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Sven Mühe Rauchen fördert die Begegnung Januar

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Es heißt immer: „Rauchen gefährdet Ihre Gesundheit“, „Rauchen kann Krebs verursachen“, „Mit dem Rauch einer Zigarette belasten Sie sich und Ihre Umwelt“ „Rauchen ...“

Aber nirgendwo steht geschrieben: „Rauchen verändert ihr Leben positiv“, „Durch Rauchen lernen Sie Ihre Traumfrau kennen“, „Rauchen ermöglicht Ihnen die große Liebe!“

Die große Liebe! Gutes Stichwort. Hatten Sie wirklich das Gefühl, dass Katharina die Richtige für Sie ist?

Ja natürlich, durch und durch. Mann oh Mann, wer konnte das ahnen, auf was für einen Scheiß ich da reinfalle. Mit keiner Faser meines Denkens wäre ich darauf gekommen, dass das alles nur ein paar kleine Fluchten einer frustrierten Hausfrau war. Was für eine absurde Geschichte.

Aber sie wurde doch sehr erfolgreich durch sie, oder?

Ja schon. Sie ist echt eine wirklich große Nummer geworden in der Szene. Fette Inszenierungen an allen wichtigen Theatern. Wow. Und jetzt auch noch der Spielfilm. Alle Achtung.

Ich will nicht ungerecht sein. Sie ist schon okay. Ohne Frage.

Nein wirklich, sie ist brillant. Besser als ich. Viel besser. Und ich habe ihr echt viel zu verdanken. Echt.

Als wir uns das erste Mal trafen dachte ich, sie sei so ein kleines Assistenzmäuschen von Marcello, so wie all die anderen auch.

Obwohl, ne. Dazu war sie eigentlich zu alt. Aber sie sah echt jünger aus. Ich dachte sogar, dass sie jünger sei als ich.

Zwei Kinder, ich fasse es nicht. Das hat man ihr nun wirklich nicht angesehen. Was ein Body. Mann oh Mann. Und wenn sie im Bett loslegte, dann ging es aber richtig ab.

Wie soll ich das verstehen, hatte sie besondere Vorlieben?

Nein, nichts Außergewöhnliches. Nicht was sie vielleicht wieder glauben. Schreiben Sie jetzt bloß keinen Scheiß: Dass sie irgendwie Sadomaso war oder nur auf Analverkehr abfuhr. Ne, sie war einfach nur wild und nahm sich, was sie wollte. Und das fand ich geil. Und sie wollte echt viel. Sie war beispielsweise die erste Frau, die immer mehr wollte als ich. Sie hatte auch dann Bock mit mir zu vögeln, wenn wir schon stundenlang gearbeitet hatten und ich völlig im Sack war.

Was weiß ich? Vielleicht hat sie ihr Mann nicht mehr rangelassen und sie musste sich bei mir austoben. Der soll ja echt abgedreht sein. Die arme Sau. Kann ich echt verstehen. Das war ja auch zum Verrücktwerden. Im wahrsten Sinne.

Kannten Sie ihren Mann denn?

Den habe ich ja nur ein oder zwei Mal gesehen. Eigentlich ein cooler Typ. Viel älter als sie. So eine Vaterfigur.

Vielleicht konnte er ja nicht mehr. Ich meine im Bett. Der war echt alt. So gesetzt, mit Anzug und so und großer Karre. Jaguar oder so was. Echt fett.

Aber vielleicht sah er ja auch nur viel älter aus, als er war, nach all dem, was der durchgemacht hat. Und sie viel jünger.

Auf jeden Fall passten die beiden überhaupt nicht zusammen.

Aber cool war er.

Mann. Als ich ihm eine reingehauen habe, da war er wirklich lässig. Hut ab.

Eine reingehauen?

Ja, ja aber das ist eine andere Geschichte. Darauf komme ich später zu sprechen.

Sonst hatte ich nichts mit ihm zu tun. Ich war ja nur völlig besessen davon, das Stück von Katharina gut zu spielen. Das war die ganz große Chance für mich.

Und die hatten Sie dann ja auch. So gesehen hat es sich ja für Ihre Karriere schon gelohnt.

Ja klar, da habe ich voll hingelangt und alles gegeben. Mehr ging dann wirklich nicht mehr. Ich wollte immer ein großer Schauspieler sein. Aber irgendwie hat das bis dahin nicht geklappt. Jedenfalls nicht so, wie ich mir das vorgestellte hatte.

Sieben Mal musste ich zum Vorsprechen. Sieben Mal! Bis mich endlich eine Schauspielschule genommen hat. Ich hatte echt schon aufgegeben und mich mit dem Gedanken abgefunden, doch irgendwie Theaterwissenschaften oder irgendetwas anderes zu studieren. Einen letzten Versuch hatte ich mir noch gegeben. Und dann: zack, dritte Runde und Studienplatz. Yes!

„Mensch Mühe, jetzt geben sie sich doch mal dieselbe!“

Scheißspruch vom alten Nölle, meinem Lehrer. Alle anderen fanden es lustig.

Aber das erste Engagement habe ich bekommen und nicht einer von den Arschgeigen aus meiner Klasse. So schlecht war ich dann wohl doch nicht.

Aber immer ein wenig zu wenig.

Auch bei Marcello. Immer in der zweiten oder dritten Reihe. Nie die große Rolle.

Bis Katharina. Ab dann ging es los. Sie glaubte an mich. Oder nur an meinen Schwanz. Was weiß ich. War mir auch scheißegal.

Wie war das, als sie sich zum ersten Mal trafen. War ihnen da schon klar, dass Sie sich verlieben würden?

Aber klar. Natürlich. Es war Liebe auf den ersten Blick. Und zwar volles Programm. Das sag ich Dir.

Wir hatten an dem Tag mal wieder ätzend lange Probe. Marcello hat uns dermaßen durch den Wolf gedreht, dass ich dachte, ich pack das nicht mehr. Manchmal übertrieb er es wirklich.

Irgendwann war dann endlich Zigarettenpause. Aber weil ich der einzige Raucher war, waren die Raucherpausen echt kurz. Also ging ich nicht in die Kantine oder durch den Haupteingang raus, sondern öffnete die Tür des Notausgangs. Ein absolutes Verbot, ein No Go! Aber hey, bei einer Pause von 15 Minuten war es unsinnig, quer durch die Katakomben des Theaters zu düsen, um nach geschätzten 6,5 Minuten im Freien zu stehen. Bei einem Rückweg von 6,5 Minuten blieben mir nur noch beschissene 2 Minuten für eine Zigarette. Absolut bescheuert. Ich will die schließlich genießen. Wenn einem schon unaufhörlich suggeriert wird, dass man dabei sein Leben aufs Spiel setzt. Oder?

All das Gewese um das Rauchen geht mir unglaublich auf die Nerven. Ich habe generell nichts gegen das Rauchverbot. In Bussen, in der Bibliothek oder auf dem Amt. Meinetwegen auch noch in wirklich guten Restaurants. Da kann das echt nerven.

Aber bitte, was soll das, wenn ich in einer Bar oder in der Kneipe einen Cocktail oder ein Bier trinke und dann vor die Tür gehen muss, um eine zu rauchen. Wie bescheuert ist das denn? Da wird doch das Rauchen ad absurdum geführt. Da geht der Sinn des Rauchens doch völlig verloren. Hallo! Merkt hier einer noch was?

Also bin ich dann raus aus dem Notausgang und volle Kanne gegen die Stahltür geworfen.

Normalerweise klemmte das Mistding ständig. Man musste sich mit aller Wucht dagegen werfen, um sie zu öffnen.

Ich dachte noch, welcher Schwachkopf hat denn die Tür offen gelassen und dann flog dieses Ungetüm mit einer derartigen Wucht auf, dass ich mich selber erschrak.

Und dann knallte es auch schon. Die Tür donnerte gegen irgendwas oder irgendjemanden.

Dann hörte ich Katharina fluchen. Zu leise, um unanständig oder vulgär zu wirken. Aber laut genug, um klar zu machen, dass sie das echt scheiße fand. Ist ja auch ätzend so eine Tür im Rücken oder wo auch immer.

„Entschuldigung“, rief ich schon mal vorab.

„Geschenkt“, kam es postwendend zurück.

Und dann passierte irgendetwas mit mir, dass ich bis heute nicht beschreiben kann.

Warum, es war doch noch gar nichts passiert.

Das war es ja gerade, was ich meine. Ich kannte die Stimme nicht. Ich verband keinerlei Bild, Gesicht oder Erinnerung.

Und trotzdem ließ ich mich für den Bruchteil von Sekunden zu dem Gedanken hinreißen, hinter der Tür verborgen zu bleiben. Ich wollte die Unterhaltung mal ganz anders fortzusetzen. Das waren so Sekunden, in denen ich mir alles vorstellen konnte: Ein Gesicht, eine Erscheinung, ein Versprechen. Verstehen Sie?

Nein, nicht wirklich.

Ach schade.

Das alles mag für einen Außenstehenden völlig irrational und albern klingen. Und ehrlich, ich hatte selber so etwas auch noch nie erlebt. Aber mir zitterten die Knie und mein Atem war flach, als wäre ich ohnmächtig.

Hallo, was war das denn? Ich hatte wirklich keine Ahnung, was hier mit mir passierte. Ich war total gespannt. Ich wusste echt nicht, ob ich dem Allmächtigen oder dem Teufel persönlich gegenübertreten würde.

Aber dann hielt ich doch noch einmal inne, so wie ich immer versuchte, einen Orgasmus so lange wie möglich hinauszuzögern. Ich hatte das sonderbare, absurde Gefühl, dass alles Alte, Verstaubte, schon immer Dagewesene aus mir herausgepustet würde. Ich brauchte nur aus der Tür zu ins Freie zu treten. Mir wurde schlagartig klar, dass ab jetzt eine neue Zeitrechnung begann. Ohne zu wissen, warum?

Das hört sich ja nach einer unglaublichen Ausstrahlung an, die Frau von Kürthen hatte.

Die hat sie. Das kann ich Ihnen sagen. Es ist unglaublich. Man spürt schon lange vorher, dass sie reinkommt. Noch bevor man sie überhaupt sieht. Hammer. Sie sollte Schauspielerin werden.

Es gab einmal vor langer Zeit eine Sendung im ARD Vorabendprogramm. Die hieß „Herzblatt“, oder so, auf jeden Fall mit Rudi Carrell und später dann noch mit anderen Moderatoren. Schreckliche Sendung. Da stand sich das Paar, das gewonnen hatte, getrennt durch eine bewegliche Wand gegenüber und wartete sehnsuchtsvoll, wer sich dahinter verbarg.

Und irgendwann, auf dem Höhepunkt der kaum aushaltbaren Spannung rief dann Rudi Carrell, mit starkem holländischen Akzent:

“Und das ist ihr Herzblatt!“

Dann fuhr die Wand zurück und das Paar sah sich zum ersten Mal.

Und dann konnte ich in den Augen der beiden oft so eine maßlose Enttäuschung erkennen, dass es mir selber schon beinahe wehtat. Ich meine, ich konnte das wirklich nur zu gut nachempfinden, weil die alle so scheiße aussahen.

Aber an diese Sendung und all die frustrierten Gesichter musste ich denken, als ich hinter der Tür stand. Und daher verspürte ich keinerlei Lust, die Tür zu öffnen und diesen emotionalen, hinreißenden und geradezu erotischen Moment zu zerstören.

Aber irgendwann ließ sich Rudi Carrell einfach nicht mehr aufhalten und die Regie drückte gnadenlos auf den Knopf, der die Tür hydraulisch öffnete.

Und da stand sie, mein „Herzblatt“. Und ich sagte so etwas Bescheuertes wie: „Jetzt geht die Sonne auf“. Oh Mann.

(Sven Mühe zitiert einen Text. Sehr dramatisch)

Oh, sie nur lehrt die Kerzen, hell zu glühn!

Wie in dem Ohr des Mohren ein Rubin,

So hängt der Holden Schönheit an den Wangen

Der Nacht; zu hoch, zu himmlisch dem Verlangen.

Sie stellt sich unter den Gespielen dar

Als weiße Taub in einer Krähenschar.

Schließt sich der Tanz, so nah ich ihr: ein Drücken

Der zarten Hand soll meine Hand beglücken.

Liebt ich wohl je?

Nein, schwör es ab, Gesicht!

Du sahst bis jetzt noch wahre Schönheit nicht.

Das war jetzt Romeo und Julia oder?

Ja klar.

Aber sagen Sie es mir: Ist es wirklich so absurd, wenn man sich hinter einer Eisentür verborgen, ungesehen, nur mit ein paar Wortfetzen geködert, hingebungsvoll verliebt?

Gibt es diese ewig beschworene, in Schlagern hoch und runter gesungene Liebe auf den ersten Blick?

Keine Ahnung. Ich ... mir ist das noch nie passiert.

Schade für Sie.

Ich kann Ihnen sagen, mich hatte es wirklich völlig umgehauen. Aber es konnte doch nicht sein, dass es tatsächlich diese eine Frau gibt, bei der man sofort weiß, dass es die richtige Frau fürs Leben ist.

Von der man nie wieder getrennt sein und die man umgehend seinen Eltern vorstellen möchte?

Ich glaubte nie an die große Liebe und stand doch leibhaftig vor ihr. Ein Paradoxon.

Woran erkannten Sie, dass es die große Liebe war?

Weil alle Parameter, die ich normalerweise bei einer Frau ansetze, hier überhaupt nicht griffen.

Eine Frau checken läuft bei mir üblicher Weise über ein ganz spezielles Blickmuster:

Arsch, Titten, Augen, Mund.

Und das läuft immer gleich?

Ja klar. Bis auf wenige Ausnahmen. Es gibt beispielsweise Frauen, die ihre Hände bei angewinkelten Armen schlapp herunterhängen lasse, wenn sie sich konzentrieren oder so. Wenn ich das sehe, dann ist schon alles vorbei. Die gehen gar nicht. Da kann der Rest stimmen, dass ist mir scheißegal.

Bei zu dicken Titten, aber nur wenn sie echt sind, da könnte ich noch einen Kompromiss eingehen, obwohl mir das schon echt Angst macht beim Sex. Ich stelle mir immer vor, wenn die dann so unkontrolliert hin und her wabern. Ich weiß nicht.

Aber ein zu dicker Hintern, der macht mir echt schlechte Laune. Da denke ich immer unwillkürlich:

Warum machst du doofe Kuh kein Sport, was? Wieso bringst du den nicht in Form? Damit tust du doch wirklich keinem einen Gefallen. Und wenn du die von hinten nimmst. Also bitte. Das ist doch eine Zumutung. Kann ja sein, dass es dem einen oder anderen Mann gefällt. Aber mir nicht. Da gibt es keinen Kompromiss.

Interessante Herangehensweise.

Das finde ich übrigens eines der größten Herausforderungen, wenn du eine Frau in einer Bar kennen lernst. Womöglich ist noch so schummeriges Licht, das du nicht viel siehst.

Und dann sitzt da am Tresen eine Frau, die hat ein hübsches Gesicht und wohlgeformten oder wenigsten akzeptablen Brüsten.

Und du willst nur eins, den Hintern sehen. Aber sie sitzt ja drauf. Du redest also mit ihr, in der Hoffnung, sie steht gleich auf.

Aber nein. Sie bleibt sitzen. Und sie hat eine Blase ... oh Mann. Bis zu zwei Stunden.

Ich meine, möglicherweise hat sie auch Schiss, dass du sofort abhaust, wenn sie aufsteht und zur Toilette geht.

Aber manchmal ist das Gespräch wirklich anregend und hat diesen wundervollen, erotischen Tuch, der einem alles verspricht.

Doch dann steht sie auf, nach zwei Stunden und schiebt eine Kiste durch den Laden, dass dir schon allein beim Anblick sämtliche Optionen abhandenkommen.

Und dann?

Dann hast du natürlich verschissen. Weil die guten Frauen jetzt schon verteilt sind. Und dann überlegst du ernsthaft, ob nicht doch irgendetwas geht mit der mit dem dicken Hintern. Weil Resteficken ja noch viel deprimierender ist.

Manchmal hilft dann auch ein Cocktail mehr als sonst, um es sich dann doch noch erträglich zu gestalten.

Ich bin nun wirklich kein Chauvie, aber solche Abende finde ich einfach nur furchtbar. Die können mir das ganze Wochenende verhageln.

Wie ging es dann weiter mit Katharina?

Ach bei ihr war das alles egal. Das war ja das Bekloppte. Ich hätte beim besten Willen nichts Erhellendes zu der Frage beisteuern können, was ihre Kleidung, ihr Aussehen, die Farbe ihrer Augen, nicht einmal die Körbchengröße ihres BHs oder sonst was anging. Egal. Alles egal.

„Katharina von Kürthen“, sagte sie und streckte mir ihre Hand entgegen.

„Sven Mühe“, sagte ich und gab ihr die Hand.

Und mit dieser Berührung wurde mein Schicksal endgültig besiegelt. Ich glaube, ich bin sogar ein wenig rot geworden.

Dann entzog sie mir ihre Hand, die ich völlig stumpfsinnig festhalten wollte. Oh Mann, wie peinlich.

„Ich weiß, wer du bist. Ich habe dir die letzten Stunden auf der Bühne zugesehen.“

„Auf der Bühne?“

„Ich bin die neue Assistentin von Marcello.“

„Oh wie grauenhaft“ sagte ich, um überhaupt etwas zu sagen. Dann lachte ich. Viel zu laut.

„Ach was, so schlimm war es nicht. Feuer?“

„Bitte?“

„Ob du Feuer brauchst. Sonst wird das nichts mit dem Rauchen.“

Ich lachte, schon wieder dämlich laut und ließ mir Feuer geben. Dabei nahm ich kurz ihre Hand und schaute ihr in die Augen.

In der Regel konnte ich mit dieser kleinen Geste schon Tendenzen absehen. Wie war der Blick, wie lange hielt sie das Feuer, war sie verunsichert und so, wenn Sie verstehen, was ich meine.

Aber bei ihr war auch das alles anders. Sie gab mir Feuer, erwiderte sehr feste meinen Blick und sagte:

„Na rauchen solltest du jetzt aber wirklich alleine!“

Ich lachte. Sie steckte das Feuerzeug in ihre Tasche.

Und auch hier: Kein Hinweis auf ihren Charakter. Keine Herzchen auf dem Feuerzeug, keine blöden Katzenbilder oder was weiß ich.

Es war blau.

Was für eine dämliche Situation. Ich fühlte mich wie so ein 16jähriger Schuljunge, der mit einer heimlichen Latte in der Hose auf dem Schulhof vor seiner ersten großen Liebe stand und keine Ahnung hat, was er sagen soll. Furchtbar.

Aber irgendetwas musste ich ja reden. Ich konnte ja nicht wie ein Vollhonk neben ihr stehen und rauchen.

Also stellte ich irgendeine, für mich, unverfängliche, banale Frage: „Woher kennst du eigentlich Marcello Diaz?

Volltreffen!

Die Antwort sprudelte nur so aus ihr heraus und traf mich völlig überraschend und schmerzhaft.

Warum?

Na ... sie war ein echter Diaz-Fan. Und das schon seit ihrem Studium. Sie schwärmte, sie lechzte, sie bewunderte. Kurz, sie nervte.

Ich wäre am liebsten weggerannt. Sie sollte nicht IHN toll finden, sondern MICH.

Marcello bekam doch eh jede Frau ins Bett. Aber Bitte! Bitte! BITTE! Nicht auch sie!

Es machte mich schier verrückt, wenn ich mir vorstellte, dass sie mit Diaz da oben im Dunklen saß und meine Bemühungen auf der Bühne mit ansah. Ich wusste, wie Marcello war, wie sehr er sich aufplusterte und andere niedermachen konnte. Vor allem wenn es darum ging, eine Frau zu erobern. Und dass er sie erobern würde, das war sonnen klar. Sie war zu 100% sein Beuteschema.

Ich fühlte mich bei dem Gedanken daran richtig Scheiße.

Na, so schlimm wird es nicht gewesen sein. Oder?

Haben Sie eine Ahnung. Verglichen mit einem Orchester, spielte sie die erste Geige, hell, klar und dominant.

Marcello war der Dirigent, der die Fäden in den Händen hielt und jedem seinen Einsatz gab.

Und ich, ich war der Kontrabass, in seiner Tonlage ein wenig gefangen, einfältig und dumpf, unfähig sich gegen dieses unfassbare Gefühl zu wehren.

„So, ich muss wieder rein,“ sagte sie und drückte ihre Kippe aus. „Marcello reißt mir den Kopf ab, wen ich zu spät komme.“

Der Dirigent ruft, die Geige folgt.

Haben Sie denn nichts gesagt, wenn es Sie schon so schlimm erwischt hat, wie Sie sagen?

Ja klar. Ich versuchte es noch mit dem bescheuerten „Geheimnis-Trick“.

Der geht sonst gut durch. So nach dem Motto:

„Wir sehen uns ja sicherlich bald wieder, hier am verbotenen Ort“

„Na, schauen wir mal. Ich werde das Rauchen hoffentlich bald wieder dran geben“, sagte sie und ging.

Nichts, verstehen Sie, keine Geste der Vertrautheit, der Zuneigung oder sonst irgendeine Regung, die mir Mut gemacht hätte.

Mann, mir war echt übel bei dem Gedanken, dass sie gleich wieder neben Marcello saß, der uns auf der Bühne alles abverlangte. Jede kleinste Regung jede Gestik und Mimik registrierte und kommentierte er. Er war wie ein Wurm, der sich in dich rein fraß und alles aus dir herausholte.

Er war ab heute mein Feind, mein Widersacher, der versuchen würde, mir meine Liebe auszuspannen, einfach nur um mit ihr zu spielen, um sich dann eine neue Kerbe in den Schwanz zu ritzen.

Das tut mir leid.

Ach was. Scheiß sentimentales Gelaber. Nein, so wollte ich nicht sein. Es nervte mich, so ein Emotionsidiot zu sein.

Aber, ich hatte dann scheinbar doch irgendetwas in ihr ausgelöst. Denn kurze Zeit später streckte sie den Kopf durch die Tür und sagte: „Ach brauchst du noch Feuer?“ Dann hielt sie mir das Feuerzeug entgegen.

Und ich? Ich nahm es wie eine Trophäe an mich und steckte es in die Hosentasche.

„Blau“, dachte ich, „blau“. Unglaublich.

Erst auf dem Weg zurück zur Bühne fiel mir auf, dass ich keine Ahnung hatte, wie dick ihr Hintern war.

Vielen Dank Herr Mühe. Ich freue mich schon auf das nächste Gespräch.

Wann treffen Sie Katharina?

Morgen.

Grüßen Sie schön von mir ... oder .... Nein lassen sie es.

Am Ende des Tages ...

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