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1. »Gemeindetheologie«: Worum es geht

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»Überschaubare Gemeinschaften mündiger Christen sollten die anonymen Pfarrstrukturen aufbrechen und an ihre Stelle treten.«2 Das war der Grundgedanke der nachkonziliaren Gemeindetheologie. »Gemeindetheologie« meint hier jenen pastoral-theologischen Transformationsdiskurs, der Mitte der 1960er Jahre praxiswirksam wurde und die Umformatierung der kirchlichen Basisstruktur hin zu jenen »überschaubaren Gemeinschaften mündiger Christen« initiierte.

»Gemeinde« war konzipiert als Nachfolgestruktur der als anonym, bindungs- und entscheidungsschwach wahrgenommenen volkskirchlichen Pfarrstruktur.3 Man kann diesen Diskurs tatsächlich Gemeindetheologie nennen, denn eines seiner charakteristischen Merkmale war die dezidiert theologische Selbstbegründung. Das unterschied ihn deutlich von dem bis dahin für Organisation und Legitimation kirchlicher Basisstrukturen primär zuständigen kirchenrechtlichen Diskurs.

Ein weiteres Merkmal dieses Diskurses und ebenfalls Konsequenz seiner Herkunft aus der Theologie war, alle kirchlichen Handlungsstrategien zumindest konzeptionell auf diesen Umbauprozess zu zentrieren. Es galt eben tatsächlich das »Prinzip Gemeinde«4, es galt die Maxime »Kirche als Gemeinde«5. Dieser Umformatierungsprozess hatte zugleich extensiven wie intensivierenden Charakter. Ferdinand Klostermann nennt als Ziel des Gemeindebildungsprozesses, »dass in (einer) Pfarrei möglichst viele Menschen eine möglichst genuine Gemeinde Jesu, des Christus, erleben können«, »dass die Pfarrei ein konkreter Ort wird, an dem möglichst vielen Pfarrangehörigen, aber auch anderen im Pfarrgebiet wohnenden Menschen die Glaubenserfahrungen Jesu weitervermittelt werden können«. Dazu sollen »möglichst viele in christliche Gruppen und Gemeinden«6 eingebunden werden. Intensivierung und extensive Erfassung gleichzeitig also waren angezielt. Das Ergebnis sollte die »menschliche, brüderliche, offene und plurale Pfarrei«7 sein.

Zentrale Bezugsgröße der Kirchenmitgliedschaft war also nicht mehr die römisch-katholische Kirche mit dem Papst an der Spitze, sondern der überschaubare Nahraum einer kommunikativ verdichteten, letztlich nach dem Modell einer schicksalhaft verbundenen Großfamilie gedachten »Gemeinde«. Soziologisch angesiedelt jenseits der Mikroebene der Primärbeziehungen, aber diesseits der Makroebene einer »anonymen« Gesellschaft, wurde die »Gemeinde« zur Hoffnungsträgerin einer sich erneuernden Kirche. Es winkte das Versprechen einer Kontrastgesellschaft gegen die zweckrationale Außenwelt, aber auch gegen die vorkonziliare römisch-katholische Welt. Aus diesen Gegensätzen bezog der gemeindetheologische Diskurs viel von seinem attraktiven Kontrastpathos.8

Diskursive Marker dieses Wechsels waren neben dem Kontrast von »Gemeinde« und »Pfarrei« Formeln wie: »Die Gemeinde ist Subjekt der Pastoral« versus die »Gläubigen als bloße Objekte der Seelsorge« oder »der reife, mündige, denkende, … freie, dabei fromme, gläubige Christ« versus den »hörende(n), blind-gehorchende(n) unkritische(n), problemlose(n), sogenannte(n) ›einfache(n)‹, schlichte(n) Christ(en)«.9

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