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Kapitel 7

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Hauptlieder neun lernt ich von dem weisen Sohn

Bölthorns, des Vaters Bestlas,

Und trank einen Trunk des teuern Mets

Aus Odrörir geschöpft.

Zu gedeihen begann ich und begann zu denken,

Wuchs und fühlte mich wohl.

Wort aus dem Wort verlieh mir das Wort,

Werk aus dem Werk verlieh mir das Werk.

(DIE EDDA, ODINS RUNENLIED)

In der Nacht war der erste Schnee gefallen und hatte das Land mit einem zarten Schleier bedeckt. Klar spiegelte sich die Dezembersonne in den Eiskristallen, alles schien zu glitzern und zu glänzen.

Im Haus war es warm und behaglich, die Kälte blieb vor der Tür.

Hasso und Steinar hörten gespannt auf das Referat ihres Meisters.

„Runen können auf zweierlei Weise benutzt werden. Einmal zum Schreiben, wie ihr es in der Schule gelernt habt, denn jeder Rune ist ein Laut zugeordnet. Wir Germanen schreiben wieder auf ursprünglicher Art und Weise. Doch für Menschen, die der Runenschrift nicht mächtig sind, wie Bewerber oder ausländische Besucher jeglicher Art, haben wir die lateinischen Zeichen beibehalten und Straßen, Ämter, Flughäfen und öffentliche Orte doppelt beschriftet!“

Weißbart Rabenzahn blickte seine Schüler an.

„Habt ihr das verstanden?“

„Ja, Meister!“, antworteten die Adepten wie aus einem Munde.

„Gut! Die Rune Isa …“, er griff in ein Säckchen und holte ein kieselgroßes Hölzchen hervor, das er Hasso zur Ansicht in die Hand drückte, „… bedeutet Eis. Sie ist außerdem eine mächtige Schutz-Rune. Isa ist Materie gewordener Geist, sie weist denjenigen, der sie benutzt, auf seinen jeweiligen Standort hin. Isa hält auch die Persönlichkeit zusammen und besitzt gigantische Kräfte! So bannt die Rune fremde Gedanken, Einflüsse und Wesen. Sie schützt den Benutzer vor Manipulationen, Energievampiren und verirrten Seelen, die ihren Platz noch nicht gefunden haben!“

„Wie kann man die Rune für sich nutzen, Meister?“, wollte Steinar wissen.

„Gute Frage, Rabenfeder!“ sagte Meister Weißbart. „Steht mal auf, ihr Zwei! Ich zeige es euch.“

Meister Rabenzahn erhob sich von seinem Platz, ebenso wie seine Schüler.

„Stellt euch gerade hin. Füße leicht auseinander, Hände an den Körper.“

Sie nahmen die Stellung ein, die ihnen ihr Lehrer vormachte.

„Atmet tief ein und lasst alles, was euch belastet, beim Ausatmen euren Körper verlassen. Macht das einige Male! Einatmen … und ausatmen! Einatmen … und ausatmen! – Wenn ihr spürt, dass ihr gut in euch ruht, hebt eure Arme in die Höhe, die Handflächen einander zugewandt. Nun wieder einatmen. Lasst die Energie in euch eindringen, spürt, wie sie euch zentriert und euch wieder zu euch selber macht.“

Meister Rabenzahn atmete mit geschlossenen Augen tief ein … und wieder aus. Die beiden Zauberlehrlinge taten es ihm nach.

„Wir rufen nun die Rune Isa an und bedienen uns ihrer Kraft: Atmet tief ein und sagt laut und deutlich ‚Isa‘ … dann langsam wieder ausatmen.“

Sie riefen nun alle drei gemeinsam die Rune an.

Steinar fühlte, wie etwas Mächtiges in ihn hineinfloss und ihn mit Energie füllte. Er empfand sich als unerschütterliche Säule seines Ichs und alles Fremde splitterte von ihm ab. Unglaublich, was für eine Kraft in dieser Rune steckt!, dachte Steinar und war ganz er selber. Dieses Wissen erfüllte ihn mit großer Freude. Bei Odin!, diese Zeichen haben doch etwas sehr Magisches!

Da senkte Meister Weißbart wieder seine Arme, öffnete die Augen und blickte seine Schüler an.

„Senkt eure Arme und lockert den Körper. Dann setzt euch wieder.“

Rabenzahn nahm auf seinem Stuhl Platz und wartete.

„Habt ihr etwas gespürt?“

„Ja, Meister! Es war unfassbar!“, rief Hasso begeistert.

„Unglaublich, welche Energie da drin steckt!“, bestätigte Steinar.

„Gut! Heut Nachmittag werden wir uns mit der Bedeutung von Isa beim Runenorakel beschäftigen. Bis dahin übt das Gelernte!“

„Ja, Meister!“, riefen die Schüler und beugte sich über ihre Bücher.

* * *

Sie strich getrocknete Blätter in ein Glas. Den ganzen Vormittag schon war Swanhild damit beschäftigt, Erkältungskräuter zu verarbeiten. Die Salbeiblätter hatte sie fertig, jetzt war die Pfefferminze dran, zum Schluss würde sie noch Kamille dazutun.

Nun, da der erste Schnee gefallen war und die Winterzeit eingeläutet hatte, musste sie ausreichend Tee vorrätig haben, denn bald würde danach gefragt werden. Sie wusste es genau: Die drei Kräuter mit heißem Wasser aufgegossen und Honig dazu, da hatten weder Husten noch Schnupfen eine Chance!

Swanhild hatte den Frühling und Sommer hindurch fleißig Kräuter gesammelt, ihr Vorrat würde spielend über den Winter reichen.

Sie hielt inne und stützte versonnen das Kinn auf ihre rechte Hand.

Ach ja, was für ein erfülltes Leben ich doch führe! Ich bin oft an der Natur und kann mit meinem Wissen den Menschen helfen. Was will ich mehr?, lächelte sie.

* * *

Jul steht vor der Tür, morgen früh geht es nach Hause!, freute sich Sarulf, als er seine Zivilklamotten packte. Die Eltern werden sich freuen, und die Geschwister. Und Swanhild werde ich sehen, und Steinar, und Siegfried von Heimdalls Horden. Das wird ein tolles Fest werden! – Und ich werde Alida wiedertreffen!

Darauf freute er sich am meisten und hoffte, dass auch Alida sich freute! Oft stellte er sich ihr Gesicht vor, und bei jedem Gedanken an sie wurde ihm warm ums Herz.

Es ist so schön, verliebt zu sein!

Sarulf schloss die Tasche und stellte sie ans Fußende des Bettes. Dann gesellte sich zu seinen Kameraden, die bereits zum Abendappell antraten.

Noch einmal schlafen, dann geht es ab nach Hause!, er grinste verstohlen.

* * *

Sanft und weich umhüllte ihn die Flüssigkeit und vermittelte ihm ein Gefühl von Geborgenheit. Allmählich waren die Veränderungen an seinem Körper sogar durch das trübe Fluidum hindurch deutlich erkennbar. Die Muskeln traten schon ein wenig hervor und bedeckten die Knochen. Seine Haut war vollständig abgeheilt und unversehrt, sie begann sich über sie zu straffen. Er hatte so lange gelegen, dass seine Muskulatur fast zu einem Nichts geschrumpft gewesen war. Doch bald würde er den Tank verlassen und mit dem Training beginnen können, und sich alle Bewegungsabläufe neu antrainieren müssen, bevor er in den heiligen Krieg ziehen konnte.

Macht nichts, meine Mitstreiter werden bestimmt dasselbe Problem haben.

Plötzlich gab es einem Ruck. Eine unsichtbare Welle schoss durch seinen Heiltrank und versetzte ihm einen Schubs.

Er drehte sich um die eigene Achse, um nach der Ursache zu sehen. Aber durch die milchige Flüssigkeit konnte er kaum etwas erkennen.

Er nahm Schemen wahr, die an ihm vorüberglitten, sie schienen vom Eingang zu kommen und zur Tür gegenüber zu eilen, um die Halle wieder zu verlassen. Plötzlich jaulte eine Sirene auf und durchdrang jede Faser seines Körpers, Rundumleuchten warfen rhythmische Blitze durch das Glas.

Was ist denn nur los? Es muss etwas Schlimmes passiert sein.

Mit seinem Tank konnte es jedenfalls nichts zu tun haben, die Versorgung funktionierte einwandfrei! Bei den anderen schien es ebenso.

Was nur hinter dieser Tür liegen mag? Wenn ich das wüsste, aber ich bin ja nur halbtot auf einer Schwebeliege in die Halle gekommen!

Er betete zu seinem Herrn, dass der große Plan nicht in Gefahr geraten war und bald der alles reinigende Feuersturm über die Ungläubigen niederging.


GEBO – Gabe, Geschenk (Rune der göttlichen Gaben)

Im Jahr des Wolfes

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