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Kapitel 13

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Volker May folgte dem roten BMW in Richtung Innenstadt. Ute van Geerden gab mächtig Gas und er war sich nicht sicher, ob die Frau vor ihm jemals so etwas Banales wie Verkehrsregeln zu beachten gelernt hatte. In rasender Geschwindigkeit folgten Spurwechsel auf Überschreiten der Geschwindigkeit, falsches Überholen wurde begleitet von Gefährdung von Fußgängern und Radfahrern. Und Volker versuchte, ohne bemerkt zu werden, an dem vor ihm fahrenden Wagen dran zu bleiben.

Es überraschte ihn, dass eine so sanftmütig scheinende Frau, so rücksichtslos fahren konnte. Wo die beiden Autos auftauchten, erscholl kurze Zeit später ein Hupkonzert. Der Hupenlärm vermischte sich mit den Tönen der verkehrsbelasteten Innenstadt und schien in den engen, hohen Häuserschluchten zu einem infernalischen Intermezzo heranzuwachsen. Den anfänglichen Vorsatz, unentdeckt zu bleiben, verrann so mit jedem weiteren Meter. Als beide Wagen in Richtung Nieder-Eschbach rasten, konnte May dem BMW nicht mehr folgen. Nachdem Ute van Geerden das Rotlicht einer Ampel missachtend, eine schon vom Gegenverkehr befahrenen Kreuzung überquerte, wurde die Situation zu gefährlich. Während er, vom roten Licht ausgebremst, wartete, sah er wie der Wagen am Ende der Straße verschwand.

Endlich hatte er freie Fahrt und folgte der Ausfallstraße die in den nahen Ort führte. Obwohl die Wartezeit nicht sonderlich lange gewesen war, war der rote Wagen verschwunden. Langsam fuhr Volker durch die Straßen der Kleinstadt, warf einen Blick in jede Seitenstraße. Aber das gesuchte Fahrzeug blieb verschwunden. Als das etwas abseits gelegene Schwimmbad auftauchte, brach er entnervt die Suche ab und fuhr entlang der Eschbach zurück in Richtung Stadt. Schon sah er den Ortsausgang, als sein Blick in eine der Seitenstraßen fiel. Noch bevor sein Kopf reagieren konnte, war sein Fuß schon auf dem Weg um Bremspedal, schon blockierten die Räder und sein Peugeot 307 stand still.

Keine hundert Meter weiter stand der Ute van Geerdens Auto am Straßenrand. Rückwärtsgang einlegen und sich umdrehen schien nun ein und dieselbe Bewegung zu sein. Schnell und mit singendem Getriebe schoss der kleine französische Wagen rückwärts um die Ecke. Dort parkte er so, dass er durch den Rückspiegel alles im Blick hatte. Er wartete gut eine halbe Stunde, eine dreiviertel Stunde, in der nichts zu passieren schien. Je länger die Wartezeit seine Geduld strapazierte, je mehr versank er in eine Art Lethargie, rutschte in das Traumland zurück aus dem er vor der spannenden Verfolgungsjagd erwacht war. Mit geöffneten Augen träumte er von Ute van Geerden, ihrem sehnigen, durchtrainierten Körper, ihrem Duft, selbst die Grübchen um ihre Augen erschienen fast real vor seinem inneren Auge. Kaleidoskopartig bildete sein Gehirn die bunten Bilder der wunderschönen Frau.

Mit den Fantasien kam jedoch auch ein ungutes Gefühl das er nicht direkt zuordnen konnte. Warum war sie so schnell und vor allem so riskant durch die überfüllte Stadt gerast. Was hatte die noch vor Minuten so gelassen wirkende Frau so aufgebracht und vor allem wo wollte sie so schnell hin. Und vor allem, warum hatte sie gelogen. Deutlich hatte er es an ihrer Körpersprache und ihrer Mimik, gesehen. In diesen Momenten war sie für ihn ein offenes Buch. So wie jede Verdächtige. Reaktionen, wie sie auf unerwartete Konfrontationen in der Regel folgten, verrieten immer die Wahrheit. Noch nie hatte er einen Menschen getroffen, der sein Verhalten so zu kontrollieren im Stande war, dass er seine wahren Emotionen verdecken konnte.

Sie hatte bei seinem Besuch nicht so gewirkt, als stände sie unter Termindruck. Noch während seine Gedanken versuchten diese Fragen mit plausiblen Antworten zu versehen, öffnete sich die Tür des Hauses an dem van Geerdens Auto stand. In Begleitung eines Mannes betrat Ute van Geerden die Treppe. Sein Mund wurde trocken und erstmals bemerkte er die Spätsommerhitze, die seinen Körper zum Glühen brachte, als der etwa fünfzigjährige Mann, die Frau in den Arm nahm und sie an sich drückte. Schweiß lief an seinem Rücken herunter. Diese Umarmung sah nicht aus, als wäre sie nur freundschaftlicher Natur.

Als sich der rote BMW mit heulendem Motor in die entgegengesetzte Richtung entfernte, startete Volker den Wagen und rollte rückwärts die Straße entlang. Vor dem Anwesen stoppte er. Dort, gleich rechts neben der Eingangstür prangte eine riesige, messingfarbene Tafel, die den Titel und den Namen des Eigentümers wiedergab. May nahm seinen Notizblock und schrieb: »Hartmut Kesselring, Rechtsanwalt«.

Was um Himmels Willen war so wichtig, dass Ute van Geerden so schnell zu ihrem Rechtsanwalt musste? Abgelenkt fuhr er zurück zum Revier.

Als er sein Büro betrat, kam ihm die Kühle wie eine wahre Erholung vor. Obwohl keiner der Räume klimatisiert war, spürte er hier die fehlende Sonneneinstrahlung, fühlte er nun wie die Hitze während seiner Wartezeit seinen Körper angegriffen hatte. Computer einschalten und der Griff nach seiner Wasserflasche wurden von Volker fast synchron ausgeführt. Innerlich lächelte er. »Da sag mal einer, nur Frauen könnten zwei Dinge auf einmal. Das war das Missing Link, das fehlende Puzzleteilchen, in der Geschichte der Männer!«, sagte er zu sich selbst. Ob er dabei laut oder leise gesprochen hatte, konnte er nicht wirklich sagen.

Bevor seine Gedanken dazu in der Lage waren, wurde die Tür aufgerissen und sein Kollege Meierling schoss in sein Zimmer. »Oh, isses do so scheen kühl. Also Volgga, isch hon ehmol recherchiert, wie Du jo am Telefon ach gesaaht hascht, und honn feschtgestellt, dass der van Geerden, also der Monn von der Fraa, eh guddie Lewensversicherung gemacht hat. Awwa eh rischtisch feddie. Doo gehds um gut 650 Dausend Euro. Eh neddes Sümmsche, oddaa?« Wie der Page eines Hotels der auf ein ordentliches Trinkgeld hofft, blieb Meierling in der Tür des Büros stehen.

May sah ihn verwundert an. »Das ist wohl ein nettes Sümmchen, da hast Du recht!« »Awwa erscht vor sechs Monad abgeschlosse. Do schtaunschde? Isch glaab, die Frau vonn demm hadd gerad eh Motiv griedd?«, strahlte Reinhard ihn an. Meierling stand immer noch in der Tür und wartete ab. »Na gudd dann, eh ‚Danke Reinhard‘ wäär jo ach eh bissje viel verlanngt gewäähn. Awwa ich honns joo geere gemacht. Donn bis schbäder«, maulte Reinhard Meierling in breitestem hessisch und verschwand aus der Tür.

Diese Lebensversicherung änderte den Blickwinkel, mit dem er den Fall betrachten würde, total. Zum Fall war diese Angelegenheit gerade eben mit Meierlings Recherche geworden. Sollte Frau van Geerden vom Verschwinden ihres Mannes profitieren, dann war es auch möglich, dass sie dazu beigetragen hatte. Und warum hatte sie es so eilig zu ihrem Rechtsanwalt zu kommen? Oder war er gar nicht nur ihr Anwalt, vielleicht war er viel mehr. Volker spürte wie sein erlerntes und über Jahre eingeübtes Programm im Kopf begann, sich in Gang zu setzten. Er hasste es wenn er so aus dem Unterbewusstsein gesteuert wurde, wenn sein Verbrechererkennungsprogramm zu rasen begann. Und nun war es auf dem besten Weg zu starten und zu fragen, wer war der Mann mit dem sich Ute van Geerden getroffen hatte.

Das Licht, das sein nun hochgefahrener Computer erzeugte, blendete ihn in dem ansonsten abgedunkelten Raum. Er gab in die Suchmaske seines Browsers den Namen, den er gelesen hatte, ein. Ein Druck auf die Enter-Taste spuckte ihm fast 390 000 Einträge aus. Das Suchwort Rechtsanwalt brachte ihm schließlich den gewünschten Erfolg. Er fand den Seiteneintrag des Rechtsbeistands und klickte auf den angezeigten Link.

Als die Seite geladen war und sich öffnete, staunte Volker May. Kurz wägte er die Fakten, die er kannte ab, mischte sie mit seinen Vermutungen und wählte schließlich die Nummer des zuständigen Staatsanwaltes.

Weg, einfach weg

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