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David von Kürthen Alles auf Anfang
ОглавлениеWährend eines telefonischen Vorgespräches sagte mir Herr von Kürthen:
Wenn mir jemand vor 12 Jahren, als ich meine Frau Katharina kennen lernte, prophezeit hätte, dass ich sie eines Tages umbringen würde, dann wäre ich sicherlich in schallendes Gelächter ausgebrochen. Heute weiß ich, dass unsere Ehe tatsächlich nicht anders hätte beendet werden können, als durch dieses Gewaltverbrechen.
Eine Woche später suchte ich dann David von Kürthen persönlich in einem großzügig angelegten Sanatorium auf. In dieser Jugendstilvilla lebte Herr von Kürthen seit ca. 3 Jahren. Er saß auf der Terrasse seines Zimmers und wirkte durchaus gepflegt und hell wach.
Guten Tag Herr von Kürthen.
Ihr Arzt sagte mir, es könne sein, dass Sie Angst haben, mit mir zu sprechen. Es geht um Ihre Frau Katharina und ...
... Angst ist das Befürchten möglichen Leidens und bezeichnet somit eine Empfindungs- und Verhaltenssituation aus Ungewissheit und Anspannung, die durch eine eingetretene oder erwartete Bedrohung hervorgerufen wird. Und da sie mir bisher kein Leid angetan haben und auch nicht so aussehen, als währen sie sonderlich gewalttätig, sehe ich keine Veranlassung Angst vor Ihnen zu haben.
Okay?!
Es sei denn, Sie meinen Furcht. Denn der Begriff Angst grenzt sich von der Furcht dadurch ab, dass sich Furcht immer auf eine reale Bedrohung bezieht. Angst ist dagegen ein ungerichteter Gefühlszustand.
Aber da habe ich von Ihnen wohl eher nichts zu befürchten. Ich habe weder Angst noch Furcht. Ich greife Sie auch nicht an oder so etwas. Vielleicht sabber ich ab und zu einmal oder schlafe bisweilen ein. Wer weiß?
Eine schöne Einführung in das Interview. Waren diese Sätze von Ihnen?
Quatsch! Die sind von einem Kerl namens Riemann. Aber ich lese viel. Mir ist den ganzen Tag über stinklangweilig. Und so bekomme ich wenigstens ein bisschen von der Außenwelt mit. Ich sag Ihnen was: Je mehr ich hier bin und mich auf mich konzentrieren kann, desto mehr sind meine Sinne geschärft. Also glauben Sie nicht, Sie sprächen mit irgendeinem Trottel.
So war das nicht gemeint. Entschuldigung, wenn es so rüber gekommen ist.
Ich würde gerne chronologisch vorgehen.
Na von mir aus können wir so vorgehen. Ich wollte nur klarstellen, dass Sie nicht mit einem Verrückten sprechen. Ich werde oft genug für irre gehalten, wenn Sie wissen, was ich meine.
Das tut mir leid.
Ach so ein Unsinn. Das glauben Sie doch selber nicht. „Dass tut mir leid!“ Wenn ich das schon höre. Es ist Ihnen egal. Sein Sie ehrlich.
Das tut mir leid.
Papperlapapp.
Aber sei es drum. Ich erzähle Ihnen gern von Katharina. Schließlich war es, bis zum bitteren Ende eine wundervolle Geschichte.
Begonnen hat unsere Liebe auf einer Party. Wie sich später am Abend herausstellte ihre Abschiedsparty. Mein Gott war das schrecklich.
Sie hatte am nächsten Morgen einen Flug nach New York gebucht um ihr Regiestipendium an irgendeinem wohl recht renommierten Theater anzutreten. Also objektiv gesehen, ein äußerst ungünstiger Zeitpunkt um sich kennen zu lernen. Aber das wusste ich in dem Moment, als ich sie das erste Mal sah noch nicht.
Wo war das? Wo haben Sie Ihre Frau das erste Mal gesehen?
Ach Gott, ich weiß das noch wie heute. Ich stand im Flur einer dieser geräumigen und prunkvollen Altbauwohnung, die sich in einer Wohngegend befand, in der entweder sehr reiche Familien oder die Studentenwohngemeinschaften der Kinder dieser sehr reichen Leute wohnen konnten.
Stammte man aber wie ich, nur aus der Mittelschicht, dann war diese Wohngegend ein Ort, der einem höchstens ein sehnsüchtiges Seufzen entlocken konnte. Wenn Sie wissen, was ich meine.
Ich war also sehr gespannt, welche Menschen ich dort antreffen würde. Für mich als junger, angehender Galerist wohnte hier nämlich ein Klientel das ich unbedingt kennenlernen wollte. Denn auch die Kinder dieser sehr reichen Leute verfügten ja mittlerweile über genügend Geld, um sich gehobener Kunst leisten zu können.
Und, haben Sie sie dort getroffen?
Ach Unsinn. Da war wohl eher der Wunsch der Vater des Gedankens. Nein, nein. Die Ausbeute an diesem Abend war wirklich niederschmetternd: ein paar lausige „Ich-möchte-gern-selber-Künstler-sein-Idioten“. Ein paar junge Hippies und einige Jungspunde, die jede Ausrede nutzten, um ihr Studium auch in den nächsten zwei Jahren nicht zu Ende zu bringen. Verdammte Schnösel, die von Beruf Sohn waren. Und dann natürlich noch ein paar nett anzuschauender Frauen. Aber die waren leider allesamt mit ihren Freunden, also den Söhnen dieser besagten sehr reichen Leute da. (Er lacht trocken)
Alle sehr intellektuell, gepflegt, die Jungs mit Einheitshaarschnitten: an den Seiten kurz und das Haupthaar lang, gradlinig gescheitelt. Reiche Arschlöcher mit einem geschulten Gespür für „Parasiten“ wie mich, die so recht nicht dazugehörten und vor denen man sich besser in Acht nehmen sollte.
Ach Gott ja, verkehrte Welt. Denn ich verbrachte die ersten Stunden mit einem dieser möchtegern Künstlern. Er witterte seinerseits wohl die Chance, einen Agenten und Galeristen für seine Bilder zu finden.
Und Ihre Frau?
Ja, langsam, langsam. Das kommt doch jetzt. Sind Sie immer so ungeduldig? Das kann ja heiter werden. Da bekommen wir aber noch viel Spaß miteinander. Wenn Sie wissen was ich meine.
Na egal. Dann geschah dieses Außerordentliche!
Plötzlich begannen meine Beine zu zittern und das, obwohl ich noch nicht mehr als ein Bier getrunken hatte. Meine Güte, war mir das peinlich. Können Sie sich das vorstellen? Ich sprach ja gerade mit diesem Künstlerimitat. Und dann so etwas. Ich wusste gar nicht wohin mit mir.
Ich entschuldigte mich bei ihm und eilte, mit kaltem Schweiß auf der Stirn, zu einer der naheliegenden Toiletten.
Und dann?
Sie werden es nicht glauben. Kaum hatte ich die Toilette betreten, die übrigens größer war, als mein damaliges Zimmer, verschwand das Gefühl genau so schnell, wie es gekommen war. Ich hatte das Gefühl, als wenn ich sie nicht alle beisammenhätte. Total verrückt.
Also ging ich wieder zurück und stellte mich in den langgestreckten Flur, mit dem frisch restauriertem Stuck unter der Decke und wartete.
Als ich mich umsah, war da aber nichts, was mich wirklich nervös hätte machen können. Schwere Rauchschwaden von Zigaretten und Joints waberten durch die Gänge. Wortfetzen flogen durch die Gegend, kaum ein Lachen. Überall lehnten junge Menschen in Designerklamotten an den Wänden und diskutierten.
Mal cool, introvertiert mit schweren Brillen auf der Nase. Mal laut, wild gestikulierend, mit Rotweingläsern in den Händen und dem Duktus ihrer Väter. Also, wie gesagt, eher belustigend, als das es mir ein beunruhigendes Gefühl im Magen hätte bereiten können.
Doch dann sah ich einen Nacken!
Einen Nacken?
Ja. Wie ich es sage! Es war nichts weiter als einen Nacken! Wundervoll. Wie ein Gemälde.
Eine kleine Haarsträhne hatte sich aus dem eilig gebundenen Knoten gelöst und fiel leicht über ihn.
Dieser Nacken also war offensichtlich der Grund und das Ende meiner Suche.
Und der gehörte Ihrer Frau?
Ja genau. Sie war damals eine bildschöne, sehr schlanke, junge Frau. Anfang 20. Sie war für mich - wie eine Erscheinung. Mit diesem eleganten, enganliegenden, schwarzen Kleid und ihrem feingeschnittenen, leicht gebräunten Gesicht. Mit einem Hauch von Arroganz, die den Frauen zu Eigen waren, die wussten, wie sie auf Männer wirkten. Wahnsinn. Leider trug sie diese albernen Perlenohrringe. Die trug sie, bis zum Schluss. Furchtbar. Der einzige Kunstfehler in diesem einzigartigen Kunstwerk der Natur.
Sie stand in einer Gruppe blasierter Idioten und gestikuliere filmreif.
Erst später, als ich mit ihr sprach und ihre ambitionierte Energie spürte, wurde mir klar, welch unglaubliches Wesen mit diesem Nacken verbunden war. Welches einzigartige Gesamtpaket sich hinter ihm verbarg. Ich sah eine Suchende, die sich mit jeder Pore ihres Lebens der Regie verschrieben zu haben schien.
Und Sie?!
Ich selber hatte nach Jahren der Suche endlich einen adäquaten Beruf gefunden, bei dem ich genügend Geld verdienen konnte, um ein beschauliches, wohlhabendes Leben zu führen. Wobei ich schon sehr darauf achtete, mich nicht wirklich zu überarbeiten.
Als Galerist?!
Genau. Das war ich. 12 Jahre lang. Ein wundervoller Beruf. Eher eine Berufung. Denn neben der wichtigen Voraussetzung mich nicht zu überarbeiten, gab es für mich noch ein zweites, wichtiges Kriterium. Ich wollte mich mit meiner geliebten Kunst und den dazugehörigen Künstlern umgeben können. Sie erschienen mir, zumindest zu dieser Zeit, als ganz besonders wertvolle Menschen, mit denen ich mich gerne traf, um mit ihnen nächtelang zu philosophieren.
Ganz nebenher machte ich noch hervorragende Geschäfte mit ihnen und ihrer Kunst.
Heute hasste ich sie. Einen wie den anderen.
Ach je, das hört sich aber bitter an.
Das ist bitter, guter Mann. Das ist sehr bitter!
Aber das kam viel später. Nachdem das alles mit Katharina geschehen war.
Als wir uns kennenlernten, war ich wie besessen von Malern und Bildhauern.
Wie kamen Sie zur Kunst. Hatten Ihre Eltern auch mit Kunst zu tun?
Nicht direkt. Eher mein Großvater. Der hatte meinem Vater kistenweise Bilder vererbt. Aber um ehrlich zu sein, konnte der nun wirklich herzlich wenig damit anfangen. Und so standen die Kisten blind und eingestaubt im Keller herum und hätten sicherlich bis zu einem Sperrmülltermin der irgendwann unweigerlich anberaumt worden wäre, ein stiefmütterliches Dasein geführt.
Doch irgendwann begann ich, aus einer Laune heraus und in der Hoffnung mit dem Erlös dieser Bilder meine Reise nach Australien finanzieren zu können, einige dieser Bilder an diverse Sammler zu veräußern.
Und hat das funktioniert?
Ja, und wie! Widererwartend ging mir das Verkaufen unglaublich leicht von der Hand und ich bewies so viel Geschick und Kalkül, dass aus dem Trip nach Australien eine ausgedehnte Weltreise wurde. Beinahe zwei Jahre lang.
Und das alles aus dem Verkauf von ein paar Bildern?
Wie ich es sage!
Sie scheinen nicht viel von Kunst zu verstehen, wie ich Ihrer Frage entnehmen kann. Na ja, sei es drum.
Ich reiste sage und schreibe zwei Jahre um den Globus. Heute absolut unvorstellbar.
Und ohne mir einen übermäßigen Zwang aufzuerlegen, setzte ich mich in jedem der bereisten Länder, immer wieder mit der jeweiligen, landestypischen Kunst auseinander. So lernte ich im Laufe der Reise mehr über Kunst und ihre ganz individuelle und biografisch bedingte Anders- und Einzigartigkeit kennen, als ich das in irgendeinem Kunststudium dieser Welt hätte lernen können.
Beinahe am Ende der Reise lernte ich dann den Künstler Sharon kennen. Durch ihn kam ich erst auf den Gedanken, eine Galerie zu eröffnen.
Meinen Sie den Bildhauer und Maler Sharon? Erzählen Sie von ihm.
Sie sind zu ungeduldig. Immer mit der Ruhe. Zu Sharon und vor allem zu seiner Tochter ... ach je, wie hieß sie noch gleich ... ach, was weiß ich. Ich habe keine Ahnung mehr. Aber es wird mir noch einfallen. Sie war zauberhaft. Und sie hat gevögelt wie eine Besessene. Ach ja, ... wie hieß sie denn nur ... ? Ach, zu ihr komme ich später.
Auf jeden Fall, gleich nach meiner Rückkehr mietete ich eine alte Fabrikhalle in einem schicken In - Viertel meiner Stadt. Ich schruppte tagelang den alten Dreck heraus, tünchte sie weiß, hing Lampen auf und machte sie galerietauglich. Nicht so ein Edelscheiß, sondern eher in einem urbanen Look. Sehr außergewöhnlich zu dieser Zeit. Heute findet man das ja an jeder Ecke.
Mit dem stattlichen Rest der Bilder meines Großvaters eröffnete eine Galerie. So fing das an.
Kommen wir noch mal auf Ihre Frau Katharina zu sprechen.
Ach ja, ja. Katharina. Sie schien begeistert von dem Gedanken zu sein, sich mit einem Galeristen zu liieren. Auch wenn ihr der Altersunterschied von 14 Jahren anfänglich noch eine gewisse Sorge zu bereitete schien.
Und wie haben Sie Ihre spätere Frau dann doch überzeugt?
Nun ja, wir verbrachten die erste Nacht in tiefe Gespräche versunken auf dieser Party. Sexuell gesehen völlig unspektakulär. Erotisch allerdings – umwerfend!
Wir sprachen über vergangene Gefühle und Vorlieben, die wir mit unseren Ex-Partnern erlebt hatten. Über wilden und langweiligen Sex. Über kopflastige Lebensmodelle und tiefgründige Sehnsüchte, Geilheit und Langeweile. Wir bissen uns verbal ineinander fest und ließen uns nicht mehr los. Wir liebten uns mit schmeichelhaften Worten und keuchenden Blicken bis in die frühen Morgenstunden. Dann erwachte ich, aus diesem surrealem Traum, aus Liebe und Müdigkeit. Immerhin mit der Gewissheit die Frau fürs Leben getroffen zu haben.
Die Sie jedoch noch am selben Morgen wieder verlieren würde.
Ja, in der Tat. Gut zugehört, mein Lieber, gut zugehört.
Das hat mich fast zerrissen, dass ich sie gehen lassen musste. Aber Katharina lachte nur. Sie war ja noch jung und Zeit spielt keine Rolle, wenn man jung ist.
„David, sechs Monate ist doch keine Zeit.“ Sagte sie lachend.
Wir standen im Morgengrauen vor ihrer Haustür und ich hatte furchtbare Angst sie aus dem Auto aussteigen zu lassen.
„Ich bin in einem halben Jahr wieder hier. Und dann machen wir genau da weiter, wo wir jetzt aufgehört haben. Hier in deinem Auto, bei mir vor der Tür.“
Ich hatte aber überhaupt keine Lust zu warten, deshalb lächelte ich nur dünn und schwieg. Was sollte ich dazu sagen. Ein halbes Jahr war für mich eine Ewigkeit. Ich beneidete sie um ihre Jugend.
„Komm, wir küssen uns jetzt endlich“, sagte sie.
Wir hatten ja bis dahin noch nicht einmal geknutscht,
„und wenn wir wieder hier stehen, dann küsst du mich wieder und es ist so, als wäre die Zeit stehen geblieben.“
Aber ich wollte sie nicht küssen. Ich war traurig, zerrissen und beleidigt.
Und? Haben Sie sie geküsst?
Nein. Ich hatte, wie gesagt, keine Lust!
Gott ja, und so flog sie eben ungeküsst.
Aber unserer Zukunft tat das zum Glück keinen Abbruch.
Nach sechs Monaten unbefriedigter Seemannsliebe und tausenden von Telefonaten, Mails und Briefen über den Atlantik hinweg, war unsere Liebe so unendlich tief, dass ich Angst hatte, wir würden uns nur etwas vormachen. Verstehen Sie was ich meine? Ich dachte, wir könnten uns ohne Trennung im realen Leben nicht lieben. Aber es hielt. Unbeeindruckt von meinen negativen Gedanken. Fast zehn Jahre lang.
Was passierte dann?
Dann begann dieses wundervolle Fundament zu bröckeln und letztlich in sich zusammenzubrechen. Jetzt sind nur noch Hass und Verzweiflung in mir.
Das hört sich schlimm an. Konnten Sie denn nichts daran ändern?
Was weiß ich? Sie stellen Fragen!?
Ja vielleicht, wenn ich schon früher von den Verstrickungen zwischen Katharina, Herrn Mühe und mir gewusst hätte, ich wäre möglicherweise anders, besser und besonnener mit der Situation umgegangen.
Obwohl. Ach was.
Wie ich mich und meine Verhaltensmuster kenne, wäre ich sicherlich auch im Vollbesitz aller schmerzlichen Fakten und Informationen ebenso untätig geblieben.
Es wäre mir allerdings eine beruhigende Genugtuung gewesen, meine Ehre in Sicherheit zu wissen, wenn es mir schon nicht vergönnt war, meine Ehe in ruhige Gewässer zu lenken.
Ich finde es übrigens interessant, dass bei den Worten Ehe und Ehre nur ein „r“ den Unterschied ausmacht.
Haben Sie das auch schon entdeckt?
Ehe – Eh(r)e. Interessant oder?
Ja sicher. So habe ich das noch nie gesehen.
Ach Firlefanz! Das dachte ich mir schon, dass man sich mit Ihnen über die existenziellen Dinge im Leben nicht richtig unterhalten kann. Das sieht man Ihnen ja förmlich an.
Ach wirklich?
Ach sein Sie ruhig. Das ist doch jetzt völlig ohne Belang.
Und was soll es? „R“ hin oder her. Mir blieb weder die Ehe noch die Ehre, sondern nur die schmerzliche und unerbittliche Gewissheit, dass von der Vorsehung, die Katharina und ich uns immer als eine positive, auf uns herabschauende Macht ausmalten und der Gewissheit, dass das Universum es gut mit uns meinte, nichts aber auch gar nichts übrig blieb.
Das Universum blieb stumm, die Vorsehung pfiff auf meinen unendlichen Schmerz, und falls es einen Gott geben sollte, dann ist er, mit Verlaub, ein Arschloch.
Von Kürthen singt einen Grönemeyer Song. Gar nicht mal so schlecht. (Anmerkung der Redaktion)
Gib mir mein Herz zurück
Brauch' niemand, der mich quält,
niemand, der mich zerdrückt
niemand, der mich benutzt, wann er will.
Niemand, der mit mir redet, nur aus Pflichtgefühl,
der nur seine Eitelkeit an mir stillt.
Niemand, der nie da ist, wenn man ihn am nötigsten hat.
Wenn man nach Luft schnappt, auf dem Trocknen schwimmt.
Lass' mich los, oh, lass' mich in Ruh',
damit das ein Ende nimmt
Gib mir mein Herz zurück,
du brauchst meine Liebe nicht
gib mir mein Herz zurück,
bevor es auseinanderbricht.
Je eher, je eher du gehst,
umso leichter umso leichter wird's
für mich
Äh ... ja , schön. Okay. Sie konnten Ihre Ehe also nicht retten ...
.... Nein! Sonst säße ich ja wohl nicht hier, Sie Klugscheißer.
Irgendwann war der Stein ins Rollen geraten und ließ sich nicht mehr aufhalten. Das alles geschah, so unvorstellbar, so verletzend und beleidigend, dass meine Konsequenz daraus, logisch und nachvollziehbar war:
So wie das unausweichliche Fallen der Perlen, wenn die Kette zerreißt. Wie der Ball, der in die Luft geworfen, immer wieder auf die Erde zurück fällt. Oder die Konsequenz der Kugel, die, einmal von einem Gewehr, einem Revolver oder einer Pistole abgefeuert, immer irgendwo einschlagen muss. Verstehen Sie, was ich meine?
Es würde doch niemand diese logische, aus sich selber heraus resultierende Konsequenz je anzweifeln. Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass letztlich mein Handeln geradezu als ein Naturgesetz gesehen werden müsste.
Verstehe.
Das wage ich, ehrlich gesagt, zu bezweifeln!
Ich habe nämlich das Gefühl, das mich in dieser Beziehung niemand versteht. Wie sollte sonst ausgerechnet ein deutscher Richter, ein studiertet Mann und Diener des Staates, nicht in der Lage gewesen sein, meiner logischen Konsequenz intellektuell zu folgen. Das treibt mich ehrlich bis heute um und hinterlässt ein nachhaltiges Kopfschütteln meinerseits.
Was ich in diesem Zusammenhang nicht begreifen kann ist die Tatsache, dass ausgerechnet eine Frau, eine Schöffin, eine vom Gericht bestellte Hausfrau die einzige ist die mich scheinbar versteht.
Abgesehen vielleicht von einer Handvoll Freunden, die mir geblieben sind und natürlich meinen Kindern, die mich uneingeschränkt unterstützen.
Wobei, um ehrlich zu sein, Jungen im Alter zwischen 5 und 8 Jahren ... Die haben doch sicherlich noch eine andere in sich geschlossene Sichtweise auf Gerechtigkeit und Konsequenz. Schließlich haben sie ein Recht darauf, in der Ethik von Star Wars - Helden und dem Einfühlungsvermögen von Harry Potter zu verweilen. Niemand würde ihnen dies übel nehmen. Oder?
Da gebe ich Ihnen Recht!
Da fragte mich mein Sohn Fritz vorlänerer Zeit beispielsweise:
„Du, Papa, soll ich mal was sagen? Darth Vader ist doch auch ein Papa wie du oder?“
Er hatte seinen „erkläre mir die Welt“ Blick aufgesetzt.
„Wieso?“
„Er sagt doch immer „ich bin dein Vater!“ – also von dem Anakin Skywaker.“
Ich hatte keine Ahnung von Star Wars.
„Ja dann ist das wohl Anakin Skywalkers Papa.“
„Aber der hat doch so eine Maske auf. Damit kann man doch gar nicht küssen. Wieso kriegt er denn dann trotzdem Kinder?“
Sie verstehen sein Problem?
Ich fand es hinreißend. (lacht) Ich nahm mir vor, sehr intensiv an seiner Aufklärung zu arbeiten. (lacht sehr lange, bis ihm die Tränen kommen.)
Schöne Geschichte. Wirklich.
Wie war denn die Reaktion ihres Umfeldes auf all die Vorkommnisse die sie im Laufe dieses Jahres erlebten?
Die Meisten hatten natürlich schnell ein Urteil gefällt und es war lustig zu beobachten welche meiner Freunde, wie das „sinkende Schiff“ verließen.
Da gab es die einen, die mit einem finalen Rettungssprung aus meinem Leben hechteten. Oder die, die vorsorglich das Rettungsboot zu Wasser ließen, sich aber noch eine Weile an Deck tummelten, um zu schauen, welche Wendung das grausame Spiel letztendlich nehmen würde.
Das waren in der Regel meine Künstler, die ohnehin unfähig waren ihr eigenes Leben ernsthaft zu gestalten.
Doch auch sie stiegen irgendwann, nachts, klammheimlich über die Reling und erreichten das rettende Ufer in Gestalt eines neuen Galeristen. Mutig genug, die paar Meter durch seichtes, knietiefes Wasser zu rudern. Mit ihren bescheuerten roten Rettungswesten kamen sie sich vor wie Helden.
Ja und dann gab es natürlich noch die, die ihren Abschied tröpfelnd, wie ein kleines, seichtes, lauwarmes Rinnsal vollführten. Bis kein Tropfen Vertrauen mehr in der Flasche war und sie getrost in den Glascontainer der Geschichte geworfen werden konnte.
Am Ende blieb von dem großen Tross der Menschen die mich täglich umgaben unweigerlich nur eine Handvoll.
Jene treuen Gefährten, die ebenso ungesellig wie ich durch das Leben schritten. Denen das geschwiegene Wort ehedem lieber war, als das beliebige Geschwätz der intellektuellen Selbstverliebten. Die Arschgeigen, die immer da sind, wo sie niemand braucht, aber niemals dort zu finden sind, wo sie gebraucht werden.
Also, letzten Endes kann behaupten, dass ich es am Ende gut getroffen habe. Abgesehen von dem furchtbaren Essen, das einem hier serviert wird und den Matratzen, an denen ich auch bis zum Ende meiner Tage keinen Gefallen finden werde.
(Von Kürthen scheint abwesend. Er murmelt ein Lied von Konstantin Wecker. Er scheint müde und unkonzentriert.)
Will liegen, wie ich falle. Ich verzichte
auf diesen letzten Beistand eurer Heuchelei.
Gestattet, dass ich dies Geschäft allein verrichte.
Kein Nachgesang. Ich war einmal und bin vorbei.
Ich bin getilgt. Ihr habt euch um mein Leben
doch keinen Furz gekümmert. Warum dann um meinen Tod
Ihr müsst euch keinen letzten weißen Anstrich geben.
Der Körper steift sich, und das Blut ist nicht mehr rot.
..... Herr von Kürthen, ich danken Ihnen bis hier her erst einmal. Wir treffen uns dann nächste Woche wieder.
..... Die Augen werden aus den Höhlen treten.
Und meine Füße werden etwas kühl.
Ich hab euch früher mal um eure Hand gebeten.
Das ist vorbei. Es stirbt auch das Gefühl.
Das sag ich euch, so möchte ich nicht begraben sein ...