Читать книгу Polizeigesetz für Baden-Württemberg - Reiner Belz - Страница 73

1. Allgemeines

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§ 6 ist – ebenso wie §§ 7 und 9 – eine Adressatenregelung, die bestimmt, gegen wen sich polizeiliche Maßnahmen richten können. Sie ergänzt hinsichtlich der Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen die bei Eingriffen notwendige Ermächtigungsgrundlage.

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Die §§ 6, 7 und 9 sind nicht anwendbar, wenn spezielle Gesetze, ausdrücklich oder dem Zusammenhang nach, eigene Adressatenregelungen enthalten. So ist z. B. der Kreis der zur Abfallentsorgung Verpflichteten durch § 7 KrWG abschließend festgelegt (BVerwG, NVwZ 1992, 480; 2007, 185, 186; VGH BW, VBlBW 1998, 27, 28). Das USchadG bestimmt in seinem Anwendungsbereich den „Verantwortlichen“ (§ 2 Nr. 3) als Adressaten zulässiger Maßnahmen. § 4 Abs. 3–6 BBodSchG bestimmt den Kreis der nach diesem Gesetz Verantwortlichen abschließend (BVerwG, DVBl. 2000, 1353). § 11 HafenSiG bestimmt den Betreiber einer Hafenanlage als Verantwortlichen. §§ 6, 7 und 9 gelten auch dann nicht, wenn jedermann Adressat sein kann. So etwa bei einzelnen Standardmaßnahmen (z. B. §§ 27 Abs. 1 Nr. 2–7; 34 Abs. 1 Nr. 4 u. 5; 35 Nr. 4, 5, 6 u. 7) oder bei einigen Maßnahmen zur Datenverarbeitung (z. B. §§ 43 Abs. 1, 44 Abs. 2 u. 3)

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Ergänzend können §§ 6, 7 und 9 herangezogen werden, wenn spezielle Gesetze zur Gefahrenabwehr hinsichtlich des Adressaten keine, keine abschließenden oder nur allgemeine Aussagen enthalten.

Beispiel: Da das Wassergesetz für allgemeine Anordnungen nach § 82 Abs. 1 keine Adressatenregelung enthält, ist auf die §§ 6, 7 und 9 des Polizeigesetzes zurückzugreifen (VGH BW, VBlBW 1993, 298; vgl. auch VGH BW, VBlBW 1995, 64, 65; 486, 488; 1996, 221, 222, 351; NVwZ-RR 1996, 387, 388). Zur Verantwortlichkeit des Eigentümers bei bauordnungsrechtlichen Maßnahmen nach der LBO vgl. VGH BW, VBlBW 2007, 356, 357.

Die §§ 6, 7 und 9 gelten grundsätzlich auch für gefahrenabwehrende Maßnahmen (z. B. Untersagung oder Sperrung eines Angebots) im Internet. Mögliche Adressaten sind folgende Dienstanbieter:

– der Content-Provider, der eigene Informationen zur Nutzung bereithält,

– der Access-Provider, der fremde Informationen übermittelt oder den Zugang zu ihrer Nutzung vermittelt bzw. fremde Informationen automatisch, zeitlich begrenzt zwischenspeichert, um die Übermittlung der fremden Informationen effizienter zu gestalten,

– der Host-Provider, der fremde Informationen für den Nutzer speichert.

Nach h. M. gelten die in den §§ 7–10 TMG festgelegten Verantwortungsprivilegierungen bei einer polizeirechtlichen Inanspruchnahme nicht.

Im Anwendungsbereich des Rundfunkstaatsvertrages (RStV) und des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages (JMStV) – vgl. www.lfk.de/recht – steht mit § 59 Abs. 3 RStV i. V. m. § 20 Abs. 1, 4 JMStV eine spezielle Befugnisnorm und mit § 59 Abs. 4 RStV eine eigenständige Adressatenregelung zur Verfügung (vgl. OVG Lüneburg, NJW 2008, 1831).

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Grundsätzlich kann – mit Ausnahme von § 9 – Adressat polizeilicher Maßnahmen nur derjenige sein, der für die Gefahr verantwortlich ist, sei es, weil er sie durch ein Verhalten (Verhaltensverantwortlichkeit, § 6) oder durch den Zustand seiner Sachen (Zustandsverantwortlichkeit, § 7) herbeigeführt hat. Der Verantwortliche wird auch Störer genannt.

Die Verantwortlichkeit ist von subjektiven Momenten unabhängig, d. h., es genügt allein die objektive Herbeiführung einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung. Es kommt also weder auf die Handlungsfähigkeit (§ 12 LVwVfG), die Geschäftsfähigkeit (§§ 104 ff. BGB), die Deliktsfähigkeit (§§ 827, 828 BGB), die Strafmündigkeit (§ 19 StGB) noch auf sonstige persönliche Eignungen oder auf die finanzielle Leistungsfähigkeit an. Ebenso ist die Verantwortlichkeit verschuldensunabhängig (VGH BW, NVwZ 1990, 781, 783; NVwZ-RR 1996, 387, 389).

Beispiele: Verantwortlich und damit Adressat können sein ein Kind, ein Betrunkener, ein Bettlägeriger, ein Mittelloser.

Zur Bekanntgabe von Polizeiverfügungen an nicht handlungsfähige Personen, s. o. § 3, RN 13.

Polizeigesetz  für Baden-Württemberg

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