Читать книгу Passion Laufen - Rafael Fuchsgruber - Страница 41
ОглавлениеKommen daher deine perfekten Deutschkenntnisse?
Nein, nicht direkt. Während einer meiner Bergtouren, die ich im Atlasgebirge führte, lernte ich Lutz und Ursula Böhme aus Bremen kennen. Wir verstanden uns auf Anhieb. Sie hatten die Idee, mich nach Deutschland zu holen – auch vor dem Hintergrund, dass es viele englisch- und französischsprechende Bergführer in Marokko gab, aber keine deutschsprachigen. So kam ich 1998 auf ihre Einladung zum ersten Mal nach Europa und lief nebenbei in Frankfurt den Marathon. Ich hatte das lange Laufen auf der Straße nie geübt, doch mit einer Zeit von zwei Stunden 23 Minuten war ich ganz zufrieden. Danach verbrachte ich weitere sechs Monate in Deutschland und lernte an der VHS und im Alltagsleben die deutsche Sprache. Auch mit dem Straßenlauf wurde es besser, irgendwann steigerte ich meine Zeit nochmals um 5 min.
Wie kamt ihr ans Laufen? Klar, alle Jungs auf der Welt wollen rennen …
Stimmt, das ist in Afrika wie überall in der Welt. Für die Jungs heißt es Fußball und Laufen. Wir sind als Kinder barfuß um die Wette gerannt, und bei meinem ersten Rennen über sieben oder acht Kilometer habe ich den zweiten Platz gemacht. Während der Zeit im Gymnasium gingen Lahcen und ich bei Wettkämpfen immer als Sieger hervor. Bei den offiziellen Meisterschaften in Casablanca oder Agadir konnten wir aber leider nie starten, da weder unsere Mutter noch die Schule die Kosten für die Reise aufbringen konnten.
Wie kam der Kontakt zum Marathon des Sables? Ein großartiges Rennen mit langer Tradition – aber wie alle guten Rennen in der Wüste aufgrund der schwierigen Logistik, problematischen Sicherheitslage und medizinischer Betreuung von den Startgebühren sehr hoch. Für euch doch sicherlich unerschwinglich.
Wir hatten die weißen Läufer beim MdS immer mal wieder gesehen und wussten mit der Zeit, was die dort genau machten. Eines Tages fasste Lahcen dann den Plan, ein Stück mitzulaufen. Zur damaligen Zeit startete der Lauf noch in Zagora, und Lahcen hat die besten Läufer ganz vorn ungefähr 28 km lang begleitet. Zwar wurde er von der Rennleitung des Rennens verwiesen, aber die Läufer berichteten dem Veranstalter Patrick Bauer anschließend von seinem großen läuferischen Talent. Ihm war es mühelos gelungen, ihnen zu folgen. Mit Bauers Unterstützung konnte Lahcen im Jahr danach im Team des Hauptsponsors SIDI Ali teilnehmen. Ohne die Sponsorenunterstützung hätten wir nicht starten können. Der Mineralwasserhersteller hatte ein starkes Team und sie wurden Dritter, trotz Zeitstrafen wegen fehlendem Equipment erreichte Lahcen den fünften Platz. 1997 gewann er zum ersten Mal das Rennen und von 1999 bis 2007 war er unangefochten ohne Unterbrechung der beste Läufer in der Wüste. Im Jahr 2015 startete er nach einigen Jahren Pause nochmals und gewann auch in diesem Jahr wieder. In den Jahren dazwischen war ich meistens Erster und zweimal Zweiter.
Was war Antrieb, so lange bei diesem Rennen mitzumachen?
Es ist unsere Heimat – es war naheliegend, hier zu laufen. Außerdem ist es das einzige Wüstenrennen, bei dem es für die Gewinner ein relevantes Preisgeld gibt. Mit 5.000 Euro kann man in Marokko einiges für die Familie machen, zum Beispiel den Hausbau vorantreiben, was sich ansonsten in der Regel über Jahre zieht.
So als Insidertipp für uns alle: Warum seid ihr fünfzehn Jahre fast nicht zu schlagen beim MdS, obwohl aus allen Herren Länder Meister über 100 km oder Marathonläufer mit erstaunlichen Zeiten am Start waren?
Wir waren aus besagten Gründen hochmotiviert und Entbehrungen gewöhnt. Wir waren von Kindertagen an gewohnt, auf diesem Boden zu laufen. Mal sandig, mal lose Steine und Felsen, und natürlich haben wir auch sehr hart trainiert. Ich teilte mir ein Zimmer mit Lahcen, und wir haben für das Laufen alles gegeben. Unser Training begann meist im Oktober, wenn es in der Wüste nicht mehr so heiß war, und dauerte bis in den April. Die letzten zehn bis zwölf Wochen haben wir 200–220 km pro Woche in der Wüste absolviert. Solche Distanzen sind mit der gleichen Kilometeranzahl auf der Straße nicht zu vergleichen. Zudem habe ich als Bergführer immer sehr viel Gepäck in meinem Rucksack getragen. Das war über das Jahr ein gutes Training für meine Bein- und auch Rumpfmuskulatur.