Читать книгу Einführung in die religiöse Erwachsenenbildung - Reinhold Boschki - Страница 11
Entkirchlichung, Enttraditionalisierung und Postsäkularität sind grundlegende Kennzeichen der religiösen Situation unserer Zeit
Оглавлениеreligiöse Transformation
Das Christliche Abendland ist Vergangenheit. Es sind lediglich Reste des Fundaments – manche sprechen auch von Ruinen – erkennbar, auf denen wir stehen oder einst standen. Prozesse der Säkularisierung sind in der gesellschaftlichen Realität unübersehbar, auch ein deutlicher Rückgang der Bedeutung von Kirche und Tradition im öffentlichen Leben und in der individuellen Lebensführung. Die grundlegenden Entscheidungen in der Biografie der Menschen werden nicht mehr durch religiöse Motive festgezurrt, allenfalls noch religiös überhöht (Taufe als Familienfest, Hochzeit in Weiß als Traum vom Glück). Dennoch kann die These von der allgemeinen Säkularisierung, d.h. der Verweltlichung aller Lebensbereiche in der immer moderner werdenden Gesellschaft, nicht gehalten werden (u.a. Joas 2012, S. 13–85). Denn der Bereich des Religiösen, die religiösen Such- und Angebotsmuster haben sich aus den traditionellen Institutionen herausgelöst und in einen gigantischen Supermarkt verlagert, der religiöse „Waren“ bereithält. Dort suchen und finden viele Zeitgenossen die Befriedigung ihrer individuellen religiösen Bedürfnisse, wie sie speziell zu ihnen passen, wie sie aber auch flexibel sind und jederzeit verändert bzw. ausgetauscht werden können. Auf der anderen Seite werden die „offiziellen“ Religionen heute als dominierende Faktoren in sozialen Konflikten wahrgenommen: In der eigenen Gesellschaft (Streit um Moscheebauten, Kopftuch etc.) und weltweit scheinen religiöse Überzeugungen bis hin zu religiösem Fanatismus, religiös motiviertem Hass und religiöser Gewalt gegen Andersgläubige auf dem Vormarsch. Die religiöse Situation unserer Zeit ist geprägt von einer unwahrscheinlichen Vielfalt, von enormen Ambivalenzen und daher von einer besonderen Unübersichtlichkeit.