Читать книгу Haven Brotherhood: Down & Dirty - Rhenna Morgan - Страница 6
Kapitel 2
ОглавлениеDer Juni war erst zwei Tage alt und die Hitze war bereits intensiv genug, dass die vierspurige, viel befahrene Straße vor dem Crossroads schimmerte, als ob sie feucht wäre. Das war nicht gerade überraschend für Dallas, Texas. Was überraschend war, war, dass Axel einen Großteil des Samstagnachmittags damit verbracht hatte, aus dem Fenster zu starren und diese bescheuerten Details wahrzunehmen. Zu grübeln war nicht seine Art, aber in der letzten Woche war er in einen höllischen Strudel geraten und hatte versucht herauszufinden, ob es Zeit war, tiefer zu graben oder die Sache auf sich beruhen zu lassen.
Er drehte sich in seinem riesigen Ledersessel zurück zu seinem Tisch und konzentrierte sich wieder auf die Arbeitspläne seiner Angestellten für den restlichen Juni. Dass er mit logistischen Überlegungen so spät dran war, war ebenfalls außergewöhnlich für ihn, und dass er sie so lange aufgeschoben hatte, zeigte nur, wie sehr seine erste Begegnung mit Lizzy Hemming ihm das Hirn vernebelt hatte.
Schritte erklangen im langen Konferenzraum, der sein und Jace’ Büro im zweiten Stock des Crossroads miteinander verband. Schwer und entschlossen und nur gedämpft vom dicken schwarzen Teppich im Zimmer. Jace tauchte ungefähr zwei Sekunden später im Türrahmen auf. „Sicher, dass du heute Nacht klarkommst?“
Der Drang, zu knurren, statt eine zivilisierte Antwort zu geben, war verdammt verführerisch, und jedem anderen gegenüber hätte er es in seiner aktuellen Stimmung automatisch getan, aber da Jace seine Scheiße ertragen hatte, seit sie beide fünf Jahre alt gewesen waren, zügelte er sich.
Oder zumindest versuchte er es.
„Warum zum Teufel sollte ich nicht?“
Jace legte den Unterarm gegen den Türpfosten und grinste, als ob Axel gerade einen lächerlich einfallsreichen Witz gerissen hätte. „Ich schätze, das große Fenster neben deinem Tisch spiegelt nicht besonders gut. Sonst würdest du denselben rotgesichtigen Oger sehen, mit dem der Rest von uns sich arrangieren musste.“ Er hielt lang genug inne, um den Zahnstocher in seinem Mundwinkel einmal mit der Zunge zu drehen. „Wirst du irgendwann mal darüber sprechen, was bei dir für Verstopfung sorgt, oder ignorieren wir weiterhin den angepissten Elefanten im Raum?“
„Ich mische mich nicht in deinen Scheiß ein, Bruder. Misch du dich nicht in meinen ein.“
„Nicht einmischen, ja klar! Wenn es dir in den Kram passt, steckst du deine Nase schneller in jedermanns Angelegenheiten als unsere beiden neugierigen Mütter zusammen.“ Er stieß sich vom Türrahmen ab und ging zu einem der zwei Ledersessel für Gäste, die sich vor seinem Tisch befanden, als ob er nicht gerade den Fehdehandschuh geworfen hätte. Anders als einem Großteil der Leute, die heute Abend durch die Eingangstür des Clubs hereinkommen würden, war es Jace scheißegal, ob seine Kleidung andere beeindruckte oder was andere von ihm dachten. Abgetragene T-Shirts, Jeans und Stiefel passten zu neunundneunzig Komma neun Prozent der Zeit perfekt zu seiner Stimmung, und heute war keine Ausnahme. Dass er sein dunkles Haar zum ersten Mal seit Wochen zu einem niedrigen Pferdeschwanz zusammengebunden hatte, hatte mehr damit zu tun, dass draußen heftiger Wind herrschte, als mit Stil.
Jace ließ sich in einen der Sessel fallen, die Knie gespreizt und die Ellbogen auf die Armlehnen gelegt, sodass er ein Gefühl von „Schluss mit dem Scheiß“ vermittelte. „Du hast gesagt, du seist letztes Wochenende auf Talentsuche gewesen.“
„Ja, und?“
Jace sah ihn einen Moment lang an. Es war eine dieser vorsichtigen Taxierungen, die normalerweise bedeuteten, dass er sich auf die Schlagader stürzen würde. „Ich habe zufällig gesehen, dass Lizzy Hemming im Crow gespielt hat. Deine beschissene Stimmung hat ungefähr drei Tage später eingesetzt.“
Verdammt, er wünschte, sie hätte da eingesetzt. In Wahrheit war er bereits unglaublich angefressen gewesen, bevor er es auch nur zu seinem Shelby auf dem Parkplatz geschafft hatte. Er hatte es gerade noch hingekriegt, die Wut zu drosseln – bis ganze zweiundsiebzig Stunden ohne einen Anruf von Lizzy vergangen waren und ihm die Realität bewusst geworden war. „Hast du mal wieder Dr. Phil gesehen?“
Typisch Jace. Statt anzubeißen und gutmütige Beschimpfungen auszutauschen, wie es der Rest seiner Brüder tun würde, grinste er nur und betrachtete die fehlende Antwort als Zeichen dafür, dass er einen Volltreffer gelandet hatte. „Also bist du hin, um sie dir anzusehen.“
„Ja, ich habe sie gesehen.“
„Und?“
Und er hatte die ganze verdammte Sache falsch angefangen. Ein weiterer Punkt auf der wachsenden Liste von Verhaltensweisen, die ungewöhnlich für ihn waren. Musiker liebten ihn normalerweise. Männer, Frauen – es war vollkommen egal. Innerhalb von dreißig Sekunden konnte er fast immer eine vernünftige Verbindung zu jedem von ihnen aufbauen, sodass sie kurz darauf auf einer von seinen oder Jace’ Veranstaltungen spielten. Er konnte sich auch nicht daran erinnern, wann er das letzte Mal so vorschnell gewesen war. „Kennst du diese Scheiße, für die Vicente bekannt ist? Dieses Manöver von wegen Wenn das Haus nicht voll ist, gibt es keinen Anteil, das er bei ein paar der Bands abgezogen hat, die bei ihm aufgetreten sind?“
Jace’ Augen weiteten sich. „Macht er immer noch diesen Bullshit?“
Axel neigte das Kinn. „Er hat es bei Lizzy versucht, dabei war der Laden gerammelt voll.“
Dieselbe instinktive Wut, die Axel am letzten Wochenende empfunden hatte, hatte scheinbar Jace erfasst, denn auf seiner Miene zeigte sich tiefer Zorn. „Ich vermute, du bist dazwischengegangen?“
„Ich werde diesem Arschloch nicht erlauben, einen vollkommen Fremden aufs Kreuz zu legen, geschweige denn ein Talent, das ich monatelang im Blick hatte. Natürlich bin ich dazwischen.“
„Und?“
Und er hatte sich verrechnet. Er hatte sich so sehr in seinem Wunsch verheddert, Vics Schwanz in dessen Rachen zu stopfen, dass er vollkommen vergessen hatte, zu überlegen, was Lizzy von so einer Aktion halten könnte. „Sie hat den Anteil erhalten, den sie verdient, aber deshalb stand unsere erste Begegnung unter einem schlechten Stern. Ich habe ihr meine Nummer gegeben und seither keinen verdammten Pieps gehört.“
Dass Jace nicht direkt antwortete, war genauso unangenehm wie die Vorstellung, seine Eier in einem Schraubstock zerquetscht zu bekommen. Als er endlich etwas sagte, stieg das Gefühl des Eierquetsch-Unbehagens auf ein ganz neues Level an.
„Warum siehst du dir dieses Mädchen an?“
Mädchen?
Axel mochte ja nicht sämtliche Einzelheiten von Elizabeth Hemmings Lebensgeschichte kennen, er hatte jedoch den Eindruck, dass die Bezeichnung Mädchen am schlechtesten zu ihr passte. Weiblich, ja. Frau, definitiv. Aber Mädchen?
Auf keinen Fall.
Er vermutete sowieso, dass sie mit der Präsenz und Geisteshaltung einer Amazone geboren worden war. Gott wusste, dass ihr Körper inzwischen dazu passte, und das machte ihn verdammt an.
Er schob die Antwort, die sich beim Gedanken an Lizzy immer freikämpfen wollte, irgendwohin, wo Jace sie hoffentlich nicht sehen konnte, und hielt sich an die Fakten. „Sie hat eine großartige Stimme. Bei den tiefen Tönen ist sie reiner Samt, bei den höheren ein regelrechtes Kraftpaket. Ihr Können als Songwriterin ist überragend und ihre Präsenz auf der Bühne ist elektrisierend. Ein zukünftiger Rockstar. Die Menge liegt ihr zu Füßen.“
Jace grinste, als ob Axel ihm sein Ass gezeigt hätte. „Ich habe nicht nach ihren Fähigkeiten gefragt, Bruder. Ich habe gefragt, warum du sie dir ansiehst.“
„Und das habe ich dir gesagt. Sie besitzt Talent.“
Diesmal stieß Jace ein Kichern aus, neigte den Kopf und schüttelte ihn. „Ich glaube, du verstehst nicht, worum es geht.“
„Dann werde verdammt noch mal deutlicher.“
Jace hob den Kopf und senkte die Stimme. „Du siehst dir niemanden an. Wenn du eine Band siehst, die du engagieren willst, engagierst du sie. Wenn du ein Geschäft siehst, das du aufbauen willst, baust du es auf. Unser ganzes verdammtes Leben lang hast du das identifiziert, was du willst, und dann die Magie gewirkt.“ Er beugte sich vor, legte die Ellbogen auf die Knie und bannte Axel mit einem intensiven Blick. „Was du nicht tust, ist zuzusehen und nichts zu tun. Also drücke ich es mal anders aus. Du willst diese Frau. Du kannst gerne behaupten, dass es sich um eine rein geschäftliche Sache handelt, aber das ist Bullshit, und das wissen wir beide. Sie hat also nicht angerufen. Hör auf, rumzuspinnen, und tu, was du am besten kannst. Wirke die Magie.“
Er wollte es. Dringend. Mehr, als er sogar Jace gegenüber zuzugeben wagte. Versagen war nichts, wovor er sich in anderen Situationen in seinem Leben gefürchtet hatte, doch aus irgendeinem Grund erfüllte ihn unglaubliche Angst, er könnte bei Lizzy privat oder beruflich versagen. „Da ist ihre Vergangenheit. Keine Ahnung, was genau, aber sie hat so viele Wände um sich herum aufgebaut wie all unsere Brüder zusammen.“ Er hielt einen Herzschlag lang inne und zwang dann den Rest heraus. „Ich weiß nicht, ob ich die Mittel besitze, um sie einzureißen.“
Der Laut aus Jace’ Mund, als er sich aufrichtete und gegen den Sitz lehnte, war teils Schnauben und teils Amüsement. „Du denkst zu viel. Vor ein paar Wochen hast du gesagt, dass sie keinen Manager hat, und du hast vergessen, dass ich ein paar Bilder dieser Frau gesehen habe. Bei ihrem Aussehen und ohne jemanden, der ihr den Rücken frei hält, ist es schwer, zu wissen, wem man vertrauen kann und wem nicht. Besonders bei Kerlen wie Vic. Da muss sie ihre Schutzwälle immer oben haben.“
„Was das Manager-Ding betrifft, bin ich mir nicht mehr so sicher. Vic hat einen Typen namens Rex erwähnt, während wir uns verbal die Köpfe eingeschlagen haben, also liege ich vielleicht falsch.“
„Herrgott noch mal, du bist das Sinnbild von Untergang und Elend.“ Jace seufzte. „Wen interessiert, wer dieser Rex ist? Du organisierst ein paar der besten Veranstaltungen, für die man in Texas engagiert werden kann. Das allein ist schon ein Grund, die Konkurrenz aus dem Weg zu räumen.“ Er verengte die Augen. „Ich schätze, du hast ihr nicht gesagt, für welche Art Auftritt du sie engagieren willst?“
„Du weißt doch, wie sich die Leute verhalten, wenn sie herausfinden, dass ich für das Green und das Crossroads verantwortlich bin.“
„Ja, sie setzen sich hin und fragen, wo sie unterschreiben sollen.“
Und das war das Problem. „Wenn sie mit mir arbeitet, will ich nicht, dass der einzige Grund dafür ist, dass ich ihren Terminplan füllen kann.“
„Warum? Was sonst solltest du tun?“
Axels Brust fühlte sich eng an. Hoffnungen und Träume, die er schon vor Jahren unterdrückt hatte, schienen sich dort zu sammeln. Allein die Worte laut auszusprechen, war eine Herausforderung. „Wenn ich sage, dass diese Frau Talent besitzt, meine ich, dass sie gesegnet ist. Das ganze Paket.“
„Ja, das habe ich schon verstanden.“ Jace hielt inne, dann ließ er eine vertraute Stichelei hören. „Genau wie du.“
Das war er gewesen. Früher einmal. Aber Träume veränderten sich und mit den Veränderungen kamen neue Ideen. Neue Risiken. „Der Zug ist schon vor langer Zeit abgefahren, und das wissen wir beide.“
Er erwiderte Jace’ Blick. Bis jetzt hatte er seine Pläne für sich behalten, weil er zu vorsichtig war, um seinen Ideen zu rasch Leben einzuhauchen. Aber das hier war Jace. Sein Bruder auf alle Arten, die zählten. Er holte tief Luft und legte los. „Was das betrifft, für sie ist der Zug noch nicht abgefahren.“
Jace blieb mucksmäuschenstill. Nicht einmal ein Muskel oder ein Zucken verriet, was er dachte. „Was bedeutet das?“
Axel zuckte zusammen und hoffte, er könnte damit die Bedeutung dessen runterspielen, was er vorhatte. „Das bedeutet, dass ich zu alt bin, um einem Traum nachzujagen, aber ich habe verdammt noch mal die Grundlagen gelernt. Wenn ich nicht haben kann, was ich früher wollte, finde ich, dass das nächstbeste ist, dass ich es für jemand anderen wahr werden lasse.“
Scheinbar misslang ihm sein Versuch, es runterzuspielen, vollkommen, weil Verstehen Jace’ passiven Gesichtsausdruck innerhalb von Sekunden zu ehrlichem Schock veränderte. „Du willst sie launchen.“
Launchen schien ein bisschen zu wenig zu sein. Vielleicht hätte das Wort vor acht Tagen gepasst, aber jetzt, da er sie getroffen hatte – jetzt, da er ihre Reserviertheit gefühlt und das Leid in ihren verblüffend blauen Augen gesehen hatte –, wollte er ihr die Welt auf einem Silbertablett überreichen. Was überhaupt keinen Sinn ergab, da sie noch nicht mal daran interessiert zu sein schien, zu reden. „Warum nicht? Ich habe die Mittel, das Wissen und die Verbindungen dafür.“
Jace hob die Hände in gespielter Ergebenheit. „Hey, ich sage ja gar nichts. Wenn wir deinen Arsch nicht wieder vor Zuschauer bekommen, können wir genauso gut deinen Schützling nehmen.“
„Also, na ja … Ich muss zuerst rausfinden, wer dieser Rex ist.“
„Frag Knox. Verdammt, was das angeht, frag Darya. Sie wird richtig happy sein, dir dabei zu helfen, eine Frau an Land zu ziehen.“
Axel sah ihn böse an. „Hör auf. Darum handelt es sich hierbei nicht. Und selbst wenn doch, es wäre viel zu früh, die Familie hier mit reinzuziehen.“
Jace kicherte und warf ihm wieder dieses verflucht selbstzufriedene Grinsen zu. „Klar. Das ist ein Deal wie jeder andere. Schon verstanden.“ Er erhob sich und ging zurück Richtung Konferenzzimmer. „Erzähl dir das einfach weiter, und sag mir dann, wie gut es geklappt hat.“
Die Stichelei weckte eine Erinnerung in ihm. Die Worte waren nicht dieselben, aber die Botschaft war fast die gleiche wie die, die er vor weniger als vier Jahren Jace mitgegeben hatte. Eine verdammt gute Idee, wie er die Sache mit Lizzy wieder hinbiegen könnte, folgte auf dem Fuß. „Warte mal.“
Jace hielt im Türrahmen inne und drehte sich so weit, dass er Axel über die Schulter hinweg ansehen konnte.
„Ich sagte, es sei zu früh, um den Rest der Familie mit hineinzuziehen“, stellte Axel klar. „Ich habe nichts davon gesagt, dass ich nicht deinen aufgeblasenen Arsch gebrauchen kann.“
Jace hob eine Augenbraue auf die herrische Art, die er benutzte, um jeden einzuschüchtern, und wartete wortlos.
„Erinnerst du dich an den Kniff, den du mich hast anwenden lassen, damit du eine Chance bei Vivienne bekommst, als ihr euch das erste Mal getroffen habt?“
Jace stellte sich ihm direkt, und ein wenig Vorsicht war in seiner Miene zu erkennen. „Ja, und?“
Diesmal war es Axel, der grinste. „Zahltag, Bruder.“