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2.5 Das Adjektiv

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Paradigmatisch gesehen unterscheidet sich das Adjektiv von allen anderen deklinierbaren Wortkategorien dadurch, dass es zwei unterschiedlichen Flexionsmustern folgt: einem pronominalen und einem adjektivischen. Wie aus dem folgenden Paradigma hervorgeht, ist das Formeninventar des pronominalen Flexionsmusters weitgehend identisch mit dem von Artikelwörtern bzw. Pronomina.

Adjektiv: pronominale Flexion


Tabelle 12: pronominale Adjektivflexion

Die Adjektive des pronominalen Flexionsmusters tragen dieselben Endungen wie etwa das demonstrative Artikelwort dies-. Diese formale Ähnlichkeit erklärt sich aus der Position, die Artikelwörter und Adjektive relativ zum Substantiv, mit dem sie eine Nominalphrase bilden, einnehmen bzw. der Funktion, die diese in der Nominalphrase erfüllen. Dies soll an den folgenden Beispielen ausgeführt werden:

(10) Dieses Wetter!

(11) Wunderbares Wetter!

In den Beispielen (10–11) treten das demonstrative Artikelwort dieses bzw. das Adjektiv wunderbares unmittelbar vor dem Substantiv Wetter auf. Beide Wörter weisen dieselbe Flexionsendung auf: -es, die wiederum durch den Kasus, Numerus und Genus des Substantivs Wetter bedingt ist. Auf die Verteilung der Flexionsendungen auf die einzelnen Komponenten der Nominalphrase wird in Kapitel 4.2 eingegangen.

Nur im Genitiv Singular Maskulinum und Neutrum weichen die Formen des Adjektivs von denen des demonstrativen Artikelwortes ab: Anstatt der Endung -es weist das Adjektiv in diesen zwei grammatischen Positionen die Endung -en auf. Auf die Frage, warum sich das Adjektiv in seinem pronominalen Flexionsmuster genau in diesen zwei Positionen vom demonstrativen Artikelwort unterscheidet, wird in Kapitel 4.3 eingegangen.

Adjektiv: adjektivische Flexion

Das Paradigma der adjektivischen Flexion enthält im Vergleich zu pronominal flektierten Adjektiven viel weniger formale Differenzierungen. Es werden lediglich zwei Formen unterschieden: Die Adjektive tragen entweder die Endung -e oder -en.


Tabelle 13: Flexionsparadigma der adjektivischen Flexion

Die adjektivisch flektierten Formen im Maskulinum Singular teilen ihr Flexionsverhalten mit einer kleinen Gruppe von Substantiven: den sogenannten schwachen Maskulina wie z.B. Bote und Biologe.

Sg. Pl.
Nom. der zuverlässige Bote die zuverlässigen Boten
Akk. den zuverlässigen Boten die zuverlässigen Boten
Dat. dem zuverlässigen Boten den zuverlässigen Boten
Gen. des zuverlässigen Boten der zuverlässigen Boten

Tabelle 14: Flexionsparadigma schwacher Substantive

Betrachtet man die Formen des Adjektivs zuverlässig und des Substantivs Bote fällt eine vollständige Übereinstimmung in den Endungen auf. Diese Übereinstimmung ist nicht zufällig. Dieses Flexionsmuster geht auf dieselbe indogermanische bzw. germanische Deklinationsklasse, die sogenannte n-Deklinationsklasse, zurück.

Die stark reduzierte Formenvielfalt in der adjektivischen gegenüber der pronominalen Flexion hat sprachökonomische Gründe. Formen des adjektivischen Paradigmas werden verwendet, wenn vor dem Adjektiv bereits ein pronominal flektiertes Wort, z.B. ein Artikelwort, steht:

(12) Dieses wunderbare Wetter!

(13) Wunderbares Wetter!

Die Wahl der adjektivisch flektierten Form wunderbare ist insofern sprachökonomisch motiviert, als an dieses Adjektiv nicht die pronominale Endung -es angehängt wird, da sie bereits am demonstrativen Artikelwort dieses erscheint. Auf die Verteilung der Adjektivformen aus den zwei Paradigmen in der Nominalphrase wird in Kapitel 4.2 eingegangen.

Bisher haben wir, um die zwei Flexionsmuster von Adjektiven zu unterscheiden, von pronominaler und adjektivischer Flexion gesprochen. Tatsächlich legt diese terminologische Unterscheidung die flexionsmorphologischen Verhältnisse offen, die hier vorliegen: Die Endungen der pronominal flektierten Adjektive sind identisch mit den Endungen der Artikelwörter bzw. Pronomina. Auch sprachhistorisch gesehen ist zu belegen, dass die Adjektive nach und nach die pronominalen Endungen übernommen hatten. Insofern sind diese Adjektivformen nicht genuin adjektivisch. Vielmehr ist das Flexionsset von den Pronomina bzw. Artikel Wörtern ‚geborgt‘. Demgegenüber teilen die adjektivisch flektierten Formen ihren Flexionsset mit einer Gruppe von Substantiven, die eine sehr kleine Gruppe mit einem für die Substantivdeklination im Gegenwartsdeutschen atypischen Flexionsverhalten darstellt.

Obwohl die Bezeichnungen pronominal und adjektivisch in der Sache selbst gut begründbar und nachvollziehbar sind, hat sich für die zwei Flexionsmuster des Adjektivs seit Jakob Grimm die Dichotomie starke vs. schwache Flexion durchgesetzt. Die Bezeichnungen stark und schwach haben nur wenig mit dem Wesen dieser beiden Flexionsmuster zu tun. Es sind bloße Etiketten. Wir wollen hier an unserer terminologisch besser nachvollziehbaren Unterscheidung pronominale vs. adjektivische Flexion festhalten, wenn es um die zwei Flexionsmuster des Adjektivs geht.

Einführung in die Morphologie des Deutschen

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