Читать книгу Das Arbeitsrecht ökumenischer Einrichtungen, Unternehmen und Konzerne - Regina Mathy - Страница 10
B. Problemaufriss
ОглавлениеAbgesehen von der theologischen Basis spielen in der ökumenischen Zusammenarbeit der Kirchen im karitativen Bereich hauptsächlich ökonomische Gesichtspunkte eine Rolle. Dies beruht sowohl auf externen als auch auf kircheninternen Faktoren: Noch sind etwa 60% der Deutschen Mitglied einer christlichen Kirche24, in den letzten Jahrzehnten haben die Kirchen einen weitreichenden Verlust von Mitgliedern hinnehmen müssen,25 zum einen bedingt durch rückläufige Taufen26, zum anderen durch den demografischen Wandel.27 Die Kirchen kämpfen derzeit mit einem Bedeutungsverlust, der auch auf gesellschaftliche Veränderungen zurückzuführen ist.28 In den vergangenen Jahren führte dies zu Zusammenlegungen von Kirchengemeinden29 und einer deutlich rückläufigen Zahl von Kaplanen und Priestern bzw. Pfarrern und Vikaren.30
Diese innerkirchlichen Veränderungen wirken sich auf kirchliche Einrichtungen aus. Hinzu kommt, dass sich der Wohlfahrtsbereich in den vergangenen Jahrzehnten weitreichend verändert hat.31 Die Bedingungen für sozialkaritative Betätigungen werden – nicht zuletzt aufgrund des demografischen Wandels – stetig schwieriger.32 Infolgedessen kam es zu Strukturreformen des Gesundheits- und Sozialwesens, so beispielsweise im Krankenhausbereich mit der Umstellung von Kostendeckungsprinzip auf pauschale Leistungsentgelte. Erschwerend kommt die rückläufige Finanzierung durch die öffentliche Hand und die zunehmende Konkurrenz mit anderen Leistungsanbietern hinzu. Der wachsende Kosten- und Leistungsdruck hat zur Konsequenz, dass viele konfessionelle Einrichtungen nicht unverändert fortbestehen können. Insbesondere der Krankenhausbereich ist massiv betroffen.33 Haben Orden in der Vergangenheit noch zahlreiche konfessionelle Krankenhäuser getragen, können sie diese Aufgabe aufgrund der sinkenden Zahl der Ordensmitglieder und deren inzwischen sehr hohen Altersdurchschnitts nicht mehr bewältigen.34 Zudem steigen in immer komplexer werdenden Systemen die Anforderungen an die Leitungsebene stetig. Weder Ordensmitglieder noch Pfarrer oder Ehrenamtliche innerhalb der Gemeinden verfügen in der Regel über die erforderliche wirtschaftswissenschaftliche Expertise. Außerdem geht mit der Trägerschaft eine erhebliche finanzielle Verantwortung einher. Orden haben ihrerseits bereits eigene signifikante finanzielle Belastungen zu stemmen, das gilt insbesondere mit Blick auf ihre Altersversorgung.35 In ihrer aktuellen Form ist die heutige Trägerstruktur kaum zukunftsfähig.36 Langfristig werden nur einige wenige leistungsstarke Träger den Anforderungen gerecht werden können.37 Kleine Träger, wie sie im kirchlichen Bereich noch häufig vorhanden sind, werden dem wirtschaftlichen Druck nicht standhalten.
Die Kirchen stecken hier in einem regelrechten Zwiespalt – einerseits wollen sie ihren Grundprinzipien treu bleiben und den Grundauftrag erfüllen, andererseits müssen sie jedoch die hohen wirtschaftlichen und medizinischen Ansprüche erfüllen können.38 Als Ausweg wählen sie unterschiedliche Modelle: Teilweise werden bestehende Einrichtungen neu ausgerichtet, teilweise einzelne Unternehmensbestandteile ausgegliedert. Ein sehr verbreitetes Mittel ist der Ausbau von Unternehmens- und Trägerstrukturen durch Zusammenschlüsse, Kooperationen, Aus- und Neugründungen. Hierfür kommen Kommunen, andere freigemeinnützige oder private Träger, aber auch kirchliche Träger – derselben oder der jeweils anderen Konfession – in Betracht.39 Für viele Einrichtungen erscheint die Kooperation mit einem nicht-kirchlichen Träger die schnellste Lösung zu sein.40 Hier stellt sich jedoch die Frage, inwieweit die Zusammenarbeit mit einem nichtkirchlichen Träger mit Blick auf die Werte der Einrichtung so fortgeführt werden kann wie bisher.41 Nach dem Leitbild kirchlicher Einrichtungen stehen Gemeinwohlorientierung und christliche Nächstenliebe im Fokus. Somit entsteht ein Spannungsverhältnis zwischen christlichem Ansatz und ökonomischen Notwendigkeiten.42 Häufig wird bei der Zusammenarbeit mit nicht-kirchlichen Trägern ein möglicher Profilverlust befürchtet.43 Um weiterhin den christlichen Auftrag möglichst umfassend verfolgen zu können, liegt daher die Beteiligung der jeweils anderen Kirche nahe.44