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von: michellecarla@web.de
Hallo Herr Fabuschewski,
mein ungutes Gefühl hat sich bestätigt. Ich gehe davon aus, dass Klaus Wagner nicht nur einmal in meiner Wohnung war, seit ich sie verlassen habe. Der verschwundene Computer ist außerdem ein Beweis dafür, dass er sich nicht scheut, in meinen privaten Sachen herumzuschnüffeln. Ein solches Verhalten habe ich allerdings schon früher an ihm beobachtet.
Eines Tages bat er mich, ins Schlafzimmer zu kommen. Er hatte die Schublade herausgezogen, in der sich meine Unterwäsche befand. Demonstrativ hob er einen Slip hoch, sah mich vorwurfsvoll an und fragte, ob ich denn keine anständigen Unterhosen besäße. Ich lachte, hielt das Ganze für einen Spaß. Ich hatte ein leichtes Sommerkleid an. Langsam zog ich es bis zur Hüfte hoch, sah ihn dabei provozierend an und sagte: „Aber angezogen sieht sie wohl doch ganz hübsch aus.“
„Das Theater kannst du dir ersparen“, meinte er, nun schon wütend, „oder willst du mir unbedingt zeigen, wie nuttig du dich verhalten kannst?“ Da merkte ich, dass er es ernst meinte. Schnell zog ich das Kleid wieder über meinen Hintern, und um ihn nicht weiter aufzuregen, tat ich demütig und sagte, dass es nur ein Spaß gewesen sei. Dann erklärte ich, dass man so etwas zurzeit trage. Woraufhin er fragte, ob ich denn allen Unsinn mitmachen müsste. Wieder freundlich bat er mich, ihm ins Wohnzimmer zu folgen. „Setz dich schon einmal hin“, sagte er, „ich koche uns einen Kaffee und dann erzähle ich dir eine Geschichte.“
Ich wartete. „Die Schwester meiner Mutter“, begann er, „so erzählte mir mein Vater, sei ein Flittchen gewesen. Ich nehme an, du weißt, was ein Flittchen ist?“ Ich verneinte.
Flittchen oder auch Schickse seien Begriffe aus dem Jiddischen, einer Mischsprache der Juden, und bezeichneten eigentlich eine Nichtjüdin. Und die seien ja für jeden jüdischen Mann zu haben gewesen, waren also nichts anderes als Nutten. Diese Tante sei eine Hure gewesen, die es sogar mit Juden getrieben hätte. „Allerdings“, sagte er noch, „dem hat man dann ja bald einen Riegel vorgeschoben.“ Er lachte auf einmal laut, „das mit dem Riegel ist doch gut, nicht?“
Dementsprechend sei diese Tante auch gekleidet gewesen. Einmal hätte sein Vater beobachtet, wie sie sich auf der Toilette die Unterhose so weit hochgezogen habe, bis man ihren halben Hintern habe sehen können. Ich fragte ihn, wie alt er gewesen sei, als sein Vater ihm das erzählt habe.
„Dreizehn“, antwortete er. Da ich weiter nichts zu seiner Geschichte sagte, fuhr Klaus fort, dass er sich eine Frau wünsche, die kein Flittchen sei.
Tags darauf überreichte er mir feierlich ein in Geschenkpapier eingewickeltes Päckchen. Ich war überrascht und machte mich sofort ans Auspacken. Sechs ordentliche Unterhosen. Er verlangte nicht, dass ich eine davon sofort anzog. Am liebsten hätte ich es getan und sie vor seinen Augen so weit hochgezogen, wie seinerzeit die Tante. Stattdessen bedankte ich mich artig. Wieder akzeptierte ich, noch immer in der Hoffnung, ihn und seine Ansichten verändern zu können.
Eines Nachts wachte ich auf und ging ins Wohnzimmer, da ich von dort Musik hörte. Klaus Wagner saß, mir den Rücken zugewandt, vor dem Fernseher. Auf dem Bildschirm war ein Mädchen zu sehen, das sich gerade den Stringtanga auszog und andeutete, masturbieren zu wollen. Klaus Wagner hatte die rechte Hand in seiner Schlafanzughose. So leise, wie ich gekommen war, entfernte ich mich auch wieder.
Jetzt, da ich das aufgeschrieben habe, staune ich über mich selbst, meinen Mut. Ich glaube, es stimmt: Aufschreiben befreit.
Herzlichen Dank!
Ihre Michelle
Alexander Fabuschewski sah keinen Grund, auf diese Mail zu antworten.