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Tradition

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Die Bauernküche hatte Gerlinde so gelassen, wie sie sie damals übernommen hatte; in der auch seit Jahrzehnten ihr Leben statt fand.

Dort rupfte sie die Hühner, wenn ihr Ehemann ihr das geschlachtete Huhn auf den Küchentisch geschmissen hatte. Das geschah ohne viele Worte, sie verstanden sich eben; es war der normale Umgangston auf dem Hof. Gerlinde hatte nichts anderes kennengelernt. Sie kannte die Nachbarn vom Hof nebenan. Zu den Geburtstagen trafen sie sich, sonst blieb jeder für sich. Zur nächsten größeren Stadt waren sie selten gefahren, sie blieben in ihrer Welt.

Nach der Flucht waren sie hier gelandet. Es war ein Zufall. Der Treck löste sich damals langsam auf. Die Menschen gingen verschiedene Wege. Gerlinde blieb bei der Familie mit dem Leiterwagen – Gerlindes einziger Halt in jener Zeit. Die Mutter, die sie auf dem Weg hierher verlor, blieb irgendwo vor Erschöpfung zurück. Sie hatte sie nie wiedergesehen. Die Familie mit dem Leiterwagen war zu erschöpft, um sie abzuwimmeln. Nach vielen Irrwegen kamen sie auf diesem Hof an. Verloren waren sie in der weiten Einsamkeit und ohne Orientierung. Der Bauer vom Hof bot ihnen damals Wohnraum an. Er lebte allein.

Im Gemüsegarten, direkt vor der Haustür, hatte er nur zum Eigenverbrauch Gemüse und Kartoffeln angebaut. Davon blieb bald nichts mehr für ihn übrig. Die Flüchtlinge waren ausgemergelt. Von Hunger heimgesucht und nach Wochen der Entbehrungen fielen sie über die restlichen Kohlköpfe, Kartoffeln und ein paar Möhren gleich bei ihrem Einzug her. Schon nach einigen Tagen waren die Beete abgeerntet. Der Bauer sah es mit Geduld. Am Markttag fuhr er mit seinem Trecker ins Dorf und kaufte gleich Säcke mit Wintergemüse und Kartoffeln ein. Halt machte er bei seinem Nachbarn. Von dort bekam er gepökeltes Bauchfleisch aus der Tonne.

Er sorgte gut für seine neuen Mitbewohner.

Gerlinde war nur mit dem angekommen, was sie auf dem Leib trug. Einige Kleidungsstücke bekam sie vom Hausherrn. Es waren die gebrauchten Kleider seiner verstorbenen Frau. Gerlinde schlüpfte nicht nur in ihre Kleider, sondern übernahm auch bald deren Rolle.

Es gab ein kleines Zimmer für sie, ein Holzbett und einen Stuhl für die Ablage der Kleider.

Für Gerlinde war es damals mehr, als sie jemals erwartet hatte. Auch wenn die Matratze müffelte, für sie wurde es ein zu Hause.

Im Haus gab es in der oberen Etage fünf kleine Räume, die nur als Schlafräume bestimmt waren. Für die Familie zu klein – die Wohnräume, das waren die Diele, das Wohnzimmer und die Wohnküche. Damals machte der Bauer gleich als sie ankamen, darauf aufmerksam, dass es die Räume waren, die er für sich wollte. Obwohl er eher „mundfaul“ war, sprach er doch die wichtigsten Dinge klar und deutlich aus.

Nach einiger Zeit zog die Familie, mit der Gerlinde aus Schlesien gekommen war, weiter.

Sie fanden Arbeit in der Nachbarschaft, und somit eine andere Unterkunft.

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