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6. Kinder und Familie

Einbeck altert – umso mehr beschäftigt die Stadt die Frage, wie viele Schulen und welches Angebot zur Kinderbetreuung sie braucht. Eltern, Großeltern und Politiker streiten leidenschaftlich über Standorte, Schließungen und Neubauten. Nicht selten schwingt im Hintergrund die Hoffnung mit, dass sich familienfreundliche Angebote wiederum positiv auf die Zahl der Geburten auswirken könnten.

Zunächst aber zu den nüchternen Fakten: Zwischen 2011 und 2019 ist die Zahl der minderjährigen Einbeckerinnen und Einbecker um knapp ein Zehntel auf rund 4.600 gesunken. Der Rückgang konzentrierte sich auf die älteren Jahrgänge der 10- bis 18-Jährigen. Dagegen blieb die Zahl der Klein- und Kindergartenkinder ebenso stabil wie die Zahl der Kinder im typischen Grundschulalter.

Einbecker Bevölkerung bis 18 Jahre

20112019Veränderung (in %)
0 - 3 Jahre726731+0,7
3 - 6 Jahre736741+0,7
6 - 10 Jahre1.0341.019-1,5
10 - 15 Jahre1.5211.302-14,4
15 - 18 Jahre1.013775-23,5
Gesamt5.0304.568-9,2

Quelle: Landesamt für Statistik Niedersachsen

Die Zahl der Schulanfänger in der Gesamtstadt sank nur leicht – dennoch verändert der demografische Wandel das Leben vieler Schüler, Eltern und Lehrer. Der Grund: Einbecks Grundschullandschaft ist geprägt von kleinen Standorten in den Ortschaften, die bei sinkenden Anmeldezahlen schnell in Existenzgefahr geraten. Zudem verläuft die Bevölkerungsentwicklung in den Dörfern unterschiedlich – stark schrumpfende Orte haben es besonders schwer, ihre Grundschule zu retten.

Zu den Verlierern gehörte zuletzt die Grundschule Dassensen/Holtensen, die 2014 den Betrieb einstellte. Schülerinnen und Schüler aus dem früheren Einzugsgebiet werden seitdem an einer der drei Kernstadt-Grundschulen, der Geschwister-Scholl-Schule, unterrichtet. Ursache für das Aus waren geringe Schülerzahlen. Für die Einschulungstermine 2014, 2015 und 2016 erwartete die Verwaltung nur 10, 12 und wieder 10 Erstklässler.

Ein Vergleich der Jahre 2010 und 2019 zeigt, dass die Dörfer im Einzugsgebiet der Schule - Dassensen, Holtensen, Hullersen und Rotenkirchen - zu den stark schrumpfenden Orten gehören. Ihre Gesamtbevölkerung ging um 9 Prozent zurück – verglichen mit 3 Prozent in der Kernstadt.

„Stirbt die Schule, überaltern die Ortschaften“

Bis 2024 genießen die verbliebenen Grundschulen Bestandsschutz – das hat der Stadtrat Ende 2019 mit dem Schulentwicklungsplan beschlossen. Zuvor war lange um die Zukunft zweier weiterer kleiner Standorte, Greene und Wenzen, gerungen worden. Die öffentlichen Ratsunterlagen zeigen, wie emotional debattiert wurde.

In einem Brief an Bürgermeisterin und Stadtrat schrieben die Eltern der Grundschule „Auf dem Berge“ in Wenzen: „Die Schließung der Grundschule Auf dem Berge hätte für die Kinder, die Dörfer im Einzugsgebiet und die betroffenen Dorfgemeinschaften dramatische Folgen. Die Schließung einer Grundschule verändert einen Ort auf Jahrzehnte. Das ist kein Experiment, das bei Nichtgelingen gestoppt werden kann. Welche junge Familie entscheidet sich für eine Gemeinde ohne Grundschule? Stirbt die Schule, überaltern die Ortschaften und sterben aus.“

Letztlich entschied sich der Rat für den Erhalt, obwohl die Grundschule bis 2024 nur mit durchschnittlich 14 Erstklässlern pro Jahr rechnet. Begründet wurde der Beschluss damit, dass die angestrebte Einzügigkeit – also eine Klasse pro Jahrgang – erreichbar sei. Möglich werde dies unter anderem durch die Einschulung von „Flexi-Kindern“ und die Doppelzählung von Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf.

Auch beim Standort Greene, Außenstelle der Grundschule Kreiensen, votierte der Rat trotz grenzwertiger Schülerzahlen für den Erhalt. Eines der rettenden Argumente: Die Räume in der Hauptstelle Kreiensen reichen nicht für alle Schüler. „Von einer Gebäudeerweiterung an der Grundschule Kreiensen wird Abstand genommen“, entschied der Rat.

„Wartelisten darf es nicht geben“

In die entgegengesetzte Richtung läuft die Diskussion zur Kinderbetreuung vor der Schulzeit: Ausbau statt Abbau ist das Motto. Politische Debatten entzünden sich vor allem an den Krippenplätzen für Kinder unter drei Jahren. Trotz vieler Meinungsunterschiede im Detail besteht grundsätzlich Einigkeit über das Ziel, zusätzliche Angebote zu schaffen.

Im Bürgermeisterwahlkampf 2020 forderte beispielsweise SPD-Kandidat Dirk Heitmüller: „Wartelisten für Kitas und Krippen darf es nicht geben. Aus den Geburtenstatistiken wissen wir schließlich, wie viele Kinder in einem oder zwei Jahren nachkommen. Dann muss man auch dafür sorgen, dass es genügend Plätze gibt.“ Er brachte einen Kita-Neubau mit Krippenplätzen in der Einbecker Südstadt ins Gespräch.

FDP-Bewerber Claudius Weisensee sagte: „Der Bedarf nach Krippenplätzen ist da. Für die Schaffung von Krippenplätzen sollten leer stehende Läden in der Innenstadt umgenutzt werden, um gleichzeitig die Innenstadt zu beleben und Leerständen entgegenzuwirken. Neubauten braucht es nicht.“

Bürgermeisterin Sabine Michalek (CDU) räumte ein: „Bei den Krippenplätzen laufen wir der gesellschaftlichen Entwicklung etwas hinterher. Das gebe ich offen zu. Der Trend, dass beide Eltern kurz nach der Geburt wieder arbeiten wollen, hat sich in den vergangenen Jahren stark beschleunigt. Wir kommen mit dem Bauen kaum nach.“ Sie verwies unter anderem auf eine frisch eröffnete Krippengruppe im kleinen Ortsteil Iber und einen geplanten Kita-Neubau in der Kernstadt, bei dem ebenfalls Krippenplätze entstehen sollen.

Nach Angaben der Verwaltung von September 2020 übersteigt das Gesamtangebot zur Kinderbetreuung im Kita-Jahr 2020/21 sogar die Nachfrage:

Krippen:162 Plätze- 10 frei
Kindergärten:842 Plätze- 46 frei
Hort:32 Plätze- 6 frei
(Zahlen zum Stichtag 1. Januar 2021)

Zur Einordnung schrieb die Verwaltung: „Demgemäß bleibt festzuhalten, dass die Nachfrage bzw. der tatsächliche Bedarf auch im aktuellen Kita-Jahr vollumfänglich gedeckt werden konnte. Alle angemeldeten Kinder konnten - wenn auch nicht immer im gewünschten Betreuungsstundenumfang und in der Erstwunsch-Kita - versorgt werden und darüber hinaus bestehende ‚Wartelisten‘ bilden lediglich Elternwünsche ab, die offensichtlich nicht als zwingend notwendiger Betreuungsbedarf zu werten sind.“

Die Bewertung der Verwaltung ist vielsagend und weist auf eine unbeantwortete Frage in der Einbecker Familienpolitik hin: Welchen Anspruch hat die Stadt? Genügt es, allen Eltern ein Betreuungsangebot zu machen? Oder sollen die tatsächlichen Wünsche zur Wahl der Einrichtung und zu den Betreuungszeiten erfüllt werden?

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