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Jesus, Maria und Josef
ОглавлениеDie Pest mag im ausgehenden Mittelalter einer der Auslöser der Angst vor dem jähen Tod gewesen sein, doch es kam noch eine weitere Entwicklung dazu, durch die die Angst vor dem Tod geschürt und das Verlangen nach einem Beistand im Sterben befördert wurde. Die Vorstellung vom Fegefeuer als einem Reinigungsort der abgeschiedenen Seelen gab es zwar schon vereinzelt in der Alten Kirche, doch erst ab dem 12. Jahrhundert begann es das volkstümliche Denken zu beherrschen. Es hat fast den Anschein, als wäre die Furcht vor dem Fegefeuer größer gewesen als vor der ewigen Verdammnis. Im allgemeinen Denken scheinen sich Fegefeuer und Hölle überlappt zu haben. Zugleich verbreitete die Kirche die Lehre, man könne durch verschiedene fromme Vorkehrungen die Zeit der Qualen im Fegefeuer abkürzen. Ein Weg war, sich im Sterben des Beistandes Christi und seiner Heiligen zu versichern, und an erster Stelle stand die Gottesmutter, deren Fürsprache sich der Mensch im Tode anvertraute. Es kommt nicht von ungefähr, dass das bereits seit dem 11. Jahrhundert geläufige Ave Maria genannte Mariengebet im 13. Jahrhundert um die Bitte des Beistandes in der Todesstunde erweitert wurde: „Heilige Maria, Mutter Gottes, bitte für uns Sünder jetzt und in der Stunde unseres Todes.“
Der heiligen Mechthild von Hackeborn (1241–1299), einer großen Mystikerin aus dem Kloster Helfta bei Eisleben, gab Maria für das tägliche Beten von drei Ave Maria das folgende Versprechen: „Ich werde dir in der Todesstunde beistehen, dich trösten und alle Macht des Teufels von dir fernhalten. Ich werde dir das Licht des Glaubens und der Erkenntnis eingießen, damit dein Glaube nicht durch Unwissenheit oder Irrtum versucht werde. Ich werde dir in der Stunde des Hinscheidens nahe sein und in deine Seele die Wonne der göttlichen Liebe überströmen lassen, damit kraft ihrer Übermacht alle Todespein und Bitterkeit durch Liebe sich in Glückseligkeit wandle.“ Überliefert ist diese Verheißung im Buch der besonderen Gnade16, das zu Beginn des 14. Jahrhunderts rasch eine weite Verbreitung gefunden hatte. So ist verständlich, dass sich die Jungfrau Maria zur vorzüglichsten Sterbepatronin entwickelte, der die Menschen ihre Bitte um einen guten Tod anvertrauten. Inwieweit diese Verheißung Mariens nicht nur der Linderung der seelischen, sondern auch der körperlichen Todespein gilt, lässt sich aus diesem Text freilich nur schwer erheben.
Gleich neben Maria nimmt Josef, der Nährvater Jesu, den Rang des vorzüglichsten Sterbepatrons ein, zu dem man in Todesnöten Zuflucht nimmt. Zwar erzählt das Evangelium nichts von seinem Tod, aber in der Überlieferung wird ihm zugeschrieben, ihm sei die Gnade zuteil geworden, im Beisein von Christus und Maria sterben zu dürfen. Hatte Josef ihren Beistand erfahren, so konnte er seinerseits zum Patron der Sterbenden werden, wie es ausdrücklich im Katholischen Katechismus (Nr. 1014) dem Gläubigen anempfohlen wird, sich auch an Josef zu wenden: „Die Kirche ermutigt uns, uns auf die Stunde des Todes vorzubereiten, die Gottesmutter zu bitten, in der Stunde unseres Todes für uns einzutreten, und uns dem hl. Josef, dem Patron der Sterbenden, anzuvertrauen.“ Vor allem in der Barockzeit wurde der Tod des heiligen Josef zu einem beliebten und verbreiteten Bildmotiv. Christus und Maria stehen an seinem Sterbebett und trösten ihn. Als Zeichen des Trostes und der himmlischen Verheißung hält Josef die Sterbekerze in den Händen.
Somit bilden Jesus, Maria und Josef die Trias der wichtigsten Sterbepatrone, und ihre gleichzeitige Anrufung geschah in höchster Todesnot. Das muss in Zeiten, als die Todesgefahr durch die verschiedensten Umstände größer war als heute, sehr häufig geschehen sein – so häufig, dass sich der zumal im Süddeutschen zu Jesses, Maria und Josef mutierte Schreckensruf bald auch in weniger dramatischen Lebenslagen fand. Schon bei Kleinigkeiten entfuhr den Menschen dieses kurze Stoßgebet und zeigt, wie volkstümlich diese Trias geworden war. Außerdem konnten die Namenspatrone oder die Zunftheiligen in Sterbensnöten angerufen werden. Alle Schutzheiligen, die sich die Zünfte oder Berufsgruppen erwählt hatten, konnten als Sterbepatrone angerufen werden, etwa die heilige Barbara bei den besonders gefährdeten Bergleuten. Es gab noch keinen Sanitäter oder Notarzt, den man hätte rufen können, um das Leben zu retten; stattdessen vertraute man sich den Mittlern zwischen Himmel und Erde an, damit, wenn schon nicht das Leben, dann wenigstens die Seele gerettet würde.