Читать книгу Haven Brotherhood: Down & Dirty - Rhenna Morgan - Страница 9
Kapitel 5
ОглавлениеDie Flure waren wie ein Kino beleuchtet, und dicke Stahltüren, für die man einen Handabdruck benötigte und die wahrscheinlich einer Granate widerstehen könnten, waren nicht gerade ein herzliches Willkommen. Allerdings war Lizzy ziemlich erfahren darin abzuschätzen, wie gut ein Abend verlief, wenn sie die Anzahl der Barkeeper und die Anzahl an Drinks im Auge behielt, die in der Menge verteilt wurden. Das Crossroads verdiente heute nicht schlecht am Alkohol. Vermutlich hatten sie die Hauptbüroräume wie Fort Knox ausgerüstet, um die Kohle, die die Kunden einbrachten, sicher zu verwahren, bis sie lachend zur Bank marschieren konnten.
Der Pluspunkt? Der Club war gerammelt voll und die Barkeeper waren durchgehend beschäftigt gewesen, und Jace hatte ihr unglaubliche vierzig Prozent vom Eintrittsgeld angeboten. Das Problem? Es sah aus, als ob Jace ihr das Geld geben würde, und nicht Axel.
Das hätte sie nicht so aufwühlen sollen, wie es der Fall war. Verdammt, wenn überhaupt, sollte sie erleichtert sein, dass Axel nicht auf ihre Notiz geantwortet hatte. Es wäre besser, den heutigen Abend als großartige Erinnerung abzuhaken und zu hoffen, dass sie dadurch die Möglichkeit bekäme, weitere Auftritte wie diesen zu erhalten. Voran und aufwärts und so weiter.
Jace öffnete die Tür und winkte sie vor sich die Treppe hinauf. „Die erste Tür, zu der du kommst. Ignoriere allerdings das Genörgel. Er bellt, beißt aber nicht.“
Lizzy verharrte mitten im Schritt und hielt die Tür weit offen. „Wer?“
Selbst in dem gedämpften Licht wirkte Jace’ Grinsen wie das eines nervtötenden Schuljungen, der es faustdick hinter den Ohren hatte. „Axel ist ein verdammt sturer Bock und unglaublich stolz, aber er wird keine hübsche Lady ignorieren, die singen und die Bühne so dominieren kann wie du.“ Er deutete mit einem Nicken auf die Stufen. „Geh schon. Rechne ab und sag ihm, was du sagen musst. Vielleicht hörst du ihm sogar ein Weilchen zu, während du dort bist.“
Damit zwinkerte er und ließ sie allein, indem er zurück in den schattigen Flur verschwand, durch den er sie geführt hatte.
Herrjemine. Das war das, was ihr Inneres zum Klingen brachte.
Die Tür am Ende des Flurs fiel ins Schloss, sodass nur ein Fernseher oder ein ähnliches Hintergrundgeräusch aus dem oberen Stockwerk ertönte. Während ihr Arm vor zwanzig Sekunden die schwere Tür noch problemlos offen gehalten hatte, zitterte er jetzt, als ob sie ihr vierfaches Gewicht stemmen würde. Zum ersten Mal, seit sie ihre hohen Stiefel angezogen hatte, fühlte sie sich so unsicher wie ein neugeborenes Fohlen.
Sie stieß einen langsamen Atemzug aus und schloss die Tür hinter sich. Es ging nur darum, das mit dem Geld zu regeln. Höflich zu sein und übers Geschäft zu reden.
Kinderspiel, richtig?
Die Stufen waren steiler als üblich, und der Teppich darauf war zu dünn, um ihre Schritte vollkommen zu dämpfen. Sie hatte gerade den Treppenabsatz erreicht und wollte sich wenigstens ein paar Sekunden sammeln, als Axels tiefe Stimme durch den offenen Türrahmen drang.
„Wenn du noch länger brauchst, um reinzukommen, Mädel, werde ich genügend Zeit haben, um diesen Stapel Geld, den du dir verdient hast, erneut zu investieren und Zinsen rauszuschlagen.“
Es war das erste Mal, dass sie seinen Akzent so deutlich hörte. Dazu der spielerische Unterton, und ein Großteil der Anspannung in ihrem Magen löste sich. Der Atem, den sie angehalten hatte, entwich mit einem Kichern. Sie trat in sein Büro. „Sie müssen zugeben, dass Ihre Bude ein wenig einschüchternd ist.“
Sie meinte damit die Beleuchtung und das schicke, moderne Dekor, aber in dem Moment, in dem er den Blick von dem massiven Mahagonitisch abwandte, stand außer Frage, dass er der beeindruckendste Punkt im Raum war. Anders als an dem Abend, an dem er sie im Crow angesprochen hatte, war sein Haar zu einem unordentlichen Knoten gebunden, den sie bei sich selbst nie hinbekam. Doch die Ärmel seines blauen Hemds waren hochgerollt, wie in der ersten Nacht, und zeigten die gebräunte Haut und die feinen Haare auf seinen Unterarmen.
Er erhob sich und deutete auf einen der beiden schwarzen Ledersessel, die vor seinem Tisch standen. „Einschüchtern ist das Letzte, was ich will. Ich hatte mehr auf Beeindrucken gehofft.“
„Alles unter diesem Dach ist beeindruckend. Sie haben es sogar geschafft, dass die Kondomautomaten in den Toiletten schick aussehen.“
Er lachte leise und kam hinter seinem Tisch hervor. „Du weißt doch, was man über Gelegenheiten sagt. Es soll nie behauptet werden, dass wir unsere Kunden nicht mit den Mitteln ausstatten, diese Gelegenheiten zu nutzen.“
Mann, er war groß. Ihr war schon beim ersten Mal aufgefallen, wie breit seine Schultern waren, aber irgendwie hatte ihr Kopf seit damals die Erinnerung ein wenig heruntergespielt. Vermutlich war es eine Überlebensstrategie, um sie davon abzuhalten, ihn anzurufen, bevor er auch nur vom Parkplatz des Crow gefahren war.
Er setzte sich in den Sessel neben sie, überkreuzte die Beine und legte die Ellbogen auf die niedrigen Armlehnen. Er wirkte wie ein eleganter, gut gepflegter Salonlöwe. Was seltsam war, wenn man bedachte, dass der Mann unter der Kleidung besser zu Motorrädern und Barbecues passte.
Sein Blick schweifte an ihr hinab und dann wieder hinauf – ein langsames, unverfrorenes Manöver, das eine angenehme Wärme in ihr zurückließ. „Ich bin froh, dass du den Auftritt angenommen hast.“
Macht.
Sie pulsierte förmlich in seinen klugen waldgrünen Augen und verlangte etwas, von dem sie nicht wusste, wie sie es geben sollte.
Sie schämte sich für diesen Gedanken und konnte seinen Blick nicht erwidern, daher konzentrierte sie sich auf ihre Armlehne und fuhr das Leder am Rand mit dem Finger nach. Ihre Armreifen funkelten in dem sanften Licht über ihnen und klimperten in der Stille, während sie nach einer Antwort suchte. „Na ja, ich muss dir dafür danken.“ Da es ihr seltsam schien, dass sie ihn weiter siezte, obwohl er sie duzte, wechselte sie nun auch zum Du.
Schweigen folgte ihren Worten, dicht und geladen, bis ihre Haut regelrecht prickelte. Fünf Jahre lang hatte sie sich gezwungen, härter zu sein. Direkter und furchtloser in ihren Interaktionen. Aber bei ihm schien es, als ob die Figur, die sie nicht nur geschützt, sondern die sie auch aus der Asche gezogen hatte, sich weigerte, mitzuspielen. Wie wenn sie sich scheute, sich diesem Mann zu stellen. Also hielt sie den Kopf gesenkt und versuchte, ihre Atemzüge langsam und gleichmäßig zu machen.
„Elizabeth.“ Leise und so beeindruckend wie näher kommender Donner. Sie hatte sich den Klang ihres Namens auf seinen Lippen Hunderte von Malen wieder ins Gedächtnis gerufen, seit sie ihn das letzte Mal gesehen hatte. Sie hatte gestaunt, wie er einen Namen, der sich für sie ihr ganzes Leben lang fremd angefühlt hatte, genommen und ihn zu etwas Besonderem gemacht hatte. Zu etwas Wertvollem. „Sieh mich an, Mädel.“
Seltsam. Er hatte den Befehl nicht lauter ausgesprochen als alle anderen Worte, die seine Lippen verlassen hatten. Wenn überhaupt klang er sanfter. Ein seidiges Streichen über ihre Sinne. Aber es knisterte unter der Anordnung. Eine zärtliche Strenge, die ihr Kinn so wirksam hob wie eine körperliche Berührung.
Er wartete, bis ihr Blick sich mit seinem verband. „Wir haben beim ersten Mal auf dem falschen Fuß gestartet. Hauptsächlich deshalb, weil ich den Gedanken nicht ertragen konnte, dass Vic seinen Scheiß abzieht, obwohl ich ihn aufhalten könnte. Aber diesmal machen wir es richtig, und das heißt, dass ich von Anfang an direkt bin.“ Er hielt inne und sah in ihr Gesicht, als ob er die Weisheit dessen überdachte, was er noch sagen wollte. „Ich habe dich nicht für heute Abend gebucht, um wiedergutzumachen, dass ich die Nase in Angelegenheiten gesteckt habe, die mich nichts angingen, und ich habe es nicht getan, um einfach nett zu sein.“
Da war sie. Die Möglichkeit, alle Fragen stellen zu können, die sie in den letzten drei Wochen jongliert hatte. Eine Tür, die offen stand.
Und nun? Würde sie hindurchgehen?
Oder den Köder ignorieren, abrechnen und weitermachen?
Neugier und ein anderer, fremder Instinkt, der in seiner Gegenwart zu übernehmen schien, antworteten für sie. „Warum dann?“
„Versuchung. Ganz einfach.“ Sein Blick fiel einen Augenblick lang auf seinen Tisch, bevor er sich vorbeugte und einen dicken, versiegelten weißen Umschlag nahm. Er lehnte sich wieder in seinem Sessel zurück und reichte ihn ihr. „Das Crossroads fasst zweitausend Besucher. Das haben wir nicht ganz geschafft, aber wir hatten auch nicht genug Zeit, um dich zu promoten, und die Hälfte der Leute, die aufgetaucht sind, dachten vermutlich, sie würden die Band sehen, die wir davor gebucht hatten. Die, die gekommen sind, sind geblieben. Bei zehn Dollar pro Kopf beträgt dein Anteil acht Riesen.“
Acht. Tausend. Dollar.
Sie hatte einen vernünftigen Anteil erwartet, verglichen mit den Veranstaltungen, auf denen sie normalerweise spielte, aber nicht viermal mehr als den üblichen Betrag. „Es wären acht, wenn die Höchstzahl erreicht worden wäre.“
„Und wir hätten volles Haus gehabt, wenn wir die Zeit gehabt hätten, deinen Auftritt hier publik zu machen. Ich werde dich nicht bestrafen, nur weil eine andere Band nicht so viel Publikum angelockt hat oder wegen der Tatsache, dass wir nicht schnell genug vorgegangen sind, um deinen Auftritt zu bewerben. Du wirst es das nächste Mal wiedergutmachen.“
„Das nächste Mal?“
Er grinste schelmisch, was durch seinen roten Bart nur betont wurde. „Nimm das Geld, Elizabeth. Es ist nicht gut, ein neues Geschäft zu planen, bevor man das aktuelle abgeschlossen hat.“
Er hatte leicht reden. Das letzte Mal, als sie achttausend Dollar in den Händen gehabt hatte, hatte sie ihr Konto in Florida geleert und sofort jeden Penny in den Toyota gesteckt, den sie immer noch fuhr.
Ihre Hand war überraschend ruhig trotz des Zitterns unter ihrer Haut, und ja, so viel Geld in den Fingern zu haben, reichte für ein Hochgefühl, sodass sie etwas überrascht war, dass sie nicht an die Decke schwebte.
Es war verführerisch, den Umschlag zu öffnen und die Scheine darin zu bewundern. Stattdessen legte sie ihn auf ihren Schoß, faltete ihre Hände darüber und tat so, als ob ein großzügiger Zahltag die Norm wäre statt eines Grundes zum Feiern. „Okay. Das alte Geschäft ist vorbei. Ihr habt garantiert für mindestens die nächsten drei Monate Bands engagiert, wenn nicht für länger. Die Band, die hier vor fünf Tagen gebucht war, hat heute Abend in einem anderen Club gespielt, den ihr in Fort Worth besitzt, daher weiß ich, dass der freie Platz nicht wegen einer Absage auf den letzten Drücker vorhanden war. Warum hast du an so vielen Schrauben gedreht?“
„Habe ich dir doch gesagt. Versuchung.“
„Warum?“
Einen Moment wirkte er gedankenverloren, dann sah er zu dem Fenster, das den Großteil der Innenwand einnahm. Er erhob sich und reichte ihr die Hand. „Ich will, dass du dir etwas ansiehst.“
Er mochte wie ein Model angezogen sein, aber seine Finger passten zu dem rauen Mann unter der Kleidung. Groß. Stark.
Solide wie ein verdammter Stein.
Wie am ersten Abend, als sie sich kennengelernt hatten, durchfuhr sie ein überwältigendes Gefühl der Vorahnung. Diesmal aber dicht gefolgt von Frieden. Als ob sie irgendwann heute nicht nur die Entscheidung getroffen hätte, die vor ihr liegende Gelegenheit zu nutzen, sondern auch das damit einhergehende Ergebnis akzeptiert hätte. Sie legte ihre Hand in seine und erwartete beinahe, dass es bloß eine höfliche Geste wäre, aber er zog sie allen Ernstes hoch. Er deutete auf das Fenster und wartete darauf, dass sie an ihm vorbeiging.
Es war fast zwei Uhr früh und das Publikum unten war deutlich weniger geworden. Der VIP-Bereich, der sich in einer U-Form um den ersten Stock herum wand, war vollkommen leer, aber das lenkte nicht davon ab, wie beeindruckend das Gebäude war. Blaue und rote Lichter betonten die Stahlsäulen, und vier große Bars mit verspiegelten Rückwänden und weichem weißen Licht waren gerüstet, um jede Art von Alkohol auf diesem Planeten effizient und mit Stil servieren zu können. Davor befand sich die riesige Bühne, auf der sie und ihre Jungs sich über vier Stunden lang ausgepowert hatten. Ehrlich, es war eine der besten Nächte ihres Lebens gewesen.
Axel trat hinter sie. Er berührte sie nicht, war ihr aber nah genug, dass sie seine Wärme auf ihrer Haut spürte. Seine Stimme grollte direkt hinter ihrem Ohr und war sogar noch wärmer als sein Körper. Wie das beruhigende Brennen eines guten Whiskeys, der sich im Bauch verteilte, und genauso berauschend. „Ich habe von diesem Fleck aus Hunderte von Bands beobachtet, Elizabeth. Keine von ihnen hat die Menge so gefangen genommen und unter Kontrolle gehabt wie du heute Nacht.“
Sie konnte sich nicht bewegen. Verdammt, sie konnte kaum atmen, weil er ihr so nah war, ganz zu schweigen davon, dass sie hätte verarbeiten können, was er sagte. Daher konzentrierte sie sich stattdessen auf die Bühne und erinnerte sich an die Zeit, die sie heute dort verbracht hatte. „Da fühle ich mich am wohlsten. Hier kann ich jede Person sein, die ich sein will.“
„Du kannst sein, wer du willst, egal ob auf der Bühne oder nicht. Mit der Zeit wirst du das begreifen, sofern ich mitreden darf. Aber wenn du dort stehst – wenn die Scheinwerfer auf dich gerichtet sind und die Musik dich umgibt –, kommt alles, was in dir ist, ans Tageslicht und berührt das Publikum. Es ist dasselbe mit den Liedern, die du schreibst. Dein Herz liegt in jedem Satz, und das spüren die Menschen, die dir zuhören. Deshalb bist du so gut in dem, was du tust.“
Das waren keine leeren Worte.
Es war kein Herumgesülze, damit ihr Talent von ihm ausgenutzt werden konnte.
Das war ehrlich. Es kam von Herzen und wurde ihr freimütig mitgeteilt.
Aber es war trotzdem nur ein Anfang. Eine Einführung in etwas, das erst noch angesprochen werden musste. Und bis sie wusste, womit sie es zu tun hatte, wäre sie verdammt blöd, wenn sie sich nicht konzentrieren und auf die Realität fokussieren würde.
Sie packte den Umschlag fester und zwang sich, einen Schritt weg zu machen. Dann noch einen. Erst als die klimatisierte Luft des Raums seine Hitze ersetzte, drehte sie sich um und erwiderte seinen direkten Blick. „Danke für das Kompliment, aber du hast mir nach wie vor nicht gesagt, worum es hier geht.“
Es war schwer zu sagen, ob das Funkeln in seinen Augen und sein schnelles Lächeln ein Lob für ihren Schneid war oder das Vergnügen, dass sie eine unausgesprochene Herausforderung so bereitwillig angenommen hatte. „Du gehörst auf Bühnen wie diese. Bessere. Größere. Und ich will dir helfen, das zu erreichen.“
Vor drei Wochen hatte sie erwartet, dass er so etwas sagen würde, doch die Worte jetzt von ihm zu hören, traf sie so überraschend wie eine Ohrfeige. „Du bist kein Promoter. Du buchst viele Bands für deine Clubs, aber du repräsentierst keine bestimmten Künstler.“
Sein Lächeln wurde breiter. „Du hast wohl deine Hausaufgaben gemacht.“
Das Geräusch, das aus ihrem Mund kam, war eine Mischung zwischen einem Glucksen und einem Schnauben und passte besser zu einer Unterhaltung mit ihrer Band statt zu einem Geschäftsgespräch. „Wenn man dieses Leben lang genug führt, lernt man, über jeden Nachforschungen anzustellen, sonst riskiert man, von allen Seiten übers Ohr gehauen zu werden. Promoter und Manager sind die schlimmsten. Deshalb hast du recht. Ich habe etwas recherchiert.“
„Und als du herausgefunden hast, dass mein Interesse in Sachen Musik sich allein auf die Veranstaltungsorte erstreckt, die mir gehören, dachtest du bei Jace’ Anruf, es wäre sicher, sein Angebot anzunehmen.“
Okay, es klang ein wenig paranoid und geldgierig, wenn er es so formulierte, aber sie wollte nicht länger um die Wahrheit herumtanzen. „So ähnlich.“
Er nickte, trat näher an das Fenster, sodass sie Seite an Seite standen, und schob die Hände in die Taschen. Sie würde drauf wetten, dass er unzählige Nächte so verbrachte und hinabstarrte auf das, was er geschaffen hatte, und die vielen Leute, die kamen, um Teil davon zu sein. „Ich vermute, deine Erfahrungen mit Managern waren nicht gerade die besten.“
„Ich hatte bisher nur einen, aber ja. Ich bin ein wenig vorsichtig, was sie betrifft.“
„Würdest du mir den Grund mitteilen?“
Gott, wo sollte sie anfangen? Bei den Lügen? Bei allem, was ihr gestohlen worden war? Dem vollständigen Mangel eines moralischen Kompasses, vermischt mit körperlichem und emotionalem Missbrauch? Jedes Mal, wenn sie sich auch nur erlaubte, daran zu denken, in welche Opferrolle sie sich geritten hatte, wollte sie sich selbst windelweich prügeln. „Lieber nicht.“
Entweder es waren die offenen Worte oder ihr trockener Tonfall, doch auf einmal besaß sie wieder seine volle Aufmerksamkeit. Da er sie so abschätzend ansah, erwartete sie halb, er würde nachbohren, aber stattdessen senkte er das Kinn, als ob er verstände. „Einverstanden. Und du hast recht. Ich bin kein Manager oder Promoter. Nicht im reinen Sinn des Wortes, wenn es um Bands geht. Für meine Clubs, ja, doch nicht für einzelne Künstler.“ Er hielt nur einen Augenblick inne. Es reichte, um dem, was er noch zu sagen hatte, zusätzliches Gewicht zu verleihen. „Wenn es um dich geht, wäre ich allerdings gerne einer.“
„Warum?“ Das schien ihr die logische Frage zu sein. Eine, auf die Menschen, die Geschäftliches im Sinn hatten, immer eine rasche Erwiderung parat hatten.
Aber nicht Axel. „Ich habe meine Gründe.“ Bevor sie weitere Hinweise auf seine Motive, die hinter seinen ausweichenden Antworten lagen, finden konnte, fiel sein Blick nach unten und auf eine Bewegung auf der Bühne. Die Lichter waren noch nicht wieder an, aber es bestand kein Zweifel daran, dass es Jace war, umgeben von Rex, Tony, D und Skeet. Axel neigte den Kopf. „Ich vermute, das ist Rex?“
Sie nickte bereits, als die Erkenntnis, dass er Rex noch nie getroffen hatte, einen Großteil ihrer Verteidigungswälle wieder auftauchen ließ. „Woher kennst du Rex?“
„Ich kenne ihn nicht. Aber Vic hat jemanden namens Rex im Crow erwähnt, und ich habe bemerkt, dass der Typ da unten zur Bar unterwegs war, als ich gegangen bin.“ Seine Lippen zuckten, während er nicht besonders erfolgreich versuchte, sein Grinsen zurückzuhalten. „Ich habe meine Fehler, aber mangelnde Beobachtungsgabe gehört nicht dazu.“
Das ergab Sinn – wenn auch auf leicht unangenehme Weise. Wenn er etwas so Subtiles mitbekommen hatte, war es ihr unglaublich peinlich, darüber nachzudenken, wie offensichtlich ihre körperliche Reaktion auf ihn gewesen sein musste. Sie senkte den Kopf und drückte den dicken Umschlag an ihren Körper, dankbar, dass sie wenigstens ein Hilfsmittel hatte, um den misslichen Moment zu überspielen. „Stimmt.“
„Erzähl mir von ihm.“
Sie riss den Kopf hoch, denn die direkte Frage und das Thema waren wie ein Volleyballaufschlag verglichen mit dem Rest der Nacht. „Rex?“ Selbst aus dieser Entfernung war leicht zu erkennen, dass ihr bester Freund derjenige war, der die Unterhaltung dominierte. Er war gut darin und fand immer einen Weg, um ein Gespräch am Laufen zu halten und dafür zu sorgen, dass sich die Menschen wirklich wohlfühlten, egal in welcher Situation. „Ich kenne ihn, seit ich fünf Jahre alt gewesen bin.“
„Ist er ein Freund der Familie gewesen?“
Kaum. Eher der einzige Mann in Tampa, mit dem ihre Mutter nicht geschlafen hatte – obwohl es nicht daran lag, dass sie es nicht versucht hätte. Das hatte dazu geführt, dass ihr Vater Rex genauso sehr hasste wie ihre Mutter sich bemühte, ihn ins Bett zu zerren.
Sie schüttelte den Kopf. „Er hat nebenan gewohnt und mir meine erste Gitarre geschenkt, als ich sechzehn war. Seither hat er niemals damit aufgehört, meine Musik zu unterstützen.“
„Aha. Ich glaube, er hat viele Menschen glücklich gemacht, indem er dafür gesorgt hat, dass du heute so weit gekommen bist. Mich eingeschlossen.“
Und … erneut waren sie bei diesem Thema angelangt. Sie räusperte sich, sah auf ihre Stiefelspitzen, bemerkte dann, was sie tat, und zwang sich, das Kinn wieder zu heben. „Also, mir ist klar, dass ich nicht besonders gut im Umgang mit Menschen bin, und die Jungs haben mir Millionen Mal vorgehalten, dass ich dumm bin, dass ich nicht jemandem erlaube, uns zu helfen, der weiß, was er tut. Aber ich habe es ernst gemeint, als ich gesagt habe, dass die ganze Manager-Sache keine gute Erfahrung gewesen ist.“ Ihr Hals fühlte sich so eng an, dass es schwer war, zu atmen, ganz zu schweigen von sprechen. „Selbst wenn ich zustimmen würde, dass wir uns einen neuen suchen, weiß ich nicht, ob ich denjenigen nicht innerhalb von zwei Tagen vollkommen durchdrehen lassen würde. Ich habe einen eigenen Kopf und bin verdammt störrisch, sodass viele es hassen, mit mir zu arbeiten. Außerdem ist Vertrauen nicht gerade meine Stärke – für den Fall, dass du es noch nicht bemerkt hast.“
„Aber du hast kein Problem damit, zu sagen, was dir durch den Kopf geht, und das ist die Hälfte des Kampfs, um eine Beziehung funktionsfähig zu halten.“ Ein seltsamer Ausdruck huschte über sein Gesicht. Eine dieser überraschten und doch neugierigen Mienen, die darauf hindeuteten, dass er gerade eine verblüffende Idee oder eine unerwartete Erleuchtung gehabt hatte. Er sah wieder zu seinem Tisch, dann hinab zu Jace. Mit dem Daumen fuhr er über sein Kinn und wirkte nachdenklich. Als er erneut das Wort ergriff, klang seine Stimme immer noch abgelenkt. „Hast du morgen schon etwas vor?“
„Es wird vier Uhr sein, bis ich genug runtergekommen bin und schlafen kann. Die Schicht bei meiner Arbeit am Montag beginnt um sieben Uhr, also hoffe ich, dass ich den Großteil der Zeit dazwischen schlafend verbringen kann.“
Die freche Antwort riss ihn aus seinen Gedanken und er warf ihr ein schelmisches Lächeln zu. „Aye, aber irgendwann wirst du etwas essen müssen.“ Er ging zu seinem Tisch, holte ein Blatt Papier aus einer Schublade und notierte etwas darauf. Bei jedem anderen wäre sie mehr daran interessiert gewesen, was er aufschrieb, als an der Person, die die Handlung ausführte. Aber die Art, wie er die Hand aufstützte, und der schicke Schnitt seines Hemds machten seine Schultern doppelt so breit. Er war wie ein uralter Krieger, der in der falschen Zeit gefangen war, doch vollkommen zufrieden damit schien, einen Stift zu führen statt eines Schwertes.
Er richtete sich auf, warf den Füller auf den Tisch und ging mit einer lockeren Kultiviertheit auf sie zu, die über das Raubtier hinwegtäuschte, das sich unter der maßgeschneiderten Kleidung befand. Er reichte ihr die gefaltete Notiz. „Sonntagsbarbecue. Wir feuern den Grill normalerweise gegen sechzehn Uhr an, hören aber meist erst nach neunzehn Uhr auf zu essen. Bring Rex und den Rest der Band mit.“
Seine Handschrift passte zu seiner beeindruckenden Persönlichkeit, denn sie war sehr nach rechts geneigt und jeder Buchstabe besaß eine gewisse maskuline Kunstfertigkeit.
„Wer ist wir?“
„Meine Familie.“
Aha. Und dabei hatte sie gedacht, sie hätte für den heutigen Abend bereits genügend Überraschungen erlebt. „Deine Familie?“
„Du glaubst, du hättest einen eigenen Kopf und wärst stur?“ Er deutete auf das Papier zwischen ihren Fingern. „Du bist nichts gegen die. Auch wenn ich total irre bin, dass ich ihnen die Gelegenheit gebe, dich in die Finger zu bekommen, wird das beweisen, dass deine Art von Sturheit mich nicht aufhalten wird.“
Sag Nein.
Besser noch, sag, du denkst drüber nach, und dann flieh und versteck dich eine Woche lang. Oder ein Jahr lang.
Ein nachgiebigerer Gedanke folgte den ersten beiden. Zaghaft, aber doppelt so mächtig.
Sag Ja.
Sie wollte. Dringend. Wenn auch nur, um die Menschen kennenzulernen, die einem so anziehenden Mann so nah waren. Sie faltete den Zettel und drückte ihn an den Umschlag. „Ich kann nichts versprechen, aber ich rede mal mit den Jungs.“
„Gut.“ Er trat ihr aus dem Weg und zeigte auf die Tür. „Na komm. Nach dieser Show musst du müde sein. Ich begleite dich runter.“
„Nein.“ Sie zuckte zusammen und schloss die Augen. „Entschuldigung. Das sollte nicht so harsch rüberkommen. Es ist nur …“ Seufzend öffnete sie die Augen und straffte die Schultern. „Ich würde gerne zuerst mit den Jungs sprechen. Allein.“ Genau genommen wollte sie erst ein paar Worte bezüglich Axel und Managern im Allgemeinen sagen, bevor Axel seine Magie auf die Band wirken konnte.
Sie mochte das nicht laut von sich gegeben haben, aber sein Grinsen zeigte ihr, dass er den Gedanken nichtsdestotrotz erahnte. „Alles klar. Dann eben allein.“ Er führte sie zu der Tür, eine Hand auf ihren Rücken gelegt, und diese Berührung ließ sie sich mehr wie eine Prinzessin fühlen, nicht wie ein unkultivierter Niemand aus den Gassen von Tampa.
Oben an den Stufen hielt er an und sah zu, wie sie allein hinabstieg. Er schwieg, bis sie die Tür unten geöffnet hatte. „Elizabeth.“
Mindestens drei Meter trennten sie, aber seine gesenkte Stimme tanzte dennoch wie eine sanfte Berührung über ihre Haut. Sie hielt inne, eine Hand gegen die Tür gestemmt, und holte zittrig Luft, bevor sie zu ihm zurücksah.
„Sei mutig für mich. Ein Nachmittag. Ein einfaches Barbecue. Wenn du mir dahingehend vertrauen kannst, wirst du sehen, dass du nichts zu befürchten hast. Nicht von mir.“
„Ich kenne dich nicht mal.“
„Noch nicht. Aber du wirst mich kennenlernen.“ Er neigte den Kopf. „Schlaf gut, Mädel. Ich sehe dich morgen.“
Und damit war er verschwunden. Er ließ sie allein in den Schatten zurück … und mit dem ersten Funken Hoffnung seit sehr langer Zeit.