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KIRCHENPOLITIK UND PASTORALTHEOLOGISCHER DISKURS Beiläufige Beobachtungen über ihren Zusammenhang am Beispiel einer Kontroverse zwischen M. N. Ebertz und J. Werbick 1 Das Problem
ОглавлениеJürgen Werbick und Michael N. Ebertz tauschten vor einiger Zeit die argumentativen Klingen zur viel diskutierten Frage nach der „Zukunft der Gemeinde“, beziehungsweise, ein wenig grundsätzlicher und eigentlich missverständlich formuliert, zur „Verörtlichung des Glaubens“.265
Der Dogmatiker Werbick und der Soziologe und Pastoraltheologe Ebertz repräsentieren die beiden zentralen Referenzwissenschaften der Pastoraltheologie. Sie führen in ihrer kleinen, aber repräsentativen Debatte einen aktuellen, zudem ohne Zweifel relevanten pastoraltheologischen Diskurs von einigem Niveau. Die argumentativen Pfeile fliegen eindrucksvoll hinüber und herüber, allerdings aneinander vorbei: knapp sicherlich, aber eben unübersehbar. Diese Konstellation sich wechselseitig vielleicht noch berührender, kaum schneidender, vor allem aber nicht treffender Diskurse hat Gründe, die über den konkreten Kampfplatz und sein Thema hinausreichen.
Um diese Gründe, also um die Struktur der Auseinandersetzung und was sich an ihr ablesen lässt, soll es im Folgenden gehen. Denn in dieser Auseinandersetzung zeigt sich ein bislang kaum bearbeitetes Thema des theologischen, speziell des pastoraltheologischen Diskurses: seine eigene Situierung im Feld des Politischen, speziell der innerkirchlichen politischen Vektoren. Natürlich ist sich der pastoraltheologische Diskurs seiner eigenen politischen (Interventions-)Chancen und Risiken bewusst,266 doch eher selbstverständlich behandelt er seine eigenen politischen Strukturierungen, Abhängigkeiten und Bedingtheiten. Wiewohl der pastoraltheologische Diskurs als „Praxiswissenschaft“ zentral im Feld des (Kirchen-)Politischen situiert ist, gibt es (praktisch) keine „Kritische Theorie der Pastoraltheologie“.267
An der vorliegenden und hier analysierten Diskussion zweier renommierter Theologen zu einem umstrittenen pastoraltheologischen Thema sollen diese politischen Strukturierungen, Abhängigkeiten und Bedingtheiten analysiert werden. Es kann vermutet werden, dass diese Auseinandersetzung geradezu paradigmatische Qualität für die pastoraltheologische Diskussion, zumindest jene zum Bereich der Kirchenbildung, besitzt.
Worum geht es inhaltlich? Schon das ist nicht so ganz klar und auf mindestens zwei Ebenen zu beantworten. Vordergründig geht es um die „Verörtlichung des Glaubens“, was aber auch schon nicht wirklich zutrifft, denn keiner der beiden Kontrahenten bestreitet die Notwendigkeit solcher „Verörtlichung“. Auch Ebertz betont, dass der Glaube auf „verörtlichte Begegnungen angewiesen ist“ und eben nicht „umgebettet werden“ könne „in ortlose Beziehungen etwa des neuen sozialen Raums der elektronischen Medien“268.
Mit seinem Plädoyer für eine „Verörtlichung des Glaubens“ trifft Werbick Ebertz also nicht wirklich, schon hier läuft etwas aneinander vorbei: Ebertz’ Gemeindekritik meint eben kein Plädoyer für rein virtuelle kirchliche Räume oder „Zwischenräume“, wie es anderswo269 bei ihm heißt. Man wird also trotz der vom Herausgeber der Zeitschrift geschickt inszenierten Blattdramaturgie unterscheiden müssen, worum es Ebertz und worum es Werbick geht. Das „Verörtlichungs“- oder „Was wird aus der Gemeinde?“-Thema scheint eher das Forum, der Ort, der Spielraum, auf dem und mit dem andere Themen ausgetragen werden: soweit eine erste Beobachtung. Aber welche Themen? Wie und warum?