taufe am Anfang eines Glaubensweges steht, nicht in der Mitte oder am Ende. Man muss nicht alles geordnet haben, um getauft zu werden … Man muss einfach nur Gottes Gnade annehmen. Gottes Gnade ist genug.“

Es ist kompliziert

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