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bb) Schutz der Funktionsfähigkeit staatlicher Einrichtungen

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Schutz der Funktionsfähigkeit staatlicher Einrichtungen bedeutet hier Schutz vor Gefahren, die von außen an diese Einrichtungen herangetragen werden.

Beispiele: Behinderung des Zugangs von Parlamenten, Universitäten, Blockaden von Bussen und Bahnen, Sperrung eines öffentlichen Weges (VGH BW, VBlBW 2005, 478).

Polizeiliches Handeln in diesem Bereich setzt immer ein normwidriges, nicht unbedingt strafbares oder ordnungswidriges Verhalten voraus (str.), wenngleich viele gegen die Funktionsfähigkeit gerichteten Handlungen zugleich einen Straf- oder Ordnungswidrigkeitentatbestand erfüllen (z. B. §§ 105 ff., 109 ff., 113 ff., § 240 StGB). Die z. T. vertretene Auffassung, staatliche Einrichtungen seien auch dort geschützt, wo Normverstöße nicht in Betracht kommen, verschafft der Polizei Befugnisse, die eigentlich dem Gesetzgeber zustehen. Darüber hinaus wird die klare Grenze zwischen dem Begriff „öffentliche Sicherheit“ und dem Begriff „öffentliche Ordnung“ verwässert (s. u. RN 31).

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Gegenstand des Schutzes sind Einrichtungen des Staates und sonstiger Hoheitsträger, wie z. B. Parlaments- und Regierungsgebäude, Gerichte, Verwaltungsbehörden, Universitäten, Schulen, Museen, öffentliche Verkehrs- und Versorgungsbetriebe, gemeindliche Asylbewerber- oder Obdachlosenwohnheime. Auch Einrichtungen fremder Staaten (z. B. Konsulate, Botschaften) und solche der Stationierungsstreitkräfte wird man dazu zählen müssen. Die Verpflichtung zum Schutz Ersterer ergibt sich aus Art. 22 und 29 des Wiener Übereinkommens über diplomatische Vertretungen (WÜD) bzw. aus Art. 31 Abs. 3 und 40 des Wiener Abkommens über konsularische Beziehungen (WÜK), vgl. auch §§ 102 ff. StGB.

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Geschützt ist nicht nur der räumlich-gegenständliche Bereich, sondern auch das – nicht unbedingt hoheitliche – Handeln der Hoheitsträger, wie z. B. die Durchführung eines Staatsbesuches oder einer Gedenkfeier. Eine polizeirechtlich relevante Beeinträchtigung wird jedoch i. d. R. die Qualität einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit aufweisen müssen, denn die Äußerung von Unmut und Kritik über den Staat und seine Organe bewegt sich ohne Weiteres im Rahmen der Art. 5 Abs. 1 (Meinungsfreiheit), Art. 5 Abs. 3 (Kunstfreiheit) und Art. 8 Abs. 1 GG (Versammlungsfreiheit).

Beispiel: Das Aussprechen einer Platzverweisung oder gar eine Ingewahrsamnahme von Personen, die anlässlich eines „Gipfeltreffens“ ihren Unmut über die Veranstaltung und deren Teilnehmer äußern, ist unzulässig, wenn hierdurch nur das „harmonische äußere Erscheinungsbild“ beeinträchtigt oder die obligatorische Blasmusik übertönt wird.

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Auch die Behinderung polizeilicher oder sonstiger verwaltungsbehördlicher Tätigkeit kann die öffentliche Sicherheit tangieren. So rechtfertigt z. B. die Behinderung des Einsatzes von Polizei und Feuerwehr durch sogenannte Gaffer einen Platzverweis nach § 30 Abs. 1 (für das Strafverfahren vgl. § 164 StPO), vor allem unter dem Aspekt des Schutzes von Leben und Gesundheit der Unfallopfer und der beteiligten Helfer. Ein Vorgehen gegen derartige Behinderungen im Straßenverkehr kann auf die Bestimmungen des Straßenverkehrsrechts gestützt werden (§§ 44 Abs. 2, 36 StVO), denn zumindest liegt ein Verstoß gegen § 1 Abs. 2 StVO vor. Umstritten ist dagegen, ob die Polizei gegen Personen vorgehen darf, die vor Geschwindigkeitsmessungen warnen. Das dürfte – sofern damit nicht tatsächliche Verkehrsverstöße, wie eine Verkehrsbeeinträchtigung (§ 1 Abs. 2 StVO) oder der unzulässige Gebrauch der Lichthupe (§ 16 Abs. 1 StVO) verbunden sind – aufgrund allgemeinen Polizeirechts zu verneinen sein (a. A. OVG Münster, NJW 1997, 1596). Zum einen hat die Warnung den gleichen Effekt wie die Kontrolle selbst, nämlich die Herabsetzung der Geschwindigkeit, zum anderen ist es weder strafbar noch ordnungswidrig, wenn die Verfolgung einer bereits begangenen Ordnungswidrigkeit vereitelt wird (zur Strafvereitelung, die auch die Verfolgungsvereitelung einschließt, vgl. § 258 StGB). Aus dem Recht des Staates, derartige Kontrollen vorzunehmen, fließt nicht automatisch die Befugnis, gegen derartige Warnungen einzuschreiten; das ergibt sich bereits aus dem Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung. Denkbar sind allerdings Maßnahmen bis hin zu einer Festnahme nach § 164 StPO als Ultima Ratio, der auch im Ordnungswidrigkeitenverfahren entsprechend anwendbar ist (§ 46 Abs. 1, § 53 Abs. 1 OWiG).

Für Warnungen vor anderen Kontrollstellen gelten die vorstehenden Ausführungen grundsätzlich entsprechend. Ebenso wenig ist die „Leistungsfähigkeit der Verkehrspolizei bzw. der Verkehrsüberwachungsbehörden“ Schutzgut der öffentlichen Sicherheit. Eine derartige Auslegung macht den Begriff „öffentliche Sicherheit“ völlig konturenlos.

Ein Einschreiten (z. B. Beschlagnahme) gegen das Mitführen von Radarwarngeräten oder Laserstörgeräten ist möglich, weil ein derartiges Handeln nach § 23 Abs. 1 c StVO untersagt ist und nach § 49 Abs. 1 Nr. 22 StVO als Ordnungswidrigkeit geahndet werden kann (vgl. BayVGH, DÖV 2008, 426).

Weil es auch keine Rechtsnorm gibt und geben kann, welche die bewusste Wahrnehmung öffentlicher polizeilicher Tätigkeit verbietet, kann in einem Ausspähen des polizeilichen Einsatzverhaltens kein Verstoß gegen die öffentliche Sicherheit liegen (so aber OVG Münster, NJW 1980, 138, 139), es sei denn, dass darin eine Strafvereitelung (§ 258 StGB) liegt.

Handlungen, die allein das Ansehen der Polizei schmälern, können polizeirechtlich nicht unterbunden werden, da ein derartiges Schutzgut rechtlich nicht existiert (a. A. VGH BW, VBlBW 1996, 373, 374). Anders liegt es jedoch dann, wenn eine Beleidigung oder eine Kollektivbeleidigung im Raum stehen.

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Keine polizeilichen Maßnahmen sind grundsätzlich solche, mit denen Störungen innerhalb staatlicher Einrichtungen abgewehrt werden sollen. Diese können entweder aufgrund einer gesetzlich eingeräumten Ordnungsgewalt getroffen werden (z. B. die Ordnungsgewalt des Ausschussvorsitzenden (§ 89 LVwVfG), des Bürgermeisters als Vorsitzender des Gemeinderats (§ 36 GemO) oder des Gerichts als „Sitzungspolizei“ (§ 172 GVG), aufgrund bestehender Anstaltsgewalt, sofern sie, z. B. in einer Anstalts- und Benutzungsordnung, eine hinreichend konkrete Grundlage gefunden haben (VGH BW, VBlBW 1993, 227 f.), oder sie können aufgrund des gewohnheitsrechtlich bestehenden öffentlich-rechtlichen Hausrechts durch Verwaltungsakt ergehen (VGH BW, JW 1994, 2500, 2501). Zu ihrer Durchsetzung ist die Hinzuziehung des Polizeivollzugsdienstes unter den Voraussetzungen des § 105 Abs. 5 möglich.

Beispiel: Ein Schüler weigert sich, einem Schulverweis nachzukommen. Der vom Schulleiter herbeigerufene Polizeivollzugsdienst „geleitet“ den Schüler vom Schulgelände.

Dagegen ist die Ordnungsgewalt des Landtagspräsidenten gem. Art. 32 Abs. 2 VerfBW mit der Befugnis verbunden, selbst polizeiliche Maßnahmen zu ergreifen (BWStGH, NJW 1988, 3199, 3200).

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