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4. Verursachung

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Nur ein Verhalten, welches die Gefahr verursacht, führt zur Verantwortlichkeit nach Abs. 1. Es würde jedoch zu absonderlichen Ergebnissen führen, wenn jede für den Erfolg ursächliche Bedingung die Verantwortlichkeit begründete, denn dann wäre z. B. der Winzer polizeirechtlich verantwortlich, wenn jemand, trunken von dessen Wein, Passanten anpöbelt. Zur Eingrenzung dieser weiten naturwissenschaftlichen Kausalität wird heute überwiegend die Theorie der unmittelbaren Verursachung herangezogen (VGH BW, VBlBW 1982, 371, 372; 1983, 110, 113; 2013, 178). Hiernach ist nur das Verhalten kausal, durch welches selbst unmittelbar die Gefahr herbeigeführt wird. Jemand, der nur mittelbar zum Erfolg beiträgt (Veranlasser), gehört nicht zum Kreis der Verantwortlichen. Anders ausgedrückt: Nur wer selbst die Gefahrenschwelle überschreitet kann Störer sein. Somit scheidet als Verantwortlicher bereits der aus, der sich der Rechtsordnung gemäß verhält.

Beispiele: Verursacht der Vermieter durch seine vertragsgemäße Kündigung die Obdachlosigkeit des Mieters, überschreitet er nicht die Gefahrenschwelle, ist also nicht Störer.

Gehen von einem genehmigten Betrieb Immissionen aus, ist eine Inanspruchnahme nicht zulässig.

Kommt es durch den rechtmäßigen Anbau von Mais zu Sichtbehinderungen auf der Straße, ist für Unfälle nicht der Landwirt verantwortlich.

Eine politische Partei wird nicht dadurch zum Störer, indem sie Plakate – die rechtswidrig geklebt werden – hergestellt und in Verkehr gebracht hat (OVG NW, NJW 1979, 2266; OLG Koblenz, DVBl. 2003, 1342).

Wird der Verkehr durch eine Fahrbahnverengung behindert, ist grundsätzlich der Fahrer oder Eigentümer des zuletzt abgestellten Fahrzeugs als verantwortlich anzusehen (OVG Münster, NVwZ 2001, 1314; VG Karlsruhe, Urt. v. 24.1.2008 – 6 K 2399/07).

Andererseits ist der verantwortlich, der gegen Ge- oder Verbote oder Normen des Straf- bzw. Ordnungswidrigkeitenrechts verstößt. In den übrigen Fällen erfordert die Feststellung der Unmittelbarkeit häufig eine wertende Betrachtung.

Beispiel: Kommt jemand seiner Verpflichtung aus § 27 Abs. 3 Satz 1 StVZO, die Veräußerung seines Kfz. unverzüglich der Zulassungsstelle zu melden, nicht nach, kann er regelmäßig nicht zur Entfernung des rechtswidrig abgestellten Kfz. herangezogen werden, selbst dann nicht, wenn sich der neue Halter und der Fahrer nicht ermitteln lassen (OVG Bautzen, NJW 1997, 2253; VGH Kassel, NJW 1999, 3650; OVG Hamburg, NJW 2000, 2600, 2601;a. A. VGH BW, VBlBW 1996, 302, 303).

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Als Verursacher wird häufig auch der sog. Zweckveranlasser angesehen. Hierbei soll es sich um eine Person handeln, die das polizeiwidrige Verhalten anderer subjektiv bezweckt oder zumindest billigend in Kauf nimmt (subjektive Theorie) oder die eine eingetretene Störung objektiv bezweckt (objektive Theorie). Nach VGH BW, NVwZ-RR 1995, 663 ist jemand dann Zweckveranlasser, wenn sich durch sein Verhalten das polizeiwidrige Verhalten anderer zwangsläufig einstellt.

Praxis und Rechtsprechung haben u. a. in den folgenden Fällen eine Verantwortlichkeit des „Zweckveranlassers“ angenommen:

Beispiele: Als Folge einer ausgefallenen Schaufensterwerbung bildet sich eine Menschenmenge auf dem Gehweg. Passanten müssen auf die Straße ausweichen. Neben den behindernden Zuschauern ist auch der Kaufhausbesitzer als Zweckveranlasser Störer (PrOVG, 40, 216; 80, 270). Neben den auf der Straße lärmenden Besuchern einer Diskothek ist auch der Diskothekeninhaber als Zweckveranlasser für den Lärm der Besucher verantwortlich (VGH BW, GewArch 1969, 131; BVerwG, NVwZ 1997, 276, 278).

Zweckveranlasser ist der Vermieter von Räumen an Prostituierte im Sperrgebiet (VGH Kassel, NVwZ 1992, 619, 621; 1993, 302, 303), nicht aber der, der (außerhalb eines solchen) Räume an ausländische Prostituierte – die möglicherweise gegen eine Auflage i. S. des § 14 Abs. 2 AusLG verstoßen – vermietet (VGH BW, VBlBW 1995, 404), und ebenso wenig der Freier, der im Sperrgebiet Kontakt zu Prostituierten aufnimmt, denn dieser verursacht nicht das entsprechende Auftreten der Damen, sondern macht lediglich von dem „Angebot“ der Prostituierten Gebrauch, das bereits selbst polizeiwidrig ist (str.). Werden jedoch in einem Sperrbezirk regelmäßig auch unbeteiligte Frauen und Mädchen in der irrigen Annahme, es handele sich um Prostituierte, von Freiern auf die Erbringung sexueller Leistungen angesprochen, so sind die Freier für dieses polizeiwidrige Verhalten (s. o. § 1, RN 25) verantwortlich, ohne dass es eines Rückgriffs auf die Rechtsfigur des Zweckveranlassers bedarf (zweifelhaft VGH BW, VBlBW 2001, 142, weil in dem entschiedenen Fall der Tatbestand der Verbotsnorm und der Sachverhalt sich nicht decken).

In der Literatur mehren sich die Stimmen, die eine Verantwortlichkeit des „Zweckveranlassers“ ablehnen: Dieser sei lediglich Veranlasser, der nur von den ihm eingeräumten Rechten Gebrauch mache. Mit der Theorie der unmittelbaren Verursachung sei diese Rechtsfigur nicht zu vereinbaren und das Abstellen auf sog. wertende Gesichtspunkte führe nur zu Rechtsunsicherheit. Folgt man dieser Auffassung, kann der „Zweckveranlasser“ allenfalls als Nichtstörer nach § 9 in Anspruch genommen werden.

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Ob der Veranstalter von Großveranstaltungen (z. B. Popkonzerte, Fußballspiele) als Zweckveranlasser nicht nur für die von der Veranstaltung selbst ausgehenden Gefahren (z. B. bei einem Autorennen), sondern auch für die vom Publikum typischerweise veranlassten Gefahren herangezogen werden kann, ist umstritten. Hier lehnen auch die meisten Befürworter der Rechtsfigur „Zweckveranlasser“ eine Verantwortlichkeit des Veranstalters als zu weitgehend oder als Überdehnung der Verantwortlichkeit ab. Konsequent ist das nicht. Richtigerweise wird man den Veranstalter nur als Nichtstörer heranziehen können.

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Die Veranstalter von Aufzügen und Versammlungen wird man in nur ganz seltenen Fällen als Verantwortliche für zu erwartende Störungen der öffentlichen Sicherheit ansehen können. Voraussetzung wäre etwa, dass der Zweck der Veranstaltung die Art und Umstände ihrer Durchführung nur den durch Tatsachen belegten Schluss zulassen, dass das eigentliche Ziel der Veranstaltung die Provokation von Gewalt und Gegengewalt ist. Die Missbilligung der in der Veranstaltung geäußerten – verfassungsrechtlich zu tolerierenden – Inhalte durch die Mehrheit der Bevölkerung genügt keinesfalls, um die Störereigenschaft über die Rechtsfigur des Zweckveranlassers zu begründen (BVerfG, DVBl. 2001, 62).

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