Читать книгу EXEL - Regina + Giuseppe De Facendis - Страница 9
5
ОглавлениеExel blickte neugierig um sich, während die High Society langsam den großen Theatersaal füllte. Gina und Jeff hatten in der kleinen Loge neben ihm Platz genommen und die Journalistin beobachtete mit ihrem kleinen Opernglas die illustren Gäste. Ab und zu schubste sie Jeff, der nicht so begeistert über den Verlauf des Abends war, von der Seite an und reichte ihm das elegante kleine Fernglas, um ihn auf irgendwelche scheinbar sehr wichtigen Details hinzuweisen.
„Irgendwie habe ich den Eindruck, Gina, als ob für dich die eigentliche Vorstellung bereits begonnen hat“, bemerkte Exel mit leichter Ironie in seiner Stimme.
„Verehrter Herr Exel, Vermeiden Sie bitte den ironischen Unterton in Ihrer Stimme!“
„Liebe Gina, was hier vor meinen Augen in diesem großen Saal geschieht, verdient nichts anderes als meine Ironie.“
„Wieso, was geschieht denn hier?“ fragte Gina neugierig.
„Mit deinen Vergrößerungsgläsern solltest du das eigentlich sehr klar erkennen.“
„Exel, hör auf, in verschlüsselten Worten zu sprechen und sag einfach, was dir im Kopf herumschwirrt“, erwiderte Gina ungeduldig.
„Ganz einfach! Die meisten Publikumsgäste sind scheinbar davon überzeugt, selbst zur Vorführung zu gehören!“
„Wie kommst du denn darauf?“ fragte Gina erstaunt.
„Schau dir diese Menschen genauer an. Alle geschmückt wie Weihnachtsbäume, an denen nur blinkende Lichter fehlen, um noch mehr Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Und du hilfst ihnen bei ihrem Unterfangen, weil du genau das tust, was sie erwarten: du beobachtest sie begeistert!“ erklärte Exel mit ruhiger Stimme.
„Und was sollten wir deiner Meinung nach tun?“ erwiderte Gina herausfordernd, „vielleicht die Augen schließen?“
„Das wäre … wenigstens in diesem Fall ... sicherlich die intelligenteste Lösung!“ antwortete Exel trocken.
„Exel ... hör sofort auf, sonst lass ich dich von Jeff festnehmen“, scherzte Gina seufzend, woraufhin Exel mit ernster Miene hinzusetzte:
„Eigentlich hast du recht. In meiner momentanen Situation sollte ich mir Kommentare über eine fremde Rasse lieber ersparen.“
„Na ja, um ehrlich zu sein, hast du den Nagel auf den Kopf getroffen“, renkte Gina freundschaftlich ein, „aber da wir schon mal eine nicht gerade billige Eintrittskarte bezahlt haben, sollten wir die komplette Vorstellung genießen ... mit allem, was dazugehört!“
Jeff seufzte erleichtert auf: diesmal war ihm erspart geblieben, dem lieben Exel Handschellen anzulegen! Aber er sollte sich zu früh gefreut haben!
„Was meinst du, Gina?“ setzte Exel in ruhigem Ton hinzu. „Wenn ich auf einmal in diesem Saal durch die Luft schweben würde, könnte ich doch sicher die gesamte Aufmerksamkeit von ihnen auf mich ziehen, oder?“ schlug er mit unergründlichem Blick vor.
Jeff wurde weiß wie eine Wand. Allein der Gedanke an ein derartiges Unterfangen erzeugte eine so heftige Übelkeit in ihm, dass er alles, was er in den letzten Jahren zu sich genommen hatte, am liebsten aus dem Körper befördert hätte.
Gina dagegen, ohne Jeffs Gemütswandel wahrzunehmen, begrüßte voller Begeisterung Exels Vorschlag ... wie ein glückliches Kind, das sich auf ein noch nie erlebtes Ereignis freut.
„Das könntest du wirklich?“ und sah den Außerirdischen mit großen blauen Augen erwartungsvoll an.
„Ich könnte es ja einmal probieren! Eigentlich sollte es nicht schwieriger sein, als über das Wasser zu laufen“, setzte er herausfordernd hinzu. „Wisst ihr was? Ich probiere es einfach!“ und war im Begriff, sich von seinem Platz zu erheben.
Das war zu viel für den Inspector.
„Wenn du es auch nur wagst aufzustehen, Exel, dann erschieße ich dich – so wahr mir Gott helfe - auf der Stelle!“
„Jeff ...“ ertönte Ginas Stimme, deren Lautstärke um einige Dezibel angestiegen war, „ ... rede keinen Unsinn!“ und fügte dann in versöhnlichem Ton hinzu: „Wenn du schon auf ihn schießen willst, dann tu es bitte, wenn er in der Luft schwebt. Das hätte einen ganz anderen Effekt ... “ und dachte dabei an die Schlagzeile auf der Titelseite ihrer Zeitung.
„Immer nur schießen!“ unterbrach Exel die beiden. „Seit ich Jeff das erste Mal getroffen habe, droht er, auf mich zu schießen ... und nur weil ich ein bisschen fliegen will! Das ist reiner Neid! Jetzt verstehe ich auch, warum ihr dauernd auf die armen Vögel schießt!“
Exel schien die Worte voller Ernst auszusprechen, so dass Jeff sich angriffslustig zu ihm hinüber lehnte.
„In Momenten wie diesem würde ich auch auf dich schießen, wenn du dich auf dem Grund des Meeres befinden würdest, das kannst du mir glauben!“ sagte er mit böser Miene.
„Ja, das glaube ich dir sofort“, entgegnete Exel immer noch mit ernster Stimme, „Wieder purer Neid, diesmal gegenüber den armen Lebewesen in den Tiefen der Ozeane! Und da du mir bei unserem ersten Treffen auf dem Festland gedroht hast, schließe ich daraus, dass ihr Menschen auf alles und alle schießt ... und zwar überall!“ war seine logische Schlussfolgerung, die von einem breiten Lächeln begleitet wurde, das den Joker in Batman neidisch gemacht hätte.
Jeff sah Exel so verdutzt an, wie man eben nur einen Außerirdischen ansehen kann. Das Farbenspiel, das sekundenlang in seinem Gesicht zu beobachten war, hätte sogar Leonardo Da Vincis Neid geweckt! Aber dann ... begann er von Herzen zu lachen:
„Ha, ha , ha ... wie sollte ich jemals auf einen verrückten Außerirdischen wie dich schießen können.“
Diesmal war es Gina, die erleichtert aufatmete.
Jeff öffnete die Arme dem großen Saal entgegen und sagte:
„Los Exel, mach schon, starte deinen Spaziergang durch die Lüfte!“
Exel schien sich das Angebot kurz durch den Kopf gehen zu lassen, schmiegte sich dann jedoch gemütlich in die Rückenlehne des gepolsterten Sitzplatzes und meinte mit scheinbarer Gleichgültigkeit:
„Ach nein ... jetzt ist mir die Lust vergangen“, brummelte er vor sich hin, „ ... außerdem geht die Aufführung gleich los!“
Und so sollte es ein, die Vorstellung begann.
Die Beleuchtung wurde langsam schwächer, bis der Saal in völliger Dunkelheit lag und aufhörte, ein einfacher Saal zu sein. Er verwandelte sich in ein atmendes, pulsierendes Etwas, das vor lauter Anspannung und Erwartung plötzlich die Luft anhielt. Kein Atemzug, keine Bewegung, kein Geräusch ... und dann ging der Vorhang auf!
Die Weihnachtsfeier bei Familie Stahlbaum konnte beginnen. Und als sich Tochter Klara während der Bescherung schließlich auf die Spitzen ihrer Ballettschuhe erhob, ging ein Raunen durch das Publikum. Es durfte dem Tanz der berühmtesten Ballerina aller Zeiten beiwohnen: Lina Zamarova. Von ihrer Erscheinung her zu urteilen, besaß sie nichts Außergewöhnliches ... bis auf die Nase, die noch länger als ihre bereits beachtlich langen Beine zu sein schien. Aber kaum hatte sie die ersten kleinen Schritte auf der Bühne getanzt, verwandelte sie sich in eine Prinzessin, die schönste Prinzessin auf der Welt, die mit der Eleganz ihres Tanzes die Zuschauer verzauberte.
Für Exel blieb die Zeit stehen, er hatte nur Augen für Lina und die unbeschreibliche Schönheit und Harmonie ihrer Bewegungen.
Auch die anderen Tänzerinnen und Tänzer waren fantastisch und der Solotänzer begeisterte mit seinen perfekten Schrittfolgen und Sprüngen, aber die Primaballerina, deren Eleganz nicht in Worte zu fassen war .... die Primaballerina war etwas Unbeschreibliches, etwas Einzigartiges.