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Transzendenz ist der Anfang des Denkens und der religiösen Rituale und kultischen Handlungen

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Interessant an der Grenze zwischen Immanenz und Transzendenz, zwischen Irdischem und Himmlischem erschien mir, dass sie nur einseitig durchlässig ist. Das Leben in der Immanenz, im Diesseits, verstehen die meisten Mythen und Religionen als abhängig von der Transzendenz. Umgekehrt gilt das nicht. Theologisch gesprochen hieße das – der Mensch braucht Gott, aber Gott braucht den Menschen nicht – was nur eine Behauptung wäre. Denn was wissen wir schon von der Sphäre jenseits der uns bekannten Welt?

Im Grunde, wurde mir bewusst, geht es bei den einander entgegengesetzten Begriffen Immanenz und Transzendenz um verschiedene Formen des Verstehens. Das Unverfügbare mag in den vergangenen Jahrhunderten geschrumpft sein. Denn wissenschaftliche Erkenntnisse und technische Errungenschaften haben das Wissen und Können der Menschen verändert.

Krankheiten werden heute durch eine hoch entwickelte Medizin geheilt. Mithilfe der Chemie können wir landwirtschaftliche Erträge unabhängig von Witterungen steigern. Und seit Charles Darwin wissen wir mehr über die Entstehung von Mensch und Tier. Vieles von dem, was den Menschen früher ein Rätsel war und das sie deshalb dem Unverfügbaren, dem Transzendenten zugerechnet haben, lässt sich heute erklären. Doch nach wie vor sind die Wissenschaften mit Grenzen konfrontiert, nach wie vor reichen unsere Werkzeuge nicht aus, um das Universum als Ganzes zu verstehen.

Dieses Nicht-verstehen-Können-aber-verstehen-Wollen war einst der Ursprung für die Entstehung unseres Denkens, gleichzeitig aber auch der Grund, warum Menschen begannen, Rituale zu entwickeln. Mit Gebeten, Totemverehrung, Regentänzen und anderen Beschwörungen wollten sie sich das Unverfügbare verfügbar machen. Sie wollten damit Einfluss darauf nehmen, um Schaden von sich abzuwenden.

Heute geht die Religionssoziologie davon aus, dass Religion »unbewusst« entstand und dass sie auch Ergebnis materieller Notwendigkeiten war. Gottheiten entstanden somit als Ansprechpartner für existenzielle Anliegen, und mit ihnen entstanden vor etwa 15.000 Jahren auch Kulte und Rituale, die diese Ansprechpartner oder vermuteten allmächtigen Gottheiten beeinflussen sollten.

Dass jeder Mensch auch heute diese menschheitsgeschichtlich nachgewiesene Entwicklung durchmacht, verdeutlicht eine kleine Geschichte aus dem Jahr 1995. Meine Tochter war damals drei Jahre alt. Sie war ein zufriedenes Kind, das stundenlang vor sich hin spielen konnte. An einem regnerischen Tag beobachtete ich, wie sie in ihrem Zimmerchen ein großes Blatt Papier mit hellblauer Wasserfarbe anmalte. Dann ging sie auf den Balkon und wedelte damit, die angemalte, hellblaue Seite nach oben haltend, den Himmel an.

»Was machst du da?«, fragte ich sie.

»Ich zeige dem Himmel, welche Farbe er haben soll«, antwortete sie.

Das war pures magisches Denken, ein Versuch, die Grenze zwischen Himmel und Erde von der Erde aus zu durchdringen, den Himmel zu beeinflussen. Ich war erstaunt, dass mein Kind dachte, es hätte durch ein angemaltes Blatt Papier die Macht, auf das Wetter Einfluss zu nehmen. Besser hätte mir niemand den Zusammenhang zwischen Kultus und Kunst und die Entstehung von Religion aus einem vitalen Interesse heraus erklären können.

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