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DER WÜSTENSOHN

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Mohamad war der erste Ultratrailläufer, den ich in meinem Leben kennengelernt habe. Im Ernst! Ich begegnete ihm 2006 das erste Mal in der Sahara. Dass er und sein Bruder Lahcen die besten Wüstenläufer der damaligen Zeit waren, war bis kurz vor meiner Reise an mir spurlos vorübergegangen. Die beiden haben zusammen 15 Mal in Folge den Marathon des Sables (MdS) gewonnen. Wie schon in Running wild erwähnt, hatte ich Bilder vom MdS in einer Zeitschrift gesehen, und die ließen mich nicht mehr los. An den MdS hatte ich mich nicht ’rangetraut, weil mir der Mumm fehlte – im Gegensatz zu meinen Rookies im Little Desert Runners Club heute. Ich war damals auf der Suche nach einem leichteren Wüstenlauf – nicht gleich 250 km.

Mohamad und Lahcen hatten damals die zweite Ausgabe ihres Zagora Marathons vorbereitet, und ich hatte das Rennen irgendwo im Internet aufgestöbert. Die Tatsache, dass der Lauf über die klassische Marathondistanz ging, kam mir entgegen. Damals waren Rennen in fernen Ländern noch nicht so professionell gelistet wie heute. Oftmals gab es auch keine eigene Webpräsenz. Mohamad spricht perfekt Deutsch und unterstützte mich in der Planung meiner kleinen privaten Reise nach Zagora, die mich via Casablanca und Quarzazate dorthin führte. Das verbindet. Wir sahen uns ein Jahr später wieder, bei meiner Premiere eines großen Wüstenlaufes, dem Marathon des Sables 2007. Der Kontakt ist nicht abgerissen, vor zwei Jahren kam Mohamad uns sogar besuchen. Wir waren abends mit Aurore Zatopek, Claudi Konowski und Joe Kelbel unterwegs. Gute Leute – guter Abend.

Riesig gefreut habe ich mich, als sich ein paar Wochen vor dem Start des ISRU (Iranian Silk Road Ultramarathon) im Iran herausstellte, dass Mohamad kurzfristig seinen Start zugesagt hatte. Im Jahr 2016 gab es die Premiere des ISRU. Dieser 250 km lange Lauf entlang der alten persischen Seidenstraße war sowas wie ein Traumziel für mich. Ich hatte mich lange Zeit sehr darauf gefreut, und dass der Wüstenläufer – und ich meine der Wüstenläufer! – auch teilnahm, war für mich wie ein Fest. Er lief und gewann die lange Version mit 250 km. Ich tat es ihm gleich; allerdings auf der 180-km-Variante dieses Rennens, da ich wegen einer Knieverletzung, die ich mir zwei Monate zuvor bei einem Trailwettbewerb in Sri Lanka eingefangen hatte, noch arg gehandicapt war.

Eins der geilsten Rennen, die ich bis dato hatte. Perfekte Crew. Perfekte Bedingungen für mich. Fast nur Sand und Tagestemperaturen von 56 °C, die wir mit verschiedenen Uhren auf Brusthöhe gemessen haben. Was wir in Filmen oder Berichten unerwähnt ließen, war die Tatsache, dass auf Schienbeinhöhe die Temperatur 65 °C betrug. Unter der Wüste Lut, die auch als heißester Ort der Welt in Wikipedia steht, ist die Erde sehr aktiv. Es gibt keine Vulkane, aber die Hitze kommt massiv aus dem Boden. Wir haben diese Tatsache nie erwähnt, weil wir Angst davor hatten, dass man uns maßlose Übertreibung hätte unterstellen können.

Da ich auf der kürzeren Distanz unterwegs war, hatte ich andere Startzeiten als Mohamad, aber bei der langen Etappe standen wir alle gemeinsam am Start. An diesem Tag hatte ich mir vorgenommen, Mohamad zu folgen, solange es geht. Ich kann mich noch genau erinnern, wie er vor zehn Jahren in einem Film auf die Frage geantwortet hat, wie man auf Sand am besten läuft: »Das Geheimnis ist, sehr schnell zu laufen.« Eine weise Antwort – und so stimmig. Aber nur, weil sie stimmt, ist sie noch lange nicht umsetzbar. Gilt natürlich nicht für Mohamad! Versuch mal, Mohamad Ahansal auf Sandboden zu folgen. Ich habe es knapp 20 min geschafft. Oder eher versucht. Er hat eine enorme Kraft, sein Laufstil ist sehr elegant, und die Füße berühren den Boden nur einen kurzen Moment. Es wirkt so, als hätte die Schwerkraft einfach nicht genügend Zeit, ihn zu erwischen.

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