Читать книгу Verschollen am Nahanni - Rainer Hamberger - Страница 14

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Junger Mann, Sie haben einfach kein Sitzleder!“

Der Chefredakteur der Rheinischen Post ist ärgerlich.

„Glauben Sie denn, Sie wissen schon alles, was man in diesem Beruf wissen muss? Nach ganzen zwei Jahren? Zugegeben, Sie haben sich hier recht geschickt angestellt, was ich von Ihrem Ressortleiter so mitbekommen habe.

„Aber“, er blättert in der Personalakte herum, „nach ganzen vier Jahren, wenn man die Zeit in der deutschen Journalistenschule in München mitrechnet schon als freier Mitarbeiter ins Ausland zu gehen, ist einfach zu früh! Sehen Sie, Harder, in unserem Beruf ist solide Redaktionsarbeit die Grundlage. Bei Ihren Anlagen haben Sie gute Chancen, aber nur wenn Sie klar Ihren Weg gehen. Übrigens – richtig! – da fällt mir ein, ich habe im Industrieclub vor einiger Zeit Ihren Vater getroffen. Er war nicht gerade begeistert, dass Sie Journalist geworden sind! Warum waren Sie so abgeneigt, sein Beratungsunternehmen zu übernehmen? Das nährt doch seinen Mann, oder?'“

Peter Harder merkt auf einmal, dass ihm der Zorn ins Gesicht steigt. Verflixt, in dieser Stadt, wo seine Eltern wohnen, kann man solchen Fragen einfach nicht entrinnen.

Er rückt unruhig auf dem mit Leder bezogenen Chromsessel vor dem modernen Schreibtisch hin und her.

„Herr Wesenberg, ich habe da familiäre Gründe“, sagt Peter und entschließt sich plötzlich, die Flucht nach vorn anzutreten.

Er gibt sich einen Ruck.

„Mein Vater, den Sie gesprochen haben, ist nicht mein wirklicher Vater, obgleich er es mir an nichts hat fehlen lassen. Aber mein leiblicher Vater, der sich von meiner Mutter scheiden ließ bevor ich geboren wurde, ist damals nach Kanada ausgewandert, ohne von meiner Existenz zu wissen. Niemand weiß, wo er ist, und ich will ihn finden. In Kanada gibt es keine polizeiliche Meldepflicht und es ist sehr schwer in einem Land, das sich über fünftausend Kilometer von Küste zu Küste erstreckt, einen Menschen zu finden, wenn man praktisch keinen Anhaltspunkt hat. Mein Vater, er heißt übrigens Uwe Breuer, war in Kanada in Kriegsgefangenschaft. Da gibt es eine einzige mögliche Spur, aber es ist alles sehr ungewiss. Ich bitte Sie mir zu glauben, dass es mir sehr, sehr wichtig ist, diesen Mann zu kennen. Ich habe meinen Vater, ich meine meinen hiesigen Vater, nur sehr schweren Herzens enttäuscht, weil es wirklich keinen besseren gibt. Als ich vor vier Jahren von alldem erfuhr, habe ich meine Pläne für das Studium der Betriebswirtschaft aufgegeben und bin in den Journalismus gegangen, weil ich hoffte, dass mir dieser Beruf die Möglichkeit schafft, in Kanada nach meinem Vater zu suchen.“

Peter hat sich diese leise Rede förmlich abgequält. Sein Kopf ist auf die Brust gesunken.

Der Chefredakteur macht ein betroffenes Gesicht.

„Jetzt verstehe ich Sie natürlich schon besser, das habe ich ja alles nicht gewusst“, sagt er und nickt nachdenklich.

„Schade, ich hatte Sie nämlich, zusammen mit zwei anderen jüngeren Redakteuren, für eine besonders gründliche Ausbildung in unserem Hause ausersehen, gewissermaßen als Führungsnachwuchs. Sie können sich ja vorstellen, was das auf Dauer für Sie bedeuten könnte.“

Peter schaut ihn überrascht an.

„Ich freue mich natürlich sehr über dieses Vertrauen, Herr Wesenberg. Aber ich glaube, dass ich nie darüber hinwegkäme, die Chance aufgegeben zu haben, meinen Vater zu finden. Er ist jetzt, wenn er überhaupt noch lebt, dreiundsechzig. Ich kann einfach nicht länger warten.“

„Ich verstehe das, mein Junge. Ach, entschuldigen Sie, das ist sonst nicht meine Art.“ Er war von dem Problem dieses sympathischen jungen Mannes so gepackt, dass er aus dem sonst recht steifen Verhaltenskodex in seiner Redaktion herausfiel.

„Aber lassen Sie uns doch mal nachdenken, was Sie aus dieser Situation machen können. Unser Blatt hat ja, zusammen mit mehreren anderen regionalen Zeitungen, einen Korrespondentenring, zu dem auch einige Reisereporter gehören. Ich weiß, dass Sie ein guter Schreiber sind. Vielleicht könnten wir unsere Partner auch dafür interessieren, von Ihnen Reportagen aus Kanada zu drucken. Das ist ja mit seiner großartigen Natur für Europäer so etwas wie ein Gelobtes Land, obwohl wir, wenn wir ehrlich sind, nicht sehr viel darüber wissen. Ja, das könnte funktionieren. Ich denke mal drüber nach. Und bevor Sie abreisen, kommen Sie unbedingt nochmals zu mir rein, dann weiß ich vielleicht schon mehr.“

Verschollen am Nahanni

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