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2. Genese der Gemeindetheologie

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Katholischerseits kommt man erst recht spät zum Konzept der überschaubaren, kommunikativ verdichteten Gemeinde. Überschaubarkeit wird zwar für die katholische Pastoralmacht zu Beginn der Neuzeit eine immer wichtigere Zielgröße, das Konzil von Trient (1546–1563) ordnete »die Pfarrseelsorge neu, indem es ›Hirt und Herde‹ (Pfarrer und Pfarrei) in ein überschaubares Zueinander bringt.«10 Die Gemeindegröße war bis dahin offensichtlich nie thematisiert worden. »Eine bewusst gewollte Überschaubarkeit … ist für die städtische Bischofskirche der Spätantike keine Kategorie«. Bis Trient galt: »Wer intensiver, überschaubarer und personenzentriert christliche Gemeinschaft leben will, zieht sich ins Kloster zurück.«11

Es hat gedauert, bis die quasi-familiär verbundene Gemeinde zur Basis katholischen Organisationsdenkens wurde. Erst Anfang der 70er Jahre des 20. Jahrhunderts setzte sich diese Variante der Gemeindetheologie endgültig durch, dann aber recht schnell. Durch die Bildung verdichteter, überschaubarer Gemeinschaften unterhalb der Pfarrebene wollte man jetzt dem einsetzenden kirchlichen Erosionsprozess gegensteuern. Der gemeindetheologische Diskurs reagiert deutlich auf die Säkularisierungserfahrung des sich auflösenden katholischen Milieus. Für Klostermann spielt die These, »dass im allgemeinen der Kirchenbesuch mit der wachsenden Pfarreigröße abnimmt«, eine zentrale Rolle in der Begründung seines gemeindetheologischen Projekts. Er entwickelt aus diesem Befund »die pastorale Notwendigkeit von Pfarrteilungen bzw. gemeindlichen Substrukturen unserer städtischen Großpfarreien« und fordert die »Erhaltung der Kleinpfarreien … als echte Gemeinden«, auch »auf dem Lande«12.

Der gemeindetheologische Diskurs knüpft an die Tradition des genuin anti-liberalen, demokratie-kritischen »organischen Denkens«13 der Zwischenkriegszeit an, wie es innerkirchlich Romano Guardini exemplarisch formuliert hat und wie es zusammengefasst werden kann in der Maxime: »Nicht mehr das subjektiv-individualistische Denken herrsche vor, sondern eine organisch geprägte Form, in der die Kirche als Gemeinschaft der Vielen entdeckt wird, geeint in Gott«14.

Die Gemeindetheologie startet als ungemein wirkmächtiger Diskurs. Wahrscheinlich war Pastoraltheologie seit Maria Theresias Zeiten nie so einflussreich. Konzeptionell war dieser Diskurs zumindest im deutschsprachigen Raum bis in die Mitte der 1990er Jahre praktisch alternativlos, mag auch die Realität schon länger anders ausgesehen haben.15

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