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KAPITEL 7

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Florence lief wie eine Betrunkene.

Das konnte doch nicht der Ernst der Martenfrauen sein! Der Stoff rieb zwischen ihren Beinen, und wenn Wind hineinfuhr, musste sie dem Drang widerstehen, ihn mit beiden Händen hinunterzudrücken.

Ihre Wangen glühten vor Scham. Florence musste an ihre Mutter denken und wie sehr sie immer darauf bedacht gewesen war, nicht ins Gerede zu kommen. Dass ihre Tochter lange keinen Ehemann fand und studierte, war schlimm genug.

„Gut, dass meine Mutter das nicht sieht. Wenn sie wüsste, dass ich Hosen trage …“

Mrs Marten lachte lauthals und alles andere als damenhaft. „Darum machen Sie sich mal keine Sorgen. Die meisten Frauen an diesem Ende der Welt haben schon welche angehabt, zumindest jene, die nicht in den Ballsälen der Städte vor Langeweile umkommen.“

Florence sah an sich hinab. Wenn sie stand, sah der Rock ganz gewöhnlich aus, doch wenn sie ging, war leicht zu sehen, dass er in zwei weite Hosenbeine geteilt war.

„Das ist wirklich sehr gewöhnungsbedürftig.“

„Aber bald werden Sie es nicht mehr missen wollen.“

Mrs Marten fasste sie am Arm und zog sie mit sanfter Gewalt durch den Hausflur, hinaus in den Innenhof, der noch im bläulichen Schatten der drei Karribäume lag.

Mehrere Rinderhirten der Martens hatten sich dort versammelt. Es waren allesamt raue Männer in Arbeitskleidung, die aussah, als sei sie schon lange nicht mehr gewaschen worden. Als sie Florence bemerkten, jubelten und pfiffen sie.

„Was steht ihr hier rum und gafft, ihr Nichtsnutze? Geht an die Arbeit, los!“, rief Mrs Marten resolut.

Florence hätte sich am liebsten hinter ihr versteckt, um den anzüglichen Blicken der Männer zu entgehen.

Nach kurzer Zeit war der Spuk vorbei. Bis auf einen Mann waren alle anderen der Anordnung der Hausherrin gefolgt, auf ihre Pferde gestiegen und durch das Tor hinausgeritten. Bis zum Einbruch der Nacht würden sie nun bei den Rinderherden bleiben.

„Kommen Sie, Florence. Jeff hat Ihnen Ihr Pferd gesattelt.“

Der Mann, klein und sehnig mit sonnenverbranntem Gesicht, hielt einen Rappen am Zügel, der aussah, als würde er dösen. Alle vier Beine waren weiß, das hintere linke hielt er angewinkelt. Besonders wild sah das Tier nicht aus, doch das war Florence gerade recht.

Jeff nahm seinen Hut ab, drückte ihn gegen die Brust und verbeugte sich mit einem derart ernsten Gesicht, dass Florence im ersten Moment glaubte, man mache sich einen weiteren Spaß mit ihr.

„Entschuldigen Sie die jungen Burschen, manchmal kommt es mir vor, als hätten sie noch nie ein anständiges Frauenzimmer gesehen“, sagte Jeff mit einer Stimme, die klang, als habe er sein ganzes Leben lang sandige Luft geatmet. „Das hier ist Koa, er ist ganz brav.“

„Hallo Koa“, sagte Florence und streckte dem Pferd die Hand hin, damit es ihren Geruch kennenlernen konnte. Der Wallach blieb so reglos, als sei er zur Statue erstarrt. Auf seiner Stirn war eine breite, weiße Blesse, seine Augen, so stellte sie erstaunt fest, waren hellblau und schienen für einen Fisch passender als für ein Pferd.

„Meiner Tochter war Koa zu brav, aber für eine Reitanfängerin wie Sie ist er genau richtig. Versuchen Sie es doch“, meinte Mrs Marten.

Florence sah sich um. Hier gab es anscheinend keine dieser kleinen Treppen, mithilfe derer sie sonst aufs Pferd gestiegen war. Bei ihren wenigen Reitstunden hatte ihr sonst auch immer jemand geholfen.

„Und Sie haben wirklich keinen Damensattel?“, fragte sie zweifelnd und besah sich das große, lederne Ungetüm auf dem Pferderücken. Es sah aus, als sei es einige Meilen weit hinter einer Kutsche hergeschleift worden.

„Nein, so etwas gibt es hier nicht, und Sie werden nach Stunden und Tagen im Sattel dankbar sein, dass es so ist“, meinte Mrs Marten und versuchte, sich ihr Amüsement nicht ansehen zu lassen.

„Das Pferd ist kein Berg. Wenn Sie auf Expedition gehen wollen, dann werden Sie diese kleine Hürde zuerst meistern müssen. Den linken Fuß in den Bügel, festhalten und hinauf da.“

Florence wusste nicht, was sie antworten sollte, denn eigentlich hatte die Farmerin recht. Sie musste mutiger sein, die Zeit der Teegesellschaften und Stickabende war vorbei. Und hatte sie sich nicht genau das immer gewünscht? Sie trat näher, tätschelte Koa den samtschwarzen Hals und reckte dann das Bein hoch. Der Steigbügel war schrecklich weit weg.

Beim nächsten Versuch schaffte sie es, den Fuß hineinzuschieben, hielt sich mit beiden Händen am Sattel fest und zog sich hoch.

„Sehr gut, jetzt noch das rechte Bein auf die andere Seite“, sagte der Alte und half ihr schließlich, auch den rechten Fuß in den Bügel zu stecken.

Florence schaute an sich hinunter. Nun saß sie also wirklich breitbeinig auf einem Pferd, genau wie ein Mann. Es fühlte sich aufregend und sehr verboten an. Zwischen ihren Knien konnte sie Koas Flanken spüren, die sich mit jedem Atemzug hoben und senkten.

Mrs Marten tätschelte Florence aufmunternd am Oberschenkel. „Jetzt setzen Sie sich im Sattel zurecht, und ich hole Ihnen fix Ihre Sachen. Dann kann es losgehen.“

„Mein Journal! Das habe ich vor lauter Aufregung ganz vergessen. Mrs Marten, Sie sind ein Schatz.“ Das Notizbuch war zusammen mit einer Wasserflasche und etwas Proviant in einer Satteltasche verstaut und stand vermutlich noch im Vorzimmer.

Während Mrs Marten ins Haus eilte und Jeff sein eigenes Pferd aus dem Stall holte, war Florence einen Moment lang allein. Zuerst zog und zerrte sie den Stoff der weiten Hosenbeine zurecht, sodass sie wie ein Rock auf beiden Seiten des Sattels hinabfielen.

Der Wallach stand die ganze Zeit über still und schlug mit seinem Schweif träge nach Fliegen, allerdings hielt er den Kopf zur Seite gedreht, damit er ihr Tun aus einem seiner unheimlichen Fischaugen beobachten konnte.

War er wirklich so lammfromm, wie die beiden behaupteten, oder steckte in dem Tier der Teufel?, fragte sich Florence.

„Willst du mit mir auf eine Abenteuerreise gehen, Koa?“, flüsterte sie.

Das Pferd spitzte die Ohren und schnaubte.

Jetzt rede ich schon mit einem Pferd. Florence schüttelte den Kopf. Wenn Ernest mich jetzt gesehen hätte.

Ihr Mann war schon früh am Morgen aufgebrochen, um bei den van Asters auf der benachbarten Rinderfarm einen Guide anzuheuern. Mr Marten begleitete ihn. Florence hatte nicht darauf bestanden mitzureiten. Das wäre unsinnig, außerdem wollte sie den befreundeten Männern Zeit geben, sich auszutauschen. Unterdessen würde sie ihren Plan in die Tat umsetzen und der Schule der Nonnen einen Besuch abstatten.

Kurze Zeit später ritt sie an der Seite des alten Jeff in Richtung Stadt. Im Innenhof der Farm war ihr nicht klar gewesen, wie warm es bereits geworden war. Der Schatten der Karribäume war wirklich ein Segen, den sie jetzt schon vermisste.

Nach und nach schwand ihre Aufregung. Koa war tatsächlich ein braves Pferd. Als Jeff dann fragte, ob sie nicht schneller reiten wolle, um nicht so lange der glühenden Sonne ausgesetzt zu sein, stimmte sie mit leichtem Herzklopfen zu.

Von da an ging es in einem gemütlichen Galopp voran. In England hatte sie jede Gangart gescheut, die schneller war als Schritt, und das Horn des Damensattels immer krampfhaft umklammert. Ständig fürchtete sie herunterzufallen.

Jetzt galoppierte sie, und es fühlte sich nicht nur sicher, sondern auch großartig an. Als Jeff, der neben ihr ritt, in ihre Richtung sah, ertappte er sie bei einem Lächeln.

Bald schon kamen die ersten verfallenen Hütten in Sicht, die den nördlichen Rand von Perth säumten.

Hier ritten sie wieder langsamer. Die Pferde schwitzten und schnaubten zufrieden.

Florence meinte, den Staub des kurzen Rittes überall spüren zu können, ein Gefühl, an das sie sich in den nächsten Wochen, Monaten, vielleicht sogar Jahren gewöhnen musste.

„Der Konvent ist gleich dort vorne“, sagte Jeff, und dann entdeckte sie das weiß gekalkte Gebäude ebenfalls. Dieses Mal war der Innenhof verlassen.

Florence hielt vor der Mauer, die das Grundstück umspannte, und stieg vom Pferd. Schon jetzt spürte sie den Ritt in allen Knochen. Sie musste dringend mehr reiten und ihren Körper an die Strapazen gewöhnen, sonst würde sie auf der kommenden Reise kläglich versagen.

„Wenn es Ihnen recht ist, reite ich in die Stadt und mache Besorgungen.“

„Ja, aber natürlich.“

„Sie können Koa dort vorne festmachen, da gibt es auch eine Tränke.“ Jeff wies auf einen Holztrog und einen Balken mit Eisenringen zum Festbinden der Zügel, geschützt von einem spärlichen Rieddach.

„Sie müssen nicht auf mich warten, Jeff, den Rückweg finde ich allein.“

„Wenn Sie möchten. Es würde mir aber nichts ausmachen.“

„Das schaffe ich schon, danke.“

Florence führte Koa zum Unterstand. Das Pferd soff gierig, und sie meinte sehen zu können, wie jeder Schluck durch seinen Hals wanderte. Als sie sich schließlich nach ihrem Begleiter umsah, war von ihm nichts mehr zu sehen. Nur eine Staubfahne hing noch über der ausgetrockneten Straße.

Als sie Koa angebunden hatte, betrat sie, die Satteltasche unter dem Arm, den Innenhof.

Wo an ihrem Ankunftstag die kleinen Mädchen gespielt hatten, lagen nur einige bunte Steine im Staub. An einer Bank lehnten mehrere hölzerne Reifen. Sicher waren die Schülerinnen nun alle im Gebäude und wurden von den Nonnen unterrichtet. Florence wollte nicht stören, sie kam immerhin ohne Vorankündigung zu Besuch. Unter dem uralten Eukalyptusbaum im Zentrum des Innenhofes stand eine schmiedeeiserne Bank, deren hintere Beine schon mit dem Stamm verschmolzen waren.

Florence setzte sich dort hin und nahm ihre Wasserflasche aus der Satteltasche. Die Flüssigkeit war warm geworden, der Geschmack abgestanden, aber sie war so durstig, dass sie doch einige große Schlucke nahm. Sie lehnte sich an und schloss einen Moment lang die Augen. Eine sachte Brise trocknete den Schweiß auf ihrer Stirn.

Über ihr raschelten die Blätter des Baumes und einige der halb herabhängenden Rindenstücke, aus denen sich der Stamm herausschälte wie eine sich häutende Schlange.

Wie aus weiter Ferne hörte Florence die Stimme einer Frau, vermutlich einer Nonne, die etwas buchstabierte. Kleine Kinder wiederholten es eifrig.

Wie gut es die Mädchen doch hatten. In England herrschte zwar Schulpflicht, aber viele der sehr einfachen Leute behielten zumindest die Mädchen daheim, damit sie im Haushalt helfen oder betteln gehen konnten.

Hier, am anderen Ende der Welt, lernten sogar die Kinder von Landstreichern lesen und schreiben. Florence war sich sicher, wer diese Schule verließ, hatte im Leben bessere Chancen als die Eltern.

Sie horchte auf.

Weinte da jemand? Es klang eher wie ein Wimmern. Ein junger Hund vielleicht, der sich irgendwo verkrochen hatte. Sie wartete kurze Zeit ab, doch dann machte sie sich auf die Suche. Florence hatte es noch nie ertragen, wenn ein Tier litt. Als Kind hatte sie zur Empörung ihres Vaters so manche verletzte Kreatur nach Hause gebracht, auch wenn es fast immer damit endete, dass der Kutscher das Tier tötete. Aber wenigstens hatte es sich dann nicht mehr quälen müssen.

Florence hielt nichts von dem wissenschaftlichen Ansatz, dass Tiere bloße Automaten waren, die nur auf äußere Reize reagierten und keine echten Schmerzen empfanden. Dafür musste man ihnen nur in die Augen sehen. Ein Blick genügte, um zu wissen, dass es sich um empfindsame Wesen handelte.

Florence begann ihre Suche direkt am Eingangstor und sah in beide Richtungen die Straße entlang. Nichts. Nur ein Reiter und ein leeres Fuhrwerk, das von mageren Ochsen gezogen wurde. Also musste sich das unglückliche Wesen auf dem Grundstück befinden.

Die Nonnen hegten einige Rosen, die auf der Hofseite an der Mauer hinaufrankten. Florence entdeckte in ihrem Schatten ein totes mausähnliches Tier, von dessen Gestank der Duft der Rosen kaum ablenken konnte.

Näher am Schulhaus gab es einige Verschläge. Florence vermutete, dass dort Gerätschaften zum Gärtnern untergebracht waren. Die hüfthohen Türen waren aus festem Holz und hatten in der Mitte jeweils eine kleine vergitterte Öffnung.

Plötzlich regte sich hinter einer der mittleren etwas. Dort war etwas eingesperrt.

Dann wurde eine schmale, dunkle Hand sichtbar, und das Wimmern wurde lauter.

Ein Kind? Man hatte ein Kind hier eingesperrt? Florence rüttelte an der Tür, die mit einem schweren Eisenschloss verriegelt war. Umsonst. Sie ließ sich auf die Knie fallen und spähte hinein. Große, runde Augen erwiderten ihren Blick.

„Hallo, was machst du denn hier drin?“, fragte Florence mit bebender Stimme. Sie war fassungslos. Wer sperrte denn ein Kind ein?

Das Mädchen rührte sich nicht. Durch das spärliche hereinfallende Licht konnte Florence sie nicht so genau erkennen. Vielleicht war sie zwölf Jahre alt, oder schon vierzehn? Dies war die erste Eingeborene, die sie aus der Nähe sah. Ihr Haar war verfilzt, etwa schulterlang, und es stand in alle Richtungen ab. Ein Band mit Perlen lag um ihre Stirn und reflektierte hell das Licht. Ihre Nase war kurz und breit, die Haut hatte die Farbe von dunklem Mahagoni und wirkte sehr fein. Die breiten Lippen waren spröde, als hätte sie schon lange nichts mehr getrunken.

„Möchtest du Wasser? Ich kann dir etwas bringen?“, fragte Florence.

Das Mädchen schüttelte den Kopf. Der erste Hinweis, dass sie Florence‘ Sprache verstand.

„Wer hat dich hier eingesperrt, und warum?“

Das Kind rutschte in seinem Gefängnis weiter nach hinten, sodass es nur noch als Schemen zu erkennen war. Bis auf einen Leinenfetzen schien es nichts am Körper zu haben.

„Rede doch mit mir, ich will dir helfen.“

„Niemand hilft Maria, niemand“, sagte das Mädchen schließlich leise.

Sie spricht, durchfuhr es Florence, und was für eine sanfte Stimme sie hat. Sie passt gar nicht zu ihrem etwas groben Aussehen.

„Maria? Ist das dein Name?“ Sie hatte etwas Exotischeres erwartet. Aber vermutlich war das Mädchen von den Nonnen so getauft worden, als sie aufgefunden wurde. Florence stand auf, eilte zu ihrer Satteltasche und holte das Wasser. Als sie zurückkehrte und es Maria anbot, zögerte die nur kurz und trank dann gierig bis zum letzten Tropfen.

„Entschuldigung, leer“, sagte sie und schob die Flasche durch das Gitterfenster zurück.

„Das macht nichts, ich kann dir mehr bringen, wenn du möchtest.“

Das Mädchen schüttelte den Kopf. Dann erklang plötzlich wieder dieses Wimmern, das Florence zuerst hatte aufmerken lassen. Maria beugte sich in den stockdunklen hinteren Teil ihres kleinen Gefängnisses und hob ein Bündel hoch, das sie gleich darauf an ihre Brust drückte. Es war ein wenige Wochen altes Kindchen! Dieses junge Mädchen war offenbar selber schon Mutter.

Sie beide hier festzuhalten machte das Ganze doppelt grausam.

„Ist das dein Kind? Warum haben sie dich hier eingesperrt?“

„Bin weggelaufen“, schluchzte sie nun und drückte ihre Wange an den Kopf des Kleinen. „Sie dürfen mir meinen Sohn nicht wegnehmen.“

„Die Nonnen?“

Sie brachte ein gequältes Ja hervor. „Dann darf ich ihn nie wiedersehen und sie schicken mich zurück auf die Farm, ich will da nicht wieder hin. Er wird mir wehtun. Ich will zu meiner Familie!“

Florence war fassungslos. Die kleine Schule war binnen Minuten vom Ort der Hoffnung zu einem Ort des Schreckens geworden. Maria zog die Tücher zurecht, in die sie ihr Kind gewickelt hatte, und für einen Moment rutschte ein Ärmchen heraus. Die Haut war hell, nicht wie die eines Weißen, doch viel heller als die der Mutter. Ein Mischlingskind!

Liebste Rosalie,

ich bin so aufgebracht, ich weiß gar nicht, wo ich beginnen soll. Am besten am Anfang, auch wenn das Wichtigste dann zuletzt kommt.

Wir sind vor vier Tagen in Perth angekommen. Die ganze Überfahrt hatten wir Glück mit dem Wetter, kein Sturm, der so schlimm war, dass er mich aus der Fassung gebracht hätte. Auch unsere Ladung ist heil angekommen. Allerdings müssen wir unsere Expedition erst noch von hier aus organisieren, da Ernests Brief, der die Instruktionen enthielt, offenbar verloren gegangen ist.

Ich habe meinem Mann das meiste überlassen, da er bereits Erfahrung darin hat und zudem von unseren wunderbaren Gastgebern, der Familie Marten, unterstützt wird.

Ich machte mich heute zu einer Schule für eingeborene Mädchen auf, die von einem Nonnenkonvent geführt wird. Mein Wunsch war, dort erste Einblicke in die Gedankenwelt und Kultur der Wilden zu erhalten. Wie Du weißt, schrieben viele Forscher, die vor uns kamen, dass es immer am einfachsten ist, über die Kinder in Kontakt zu kommen, da sie weniger scheu sind als die Erwachsenen und reinere Seelen in ihrem Ansinnen.

Als ich nun dorthin kam (Ich bin geritten, Rosalie! Den Rückweg sogar ganz auf mich allein gestellt!), fand ich weder Kinder noch Nonnen vor. Es war gerade Unterricht, musst du wissen, und ich wollte nicht stören. Ich wartete also im Innenhof und hörte plötzlich ein Wimmern, dem ich nachging.

Liebste Freundin, Du wirst es nicht glauben, aber ich fand ein junges Mädchen, beinahe noch selbst ein Kind, mit einem neugeborenen Menschlein an der Brust! Die Nonnen hatten Maria, so ihr Name, in einen dunklen Karzer gesperrt, weil sie versucht hatte wegzulaufen.

Als ich die Nonnen dann zur Rede stellte, fand ich zu meinem Entsetzen alle Behauptungen des Mädchens bestätigt. Sie war ein Jahr zuvor zum Arbeiten auf eine Farm geschickt worden. Der Bauer dort verging sich an ihr, und als sie hochschwanger war und nicht mehr arbeiten konnte, brachten die Leute sie zurück zu den Nonnen. Ihr Kind bekam sie dann hier. Sobald sie sich von der Geburt erholt hat, planen die frommen Frauen, Maria zurück zu ihrem Peiniger zu schicken und das Neugeborene ins Heim zu stecken. Dort wollen sie dem Säugling alles Wilde und Primitive aberziehen. Und am liebsten würden sie dasselbe mit allen Kindern machen, vor allem mit den Mischlingen.

Ich glaube den Nonnen nicht, dass sie nur um das Seelenheil der Kinder bemüht sind.

Oh, Du kannst Dir nicht vorstellen, wie wütend ich geworden bin. Alles in mir hat gekocht, und es fiel mir schwer, die Contenance zu wahren. Leider musste ich unverrichteter Dinge wieder davonreiten.

Ernest ist mir auch keine große Hilfe. Er wusste um die schlechte Behandlung der Eingeborenen. Seiner Meinung nach ist das Beste, was wir für sie tun können, ihre Kultur zu erforschen und bekannt zu machen, dass es lohnenswert ist, sich für sie einzusetzen und zu bewahren.

Wenigstens hat er einen Guide für uns gefunden, und so kann unsere Reise bald losgehen. Ich bin schon sehr aufgeregt.

Hoffentlich darf ich demnächst auch einen Brief von Dir in den Händen halten. Ich füge die Adresse der Martens bei, sie werden Deinen Brief aufbewahren oder ihn nachsenden.

Ich schließe mit einer herzlichen Umarmung und übersende Dir das duftende Blatt eines Karribaumes,

Deine Freundin Florence

Südsternjahre - Die Australien-Saga Gesamtausgabe

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