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3. Die Nichthinderung fremder Selbsttötung

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Die Nichthinderung fremder Selbsttötung ist – unbeschadet einer Haftung nach § 323c (vgl. hierzu Tlbd. 2, § 55) – nach den Grundsätzen zu beurteilen, die für das in mittelbarer Täterschaft begangene Unterlassungsdelikt gelten. Danach entfällt eine Haftung nach Tötungsgrundsätzen zunächst dann, wenn der die Rettung des Selbsttöters Unterlassende diesem gegenüber durch keinerlei Garantenpflicht verbunden war. Bestanden derartige Pflichten, ist die Beurteilung nicht einheitlich. Wer auch in diesem Falle die Haftung des Unterlassenden nach Teilnahmegrundsätzen konstruieren will, muss aufgrund dieser „akzessorischen“ Betrachtung mangels Tatbestandsmäßigkeit der Selbsttötung stets zu einer Straflosigkeit des Unterlassenden gelangen; wer das Problem auf der Ebene eigener Täterschaft des Unterlassenden lösen will und hierbei dem extensiven Täterbegriff den Vorzug gibt, muss regelmäßig die Erfüllung des Tatbestandes der §§ 211 ff. durch den Unterlassenden bejahen. Die richtige Lösung kann auch hier nur mithilfe des Grundsatzes der objektiven Tatherrschaft gefunden werden; im Falle eines echten Freitodes wird dem pflichtgebundenen Unterlassenden eine derartige Tatherrschaft in aller Regel abzusprechen sein, sodass seine Haftung für den Tod des anderen entfällt[64].

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Dieser Grundsatz darf auch nicht dadurch wieder aufgehoben werden, dass man den Garanten wegen seiner nach dem Eintritt der Handlungsunfähigkeit des Selbsttöters eintretenden Tatherrschaft (z.B. der Selbsttöter wird in der Schlinge ohnmächtig, lässt aber noch Lebenszeichen erkennen) nachträglich doch noch haften lässt[65]. Da bei dem Selbsttöter eine actio libera in causa vorliegt, ist eine Tatherrschaft des Garanten nicht möglich[66]. Noch 1983 hat BGH 32, 367 sogar ausdrückliche Anweisungen des Selbsttöters für den Fall seiner Auffindung für unbeachtlich erklärt und eine Straflosigkeit nur bei im Falle der Rettung zu erwartenden schweren Dauerschäden zugelassen[67]. Seitdem lässt die Rechtsprechung jedoch den gebotenen Wandel erkennen[68].

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Unproblematisch ist auch im Falle der Nichthinderung der Selbsttötung die eigene Täterschaft des Unterlassenden dann, wenn es an den Voraussetzungen eines echten Freitodes fehlt (vgl. o. Rn. 20).

So mit Recht schon RG 7, 332: Verurteilung eines Irrenwärters wegen fahrlässiger Tötung einer an Selbsttötungsmanie leidenden Patientin, begangen durch Verletzung der Aufsichtspflicht. Fälle einer unfreien Selbsttötung dürften wesentlich häufiger sein als üblicherweise angenommen[69]; auch hier tritt eine Verschiebung der Grenzen zwischen Teilnahme und Täterschaft zuungunsten des Garanten ein.

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Die Verhinderung eines echten Freitodes ist nicht nur nicht strafrechtlich geboten, sondern kann ihrerseits eine strafbare Nötigung oder Körperverletzung darstellen[70]. Häufig wird allerdings die Annahme der Unfreiheit und damit eines Rechtfertigungsgrundes vorliegen. Für die Polizei bestehen z.T. ausdrückliche Ermächtigungen.

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Für Selbsttötungsversuche in Straf- und Untersuchungshaftanstalten gelten die §§ 101, 178 StVollzG und die entsprechenden Bestimmungen der Bundesländer[71].

Strafrecht Besonderer Teil. Teilband 1

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