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Basteln Sie ein Feindbild

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Ich muss Ihnen an dieser Stelle des Buches bereits eine unangenehme Wahrheit näherbringen: Ihr Volk wünscht sich in Wirklichkeit gar keinen Diktator. Ich weiß schon, was Sie jetzt sagen werden: „Das mag vielleicht im Allgemeinen stimmen, aber bei mir ist das anders!“ Immerhin sind Sie doch der beste Politiker, den Ihr Land je gesehen hat, und das Volk kann sich nur glücklich schätzen, Sie zu haben. Das mögen Sie als Resultat von Jahren feuchter Träume glauben, doch diesen Zahn muss ich Ihnen leider ziehen. Wenn es anders geht, wünscht sich die Menschheit üblicherweise keinen starken Herrscher, der von oben herab über ihr Leben entscheidet. Schon allein um die Menschheit von diesem Irrtum zu erlösen, gilt es, an die Macht zu kommen und dort zu bleiben. Hierfür bedienen sich Diktatoren seit jeher einer ebenso schlichten wie effektiven Methode. Anstatt sich selbst als die objektiv beste Wahl zu positionieren und um die Menschen zu werben, präsentieren sie sich als eine konkrete Lösung. Lösung wofür? Der Diktator ist die Lösung für ein ganz bestimmtes Problem, das übrigens rein gar nichts mit seinen Fähigkeiten zu tun hat. Wenn dieses Problem nämlich groß genug ist (oder die Menschen in Ihrem Land das glauben), müssen Sie über kein besonderes Know-how verfügen. Sie müssen nur die Lösung darstellen! Aber von welchen Problemen sprechen wir denn hier? Von Feinden natürlich! Der zukünftige Diktator muss das letzte Bollwerk gegen einen gemeinsamen Feind sein, einen Feind, der die Gesellschaft und den Staat in seiner Gesamtheit bedroht. Das und nur das erlaubt ihm seine Stellung als Alleinherrscher. Aber woher soll dieser Feind denn kommen? Das beste Problem ist immer das, das man selbst schafft. Denn dann fällt die Lösung meist nicht schwer. Schauen Sie sich nur um in der Welt. Kim Jong-un beschützt wie schon sein Vater und Großvater das nordkoreanische Volk vor den Imperialisten im Süden und in Amerika, nachdem sie selbst den Koreakrieg vom Zaun gebrochen hatten. Wladimir Putin schützt das russische Volk seit Jahrzehnten vor dem ausbeuterischen Westen und dessen moralischen Verfall, nachdem er selbst dem Land jegliche Hoffnung auf Reform genommen hatte. Donald Trump schützt das amerikanische Volk vor … oh, Moment! Ich entschuldige mich. Jetzt hätte ich Präsident Trump fast in eine Reihe mit solchen autokratischen Herrschaften gestellt.

Der Schlüsselbegriff für uns ist also das Feindbild. Wenn Sie zum alleinigen Machthaber Ihres Landes aufsteigen wollen, brauchen Sie ein solches, denn ohne Bedrohungsszenario, ganz ohne eine böse äußere Gruppe, vor der es die Nation zu schützen gilt, ist Ihre Machtübernahme vor dem Volk nur schwer zu rechtfertigen. Aber Sie haben Glück! Feindbilder haben doch gerade in diesen Jahren wieder Hochkonjunktur. Die Flüchtlinge, der Islam, der „Deep State“ … es gibt so viele reale und fiktive Feinde, die man als aufmerksamkeitssüchtiger Jungautokrat bekämpfen kann. Das Buffet ist eröffnet! Die Menschen lieben eben ihre Feindbilder, und seit jeher teilten alle sozialen Gruppen solche Vorstellungen. Immerhin bieten gemeinsame Feinde eine Grundlage für Rudelbildung, und nicht erst seit gestern nutzen aufstiegshungrige „Politiker“, wie Sie sich wohl gerne auch sehen, diese Neigung. Egal, wohin man in der Geschichte blickt, so gut wie jeder große Herrscher baute seine Macht zuallererst auf ein wohlgenährtes Feindbild auf. Die ganz Großen unter diesen Politikern verließen sich dabei aber nicht auf das Glück. Sie gingen ganz aktiv daran, solche Feindbilder zu erfinden, zu schüren und damit immer weiter aufzublasen, bis der Ruf im Volk nach einer „Lösung“ nicht mehr zu überhören war. Dreimal dürfen Sie raten, wer diese Lösung dann parat hatte.

Populismus leicht gemacht

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